WISSENSWERTES | 02.05.2025
Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung des Vorhabenträgers an den archäologischen Grabungskosten – verfassungsrechtlich problematische Grabungsvereinbarungen und Verwaltungspraxis in Sachsen
Ausgangslage
Vorhabenträger größerer Bau- oder Erschließungsvorhaben sowie von Vorhaben zum Abbau von Rohstoffen oder Bodenschätzen werden nach der Verwaltungspraxis der oberen Denkmalschutzbehörden zur Beteiligung an den Grabungskosten für die archäologische Ausgrabung und Dokumentation von Bodenschätzungen herangezogen. Zulässig ist dies nach den landesrechtlichen Regelungen zum Denkmalschutz allerdings regelmäßig nur „im Rahmen des Zumutbaren“ (vgl. z.B. § 14 Abs. 3 SächsDschG).
In der Praxis sind die denkmalschutzrechtlichen Kosten für archäologische Grabungen in den letzten Jahren immens gestiegen, was zu einer zusätzlichen Kostenbelastung für Bergbauunternehmen führt. Deutlich wird dies vor allem anhand der sächsischen Verwaltungspraxis. In den standardisierten Entwürfen der Grabungsvereinbarungen heißt es zur Beteiligung an den Grabungskosten regelmäßig:
„Die Baumaßnahme ist in einem Gebiet geplant, das eine hochrangige archäologische Relevanzzone nach § 14 Gesetz zum Schutz und zur Pflege der Kulturdenkmale im Freistaat Sachsen (SächsDSchG) bildet. In diesem Areal sind archäologische Befunde / Funde ( ) bekannt geworden.
Das Bauvorhaben stellt i. S. d. § 14 Abs. 3 Satz 1 SächsDSchG ein größeres Bauvorhaben dar. Das Landesamt für Archäologie hat das Ermessen über die Kostenerstattung archäologischer Ausgrabungen ausgeübt. Vor Abschluss dieser Vereinbarung wurde die Zumutbarkeit der Kostenbeteiligung überprüft.“
Die Höhe der zu erstattenden Archäologiekosten inklusive der archäologiebedingten Mehrkosten des Vorhabenträgers wird in einem Erlass des früheren Sächsischen Ministeriums für Regionalentwicklung typisierend geregelt und soll im Regelfall 15 % der Gesamtinvestitionskosten nicht übersteigen. Dabei wird auf die Entscheidung des OVG Magdeburg, vom 16.06.2010 – 2 L 292/08 rekurriert.
Allerdings bestehen erhebliche rechtliche Bedenken an dieser Vorgehensweise, insbesondere mit Blick auf die verfassungsrechtliche Rechtfertigung der mit der Heranziehung zur Kostenbeteiligung verbundenen Grundrechtseingriffe.
Rechtsgrundlage für den Abschluss einer Grabungsvereinbarung
Bei der Grabungsvereinbarung zur Beteiligung des Vorhabenträgers an den Grabungskosten handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Austauschvertrag gem. §§ 54 Satz 2, 56 VwVfG i.V.m. § 14 Abs. 3 Satz 2 SächsDSchhG. Für den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Austauschvertrags bestimmt § 56 Abs. 1 Satz 2 VwVfG jedoch, dass die Gegenleistung für die Leistung der Behörde den gesamten Umständen nach „angemessen“ sein und im sachlichen Zusammenhang mit der vertraglichen Leistung der Behörde stehen muss. Gleichzeitig können Vorhabenträger gem. § 14 Abs. 3 Satz 1 SächsDSchG nur im Rahmen des „Zumutbaren“ zur Erstattung der Kosten archäologischer Ausgrabungen verpflichtet werden.
Verfassungsrechtliche Determination der Zumutbarkeitsgrenze
Bei den Begriffen „angemessene Gegenleistung“ sowie „Zumutbarkeit“ handelt es sich zwar um unbestimmte Rechtsbegriffe. Allerdings ist deren Auslegung verfassungsrechtlich determiniert. Bezogen auf die einschlägigen Grundrechte, insbesondere das Eigentumsgrundrecht, bedarf es einer Rechtfertigung für die Kostenanlastung.
