WISSENSWERTES | 02.08.2017

OVG Bautzen zur Sittenwidrigkeit einer OD-Vereinbarung mit dem Straßenbaulastträger

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Wir hatten bereits mehrmals über die Rechtsprechung des OVG Bautzen zur Kostenbeteiligung sächsischer Straßenbaulastträger bei Mitbenutzung kommunaler Entwässerungsanlagen berichtet. Das OVG hat nun die Nichtigkeit einer abgeschlossenen OD-Vereinbarung „geprüft“ – im Urteil vom 20. April 2017, Az. 3 A 402/15. Das Urteil und eine ausführliche Anmerkung hierzu finden Sie auch in der Augustausgabe 2017 der Zeitschrift „Landes- und Kommunalverwaltung“ (LKV).

Im konkreten Fall hatte ein Abwasserzweckverband (AZV) den Abschnitt einer Trennkanalisation hergestellt; der Freistaat benutzte diese mit zur Entwässerung seiner Ortsdurchfahrt. AZV und Freistaat schlossen eine Vereinbarung hierzu und auf Grundlage dieser Vereinbarung erhielt der AZV für den Abschnitt ca. 31.000 EUR anhand der Pauschalen nach der Ortsdurchfahrtenrichtlinie des Bundes (ODR).

Jahre später ließ der AZV die Fiktivkosten nach § 23 Abs. 5 SächsStrG ermitteln. Diese betrugen mehr als das 5-fache der gezahlten OD-Pauschalen. Der AZV klagte daraufhin den Differenzbetrag ein. Er machte zwei Jahre später auch noch Ansprüche für einen weiteren Abschnitt geltend.

OD-Vereinbarung wegen Wucher nichtig?

Das OVG hat die Klage abgewiesen. Für die nachträglich geltend gemachten Ansprüche hat es zu Recht Verjährung angenommen. Die weitergehenden Ansprüche hat das OVG jedoch auch zurückgewiesen: Grundsätzlich habe ein Anspruch auf Fiktivkostenbeteiligung bestanden; dieser sei aber durch die abgeschlossene OD-Vereinbarung erloschen. Die Vereinbarung sei auch nicht nichtig. In Frage komme hier allenfalls eine Sittenwidrigkeit, wenn Leistung und Gegenleistung in einem groben Missverhältnis stünden. Liege ein solches vor, ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag gemäß § 59 Abs. 1 VwVfG  i. V. m. § 138 BGB nichtig.

OVG Bautzen: OD-Pauschalen angemessen

Zur Prüfung dieser Nichtigkeit ist das OVG aber leider nicht vorgedrungen. Dafür wären zunächst die sich gegenüberstehenden Leistungen zu betrachten und monetär zu bewerten gewesen. Dies war auf Seiten des Straßenbaulastträgers die Zahlung eines Betrages von ca. 31.000 EUR. Die Leistung des AZV – Herstellung eines Abschnitts im Trennsystem auch für die Straßenentwässerung, Gestattung der Mitbenutzung und Entwässerung der Straße – hat das OVG indes weder herausgearbeitet noch wirtschaftlich bewertet oder gutachterlich bewerten lassen. Es hat stattdessen behauptet, dass „die OD-Pauschalen der Ortsdurchfahrtenrichtlinie angemessen sind und regelmäßig überprüft werden“. Eine inhaltliche Prüfung dieser Behauptung ist allerdings nicht erfolgt; dann hätte diese „Angemessenheit“ gerade gutachterlich bewertet werden müssen.

Kein Anspruch auch wegen „Sowieso-Kosten“

Betrachtet hat das OVG daneben die dem AZV entstandenen „Sowieso-Kosten“: die Anlage hätte im Wesentlichen unverändert – bis auf eine ggf. größere Dimensionierung – auch ohne die Anbindung des Straßenbaulastträgers errichtet werden müssen. Die Mehrkosten seien nicht gravierend. Für einen solchen Ansatz ist dogmatisch jedoch im Rahmen einer Nichtigkeitsprüfung nach § 59 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 138 BGB überhaupt kein Raum: Die Leistungen sind nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und ausgerichtet am objektiven Marktwert zu beziffern und einander gegenüber zu stellen. Ob ein Leistender Kosten ohnehin gehabt hätte, ob er hierfür keine oder ganz unangemessene Kosten aufwenden musste, ist ohne jeden Belang. Es ist der Wert der empfangenen Leistung zu ermitteln.

Das hat das OVG außer Acht gelassen. Weder die Angemessenheit der konkreten Leistung des Straßenbaulastträgers noch – wie vom Gericht behauptet – „der OD-Pauschalen“ ist geprüft worden. Die Entscheidung ist deshalb verfehlt.

Tipp

Auch nach diesem fatalen Urteil des OVG richtet sich die Nichtigkeit einer abgeschlossenen OD-Vereinbarung nach § 59 Abs. 1 VwVfG i. V. m. § 138 BGB und es ist das Verhältnis der Leistungen zu prüfen. Hierfür muss die Leistung des Abwasserbeseitigungspflichtigen an den Straßenbaulastträger beziffert werden – im Zweifel durch einen Gutachter. Deutlich sicherer ist es, dies bereits vor Unterzeichnung einer solchen Vereinbarung zu tun. Dann richtet sich die Kostenbeteiligung nach § 23 Abs. 5 SächsStrG und der Anspruch besteht in Höhe der Fiktivkosten, die regelmäßig deutlich höher liegen als die Pauschalen.


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