WISSENSWERTES | 31.07.2023

Abwasserabgabe bei Teilortskanälen (TOK) und kommunalen Kleinkläranlagen – OVG Bautzen verpflichtet Landesdirektion Sachsen zur Abgabenbefreiung bei Kleineinleitungen der Kommune

Abwasserbeseitigungspflichtige Körperschaften – meist Gemeinden und Zweck­verbände – betreiben nicht nur Zentralkläranlagen, sondern auch sog. Teilorts­kanäle (TOK), in die Anlieger die Überläufe ihrer Kleinkläranlagen einleiten und die dann in ein Gewässer münden. Daneben betreiben einige Aufgabenträger auch selbst Kleinkläranlagen – gemäß § 52 Abs. 1 SächsWG sind dies Anlagen zur Behandlung häuslicher Abwässer, die für eine Belastung von weniger als 3 kg biochemischer Sauerstoffbedarf (BSB5) oder 8 m³ täglich bemessen sind. TOK und Kleinkläranlagen münden in eine Einleitstelle am Gewässer, für die sich regelmäßig die Frage nach einer Abwasserabgabenpflicht stellt.

 

§ 9 Abs. 2 Satz 2 AbwAG definiert Gewässereinleitungen, die weniger als acht Kubikmeter je Tag Schmutz­wasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser umfassen, als Kleinleitungen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG sind solche Kleineinleitungen abgabefrei, wenn der Bau der Abwasserbehandlungs­anlage mindestens den allgemein anerkannten Regeln der Technik entspricht und die ordnungsgemäße Schlammbeseitigung sichergestellt ist. Auf diese Kriterien stellte die Landesdirektion Sachsen als Abgabenbehörde bislang jedoch nicht ab, wenn die Einleitstelle von einer abwasserbeseitigungspflichtigen Körperschaft im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung verantwortet wird. Sie vertritt stattdessen die Auffassung, ein solcher Aufgabenträger könne gar nicht Kleineinleiter und damit auch nicht abgabebefreit sein.

 

Die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Chemnitz und auch das Verwaltungsgericht Leipzig stützten bisher diese Auffassung der Landesdirektion. Das OVG Bautzen hat mit zwei Urteilen vom 24.05.2023 nun diese Ansicht verworfen und attestiert den Aufgabenträgern die Möglichkeit, Kleineinleiter und damit auch abgabefrei sein zu können.

 

Kleineinleitende Kommunen und Zweckverbände abgabefrei

 

In einem von unserer Kanzlei betreuten Fall – Aktenzeichen 5 A 419/22 – betrieb der Zweckverband selbst eine Kleinkläranlage für etwa 40 Einwohner, die dem Stand der Technik entspricht. Die Landesdirektion erhob gleichwohl eine Abwasser­abgabe. Das OVG Bautzen hob den Bescheid auf und stellte eine Abgabefreiheit fest.

 

Im Parallelverfahren – Aktenzeichen 5 A 270/20 – betrieb ein Zweckverband drei TOK, in die Anlieger den Überlauf ihrer Kleinkläranlagen eingebunden haben. Die Teilortskanalisation mündet in drei Einleitstellen; an eine Einleitstelle waren nur vollbiologische Kleinkläranlagen nach Stand der Technik angeschlossen; an den beiden anderen Einleitstellen war dies nicht der Fall. Auch hier hob das OVG Bautzen für diejenige Einleitstelle, für die feststand, dass die Anlieger nur Grau­wasser aus Anlagen dem Stand der Technik entsprechend einleiten, den Bescheid auf.

 

Begründung des OVG Bautzen

 

Das OVG Bautzen begründete dies so: Einleitungen, die weniger als 8 m3 je Tag Schmutzwasser aus Haushaltungen und ähnliches Schmutzwasser einleiten, sind „Kleineinleitungen“ im Sinne des AbwAG; auf die Person des Einleiters komme es nicht an. Denn der Wortlaut von § 9 Abs. 2 Satz 2, § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG lässt eine Differenzierung nach Person oder Funktion des Einleiters nicht zu. Der Begriff des Anschlusses an eine „Kanalisation“ in § 8 Abs. 1 AbwAG als Ausschlusskriterium für eine Kleineinleitung umfasse nur solche mit anschließender zentraler Klärung des Abwassers, aber nicht einen bloßen Kanal.

 

Danach ist jede Einleitstelle gesondert zu betrachten. Dabei ist die Gesamtmenge an der Einleitstelle maßgebend. Wie viele Einleitstellen der Aufgabenträger insgesamt in seinem Gebiet hat, ist dagegen unerheblich.

 

Entsprechen alle angeschlossenen Abwasserbehandlungsanlagen dem Stand der Technik, ist somit die Einleitung abgabefrei. Entscheidend für die Vorgaben zu den Regeln der Technik i.S.v. § 8 Abs. 2 AbwAG im Veranlagungszeitraum sind die in diesem Zeitpunkt geltenden Regeln; das hatte das OVG Bautzen bereits 2021 für Kleinkläranlagen und die entsprechenden kommunalen Abwälzungssatzungen der Aufgabenträger aufgrund § 9 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 und 3 AbwAG und § 8 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 SächsAbwAG entschieden. Eine Abwasserbehandlungsanlage entspricht nur dann den allgemein anerkannten Regeln der Technik, wenn sie mit einer biologischen Ausbaustufe ausgestattet ist oder aufgrund ihrer baulichen Ausfüh­rung eine vergleichbare Reinigungsleistung erwarten lässt.
Leiten demnach z.B. in einen TOK auch Anlieger Grauwasser aus solchen Anlagen ein, die nicht dem Stand der Technik entsprechen, scheidet eine Abgabefreiheit für die entsprechende Einleitstelle aus.

 

Das Vorliegen einer wasserrechtlichen Erlaubnis ist für die Frage der Abgabebefreiung unbeachtlich, da § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG allein auf Qualität und Menge des eingeleiteten Abwassers abstellt und nicht darauf, ob die Einleitung formell rechtmäßig ist.

 

Fazit

 

Die Urteile sind sehr zu begrüßen, denn es ist keinerlei sachlicher Grund erkennbar, Einleitungen gleicher Menge und Beschaffenheit abgabenfrei zu stellen, wenn sie ein Privater betreibt und sie mit einer Abgabe zu belegen, wenn es sich um einen hoheitlichen Aufgabenträger handelt. Letztlich würde so Sinn und Zweck des Abwasserabgabenrechts ad absurdum geführt: Dieses bezweckt nach der Gesetzes­begründung und den Vorgaben der europäischen Wasserrahmenrichtlinie eine Verminderung schädlicher Gewässerbenutzungen und soll hierzu Anreize schaffen sowie das Verursacherprinzip und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten. Entspricht jedoch die Einleitung des Aufgabenträgers (bereits) den technischen Vorgaben, kann und muss sie auch nicht weiter optimiert werden. Eine wirtschaftliche Belastung ist dann nicht mehr geboten.

 

Alle sächsischen Gemeinden und Zweckverbände sind nun gehalten, ihre „kleinen“ Einleitungen in Gewässer daraufhin zu überprüfen, ob eine „Kleineinleitung“ nach § 8 Abs. 2 Satz 2 AbwAG vorliegt, die abgabebefreit ist. Zur Vermeidung von Rechts­nachteilen ist in jedem Fall ein Widerspruch gegen einen anderslautenden Bescheid zu erheben.


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