WISSENSWERTES | 02.12.2021

Corona und Urlaubsanspruch – Aktuelle Fragen

 
Die Corona-Krise hat viele arbeitsrechtliche Probleme aufgeworfen.
 
Bereits in einem unserer letzten Beiträge hatten wir über ein Urteil des Arbeitsgerichts Bonn zur Gutschrift von Urlaubstagen in solchen Fällen informiert, in denen Arbeitnehmer während ihres Urlaubs unter Quarantäne gestellt wurden.
 
Das Arbeitsgericht Bonn hat die Klage abgewiesen und eine entsprechende Anwendung des § 9 BUrlG verneint. § 9 BUrlG regelt, dass im Falle einer Erkrankung des Arbeitnehmers während seines Urlaubs die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den gesetzlichen Jahresurlaub nicht angerechnet werden.
 

Bestätigung durch weitere arbeitsgerichtliche Entscheidungen

 
Dem haben sich inzwischen die Arbeitsgerichte Bremen-Bremerhaven, Neumünster und Halle sowie das Landesarbeitsgericht Düsseldorf angeschlossen und Klagen auf Nachgewährung des Urlaubs, der in Quarantäne verbracht werden musste, ebenfalls abgewiesen (vgl. ArbG Bremen-Bremerhaven, Urteil vom 8. Juni 2021, Az. 6 Ca 6035/21, BeckRS 2021, 21151; ArbG Neumünster, Urteil vom 3. August 2021, 3 Ca 362 b/21 ArbG Halle, Urteil vom 23. Juni 2021, Az. 4 Ca 285/21 und LAG Düsseldorf, Urteil vom 15. Oktober 2021, Az. 7 Sa 857/21.
 

Kürzung des Urlaubs bei Kurzarbeit?

 
Angesichts der neuerlichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der damit für betroffene Unternehmen verbundenen Notwendigkeit, Kurzarbeit anzuordnen, stellte sich zudem die Frage, ob Urlaubsansprüche der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit gekürzt werden können.
 
Grundsätzlich genügt für das Entstehen des gesetzlichen Mindesturlaubsanspruchs nach dem BUrlG das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses, so dass die Durchführung von Kurzarbeit nicht zwingend zu einer Kürzung des Urlaubs führt.
 
Das LAG Düsseldorf hatte jedoch schon mit Urteil vom 12. März 2021, Az. 6 Sa 824/20 entschieden, dass bei der Anordnung von Kurzarbeit „Null“ der Urlaubsanspruch für jeden vollen Monat der Kurzarbeit „Null“ anteilig um 1/12 gekürzt werden kann. Zwar hänge das Bestehen des Urlaubsanspruchs nicht davon ab, dass der Arbeitnehmer eine Arbeitsleistung erbringe, arbeite ein Arbeitnehmer in Teilzeit oder wechsele von Voll- zu Teilzeitarbeit, sei der Urlaubsanspruch für jeden Abschnitt gesondert zu berechnen. Arbeitnehmer in Kurzarbeit „Null“ seien wie Arbeitnehmer mit vorübergehender Teilzeitarbeit anzusehen, weshalb der Urlaubsanspruch für diese gekürzt werden könne.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nun mit Urteil vom 30. November 2021, Az. 9 AZR 225/21 diese Entscheidung bestätigt
 

Praxistipp:

 
Arbeitgeber müssen den Urlaub, währenddessen ein Arbeitnehmer in Quarantäne ist, nicht noch einmal gewähren. Sollte sich ein Arbeitnehmer während seines Urlaubs mit einer Quarantäneanordnung melden, sollte gemeinsam überlegt werden, wie die Situation für beide Parteien zufriedenstellend gelöst werden kann. Es könnte z.B. vereinbart werden, dass ein Arbeitnehmer seinen Urlaub verschiebt und die Quarantänezeit im Home Office arbeitet.
 
Bei Kurzarbeit ist zu differenzieren: Ist der Arbeitnehmer in Kurzarbeit „Null“, kann auch der Urlaubsanspruch anteilig gekürzt werden. Arbeitet der Arbeitnehmer während der Kurzarbeit, ist eine Kürzung des Urlaubs dagegen allenfalls dann möglich, wenn sich die Arbeitsleistung auf weniger Arbeitstage als bisher verteilt. Eine gerichtliche Entscheidung dazu gibt es jedoch noch nicht, so dass Arbeitgeber dabei das Risiko tragen, den Urlaub ggf. doch noch gewähren zu müssen.

 

Dieser Artikel wurde auch auf der Webseite des HR Praxis-Portals veröffentlicht.


Aktuelle Beiträge von Dr. Iris Henkel

WISSENSWERTES | 17.10.2024

Entgelttransparenzgesetz und neue EU-Richtlinie – Verschärfungen drohen

Bereits im Jahr 2017 ist in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft getreten, dass sich zum Ziel gesetzt hat, das gleiche Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen.   Zu diesem Zweck regel...

WISSENSWERTES | 08.04.2024

Neues Cannabisgesetz – Auswirkungen und FAQ im Arbeitsrecht

Allen Widerständen zum Trotz ist am 1. April 2024 das Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis (CanG), in Kraft getreten.   Was ist Inhalt?   * Für Erwachsene ist der Besitz von insgesamt bis zu 50 Gramm Cannabis (also trockener Blüten) zum Eigengebrauch erlaubt; die Mitnahme in der Öffentlichkeit ist j...