WISSENSWERTES | 21.11.2022
Stadtportal „Dortmund.de“ – Kommunales Internet-Angebot vor dem BGH
Vor über einem Jahr hatten wir an gleicher Stelle über die Entscheidung des OLG Hamm zum Stadtportal „Dortmund.de“ berichtet. Zur Erinnerung: Nachdem das Landgericht redaktionelle Inhalte daraus für unzulässig hielt, hatte das OLG Hamm auf das Rechtsmittel der beklagten Stadt hin die Klage eines Zeitungsverlages abgewiesen, jedoch die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Der BGH hat nun die klageabweisende Entscheidung des Berufungsgerichts bestätigt (Urteil vom 14. Juli 2022, Az. I ZR 97/21).
Gemeindebezug und fehlender Leserverlust klassischer Medien
In seinem Urteil stellt der BGH Rechtsgrundlagen und Maßstäbe dar, anhand derer ein Gericht im Einzelfall über die Zulässigkeit des Telemedien-Angebots einer Gemeinde zu entscheiden hat. Danach können sich wettbewerbsrechtliche Ansprüche eines Presseunternehmens u.a. nach § 8 UWG gegen die Kommune ergeben, wenn letztere die inneren und äußeren Grenzen des aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebots der Staatsferne überschritten hat. Das ist – abstrakt gesagt – immer dann der Fall, wenn ein hinreichender Bezug zur Gemeinde oder deren Aufgaben fehlt und ein ausuferndes Informationshandeln vorliegt, das zu einem Leserverlust privater Medien führen kann.
Letzteres hat der BGH im Fall des Stadtportals „Dortmund.de“ verneint, obgleich er die vom Kläger konkret benannten Veröffentlichungen als unzulässig ansah. Wegen der Informationsfülle auf dem Portal und fehlenden Sachvortrags der Klägerseite zu dessen übrigen Inhalten konnte das Revisionsgericht jedoch die erforderliche Würdigung des Gesamtangebots nicht vornehmen.
Besonderheiten bei Telemedien
Für die Praxis lässt sich aus der BGH-Entscheidung mindestens zweierlei mitnehmen:
• Die Beurteilung des Gesamtcharakters einer Publikation unterscheidet sich, je nachdem ob es sich um ein klassisches Druckwerk – zum Beispiel ein Amtsblatt –
oder um ein Online-Informationsangebot handelt. Bei Letzterem fehlen Kapazitätsbeschränkungen, so dass das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und
unzulässigen Beiträgen weniger aussagekräftig ist. Bei einem gemeindlichen Internetauftritt ist deshalb zusätzlich zu prüfen, ob rechtsverletzende Inhalte
(qualitativ) besonderes Gewicht haben.
• Zu würdigen ist immer die Gesamtausgabe. Ein Verbot einzelner unzulässiger Beiträge kommt jedenfalls bei Telemedien regelmäßig nicht in Betracht.
Fazit
Es kann als gesichert angesehen werden, dass die aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG abgeleitete Institutsgarantie der Presse in ihrer Ausprägung des Gebots der Staatsferne als Marktverhaltensregelung zu Gunsten privater Publikationen vor Substitutionseffekten schützt, die durch kommunale Online-Informationsangebote entstehen. Weil dann die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann, sind Informationsangebote von Gemeinden – obgleich deren Öffentlichkeitsarbeit zweifellos zulässig ist – auf ihren Gesamtcharakter hin zu prüfen und auch über die Zeit ihres Vorhaltens einem regelmäßigen Monitoring zu unterziehen, um rechtliche Risiken zu vermeiden.