WISSENSWERTES | 31.10.2016
Haftung eines Gewerbetreibenden bei Bereitstellung eines offenen WLAN
Mit Urteil vom 15. September 2016 hat der EuGH auf ein Vorabentscheidungsersuchen des Landgerichts München I in der Rechtssache C-484/14 (Tobias Mc Fadden/Sony Music Entertainment Germany GmbH – Mc Fadden) klargestellt, dass die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (RL 2000/31/EG) auch dann anwendbar ist, wenn derjenige, der ein WLAN eröffnet, kein Entgelt für dessen Nutzung verlangt.
Ausgangspunkt: Ungeschütztes WLAN
Der Kläger im Ausgangsverfahren betreibt ein Geschäft für Licht- und Tontechnik, in dem er seinen Kunden kostenfrei ein offenes WLAN zur Verfügung stellte. Aus diesem WLAN wurde im Herbst 2010 ein urheberrechtlich geschütztes Musikwerk öffentlich zugänglich gemacht, was eine Abmahnung des Klägers nach sich zog. Seine Eigenverantwortlichkeit hat der Kläger vehement bestritten, konnte jedoch nicht mit Sicherheit ausschließen, dass einer seiner Kunden über das offene WLAN die ihm vorgeworfene Verletzungshandlung begangen hatte. Er erhob daraufhin negative Feststellungsklage gegen die Abmahnung und berief sich darauf, dass seine Haftung gemäß Art. 12 der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr (=§ 8 TMG aF) ausgeschlossen sei. Die Rechteinhaberin machte widerklagend Schadensersatz geltend. Das LG München I hatte Zweifel, ob die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr einer Störerhaftung des Ladeninhabers entgegensteht und legte dem EuGH eine Reihe von Fragen vor.
„Reine Durchleitung“
In seinem Urteil stellt der EuGH nun klar, dass das Anbieten eines ungeschützten WLAN wie im Ausgangsfall unter Art. 12 der Richtlinie („Reine Durchleitung“) falle und damit – gesetzt den Fall, der Kläger habe die Übermittlung nicht veranlasst und weder den Adressaten noch die übermittelten Informationen selbst ausgewählt oder verändert – eine Störerhaftung grundsätzlich nicht in Betracht käme. Gleichwohl könne die Rechtsinhaberin den Kläger dazu verpflichten (lassen), sein WLAN angemessen zu schützen. Das LG München I werde zu prüfen haben, ob die Vergabe eines Passwortes, das nur gegen Preisgabe der Identität des Nutzers zur Verfügung gestellt wird, eine wirksame Maßnahme zur Wahrung der berechtigten Interessen der Rechteinhaberin darstellen kann.
Haftungsprivileg – Störerhaftung light?
Vor diesem Hintergrund kann WLAN-Anbietern derzeit nur empfohlen werden, ihre Netzwerke zumindest mit einem Passwortschutz zu versehen und die Individualisierbarkeit der Nutzer in angemessenem Maße sicherzustellen.
Unklar ist noch, wie sich die zwischenzeitliche Novelle des Telemediengesetzes (http://www.bundestag.de/presse/hib/201606/-/425536) in vergleichbaren Fällen auswirkt. § 8 TMG lautet in der seit 27. Juli 2016 geltenden Fassung wie folgt:
„(1) Dienste-Anbieter sind für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie
- die Übermittlung nicht veranlasst,
- den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und
- die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben.
Satz 1 findet keine Anwendung, wenn der Dienste-Anbieter absichtlich mit einem Nutzer seines Dienstes zusammenarbeitet, um rechtswidrige Handlungen zu begehen.
(2) Die Übermittlung von Informationen nach Absatz 1 und die Vermittlung des Zugangs zu ihnen umfasst auch die automatische kurzzeitige Zwischenspeicherung dieser Informationen, soweit dies nur zur Durchführung der Übermittlung im Kommunikationsnetz geschieht und die Informationen nicht länger gespeichert werden, als für die Übermittlung üblicherweise erforderlich ist.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Dienste-Anbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.“
Festzuhalten bleibt, dass es bis zu der von EU-Kommissionspräsident Juncker verkündeten Ausstattung „jedes europäischen Dorfes“ mit kostenlosem WLAN noch dauern dürfte.