WISSENSWERTES | 30.11.2023
EuGH zum Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst: Darf die öffentliche Verwaltung das Tragen religiöser Kopftücher verbieten?
Mit Urteil vom 28. November 2023, Az: C 148/228, hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass das Tragen eines religiösen Kopftuchs von einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber verboten werden kann.
Die Mitarbeiterin einer belgischen Gemeinde, die als Büroleiterin ganz überwiegend ohne Publikumskontakt tätig ist, hatte nach fünf Jahren der Betriebszugehörigkeit den Wunsch geäußert, während der Arbeit die muslimische Kopfbedeckung zu tragen. Die Gemeinde lehnte das ab, änderte ihre Arbeitsordnung, schrieb Neutralität vor und untersagte allen Mitarbeitern das Tragen auffälliger Zeichen ideologischer oder religiöser Zugehörigkeit – auch denen ohne Publikumsverkehr.
Das von der Mitarbeiterin daraufhin angerufene Gericht legte dem EuGH die Frage vor, ob das Unionsrecht der öffentlichen Verwaltung erlaubt, Regeln der strikten Neutralität aufzustellen und in Folge dessen das Tragen eines religiösen Kopftuchs zu verbieten.
Der EuGH entschied nun, dass die Vorgabe der strikten religiösen Neutralität der öffentlichen Verwaltung als durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt angesehen werden kann. Genauso gerechtfertigt könne es sein, wenn die öffentliche Verwaltung allgemein das Tragen weltanschaulicher oder religiöser Zeichen gestatte oder ein Verbot des Tragens solcher Zeichen auf Situationen beschränke, in denen es zu Publikumskontakt kommt.
Die öffentliche Verwaltung habe einen Ermessensspielraum bei der Ausgestaltung der Neutralität des öffentlichen Dienstes. Die den Mitarbeitern auferlegten Regeln müssen aber systematisch umgesetzt werden und sich auf das absolut Notwendige beschränken.
Praxistipp
Der EuGH hatte für einen privaten Arbeitgeber bereits entschieden, dass das Tragen sichtbarer religiöser Zeichen am Arbeitsplatz verboten werden kann, wenn der Arbeitgeber das Bedürfnis nach betrieblicher Neutralität nachweisen kann und wegen entsprechender Kundenerwartungen ansonsten dessen unternehmerische Freiheit beeinträchtigt wäre (EuGH; Urteil vom 15. Juli 2021, Az. C- 341/19).
Gewünschte Neutralität ist danach immer ein berechtigtes betriebliches Interesse, sie muss vom Arbeitgeber aber konsequent umgesetzt werden.