Alle Verpflichtungen nach dem Denkmalschutzgesetz, so auch die Kostentragungspflicht, finden ihre verfassungsrechtliche Grundlage vor allem in der Sozialbindung des Eigentums gem. Art. 14 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Verpflichtung ergibt sich aus der Situationsgebundenheit, also der Lage und Beschaffenheit des Grundstücks (BVerfG, Beschluss vom 2. März 1998 – 1 BvL 7/91, juris, Rn. 83) oder der Bergbauberechtigung. Schon deshalb ist die in dem gegenständlichen Erlass sowie vorangehend der Rechtsprechung des OVG Magdeburg angenommene Bezugsgröße von 15 % der „Investitionskosten“ für das Gesamtvorhaben unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtsfehlerhaft. Die Betrachtung der Investitionskosten stellt auf das Vermögen als solches ab. Dieses ist aber gerade nicht Gegenstand der Belastung und kann dementsprechend auch nicht den Maßstab für ihre Rechtmäßigkeit bilden. Anknüpfungspunkt kann nur das Grundeigentum bzw. die Bergbauberechtigung sein.
Darüber hinaus bedarf es zur verfassungsrechtlichen Rechtfertigung des Eingriffs einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, für welche eine Gesamtabwägung durchzuführen ist. Einzustellen sind hierbei neben dem öffentlichen Interesse an der Rohstoffgewinnung auch der Mehrwert der Realisierung des Vorhabens für den Denkmalschutz, der Umstand, dass der Denkmalschutz eine originär staatliche Aufgabe ist sowie die Tatsache, dass Rohstoffvorkommen grundsätzlich standortgebunden sind und einem Bodendenkmal nicht „ausweichen“ können.
Verwaltungspraxis in Sachsen entspricht nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen
Die Anwendung des Erlasses des Sächsischen Staatsministeriums für Regionalentwicklung zur Ermittlung der Höhe der Kostenbeteiligung führt zu rechtserheblichen Verstößen gegen grundrechtlich geschützte Rechtspositionen der Vorhabenträger:
– Der Ansatz des Erlasses, 15% der Gesamtinvestitionskosten als Zumutbarkeitsgrenze zu definieren, knüpft nicht am beeinträchtigten Eigentum an
– Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung muss eine Gesamtabwägung durchgeführt werden. Damit bildet der Verkehrswert des Grundeigentums die absolute Obergrenze der Inanspruchnahme.
– Bei Bergbauberechtigungen ist in mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) anerkannt, dass eine Überplanung einer Bergbauberechtigung zu deren Unausnutzbarkeit führt. Das ist sinngemäß bei dem Konflikt mit archäologischen Belangen zu berücksichtigen.
– In der Diskussion um die Zumutbarkeit von Kostenbelastungen für archäologische Grabungen wird regelmäßig nicht beachtet, dass im Ausgangspunkt eine staatliche Aufgabe in Rede steht, für die zuvörderst auch der Staat die Verantwortung trägt.
– Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung muss zudem berücksichtigt werden, dass Vorhaben der Rohstoffgewinnung aufgrund der Standortgebundenheit von Rohstofflagerstätten nicht frei beweglich im Raum verschiebbar sind. Mithin kann die Gewinnung von Rohstoffen denklogisch immer nur dort erfolgen, wo ein geologischer und wirtschaftlich gewinnbarer Vorrat vorhanden ist.
– Die Heranziehung von bereits abgeschlossenen vorangehenden Vorhabenabschnitten bei der Ermittlung der Kostenanlastung verstößt gegen das Rückwirkungsverbot.
Fazit
Vorhabenträger größerer Bau- oder Erschließungsvorhaben sowie von Vorhaben zum Abbau von Rohstoffen oder Bodenschätzen sollten – nicht nur in Sachsen – die vorgelegte Grabungsvereinbarung vor der Unterzeichnung genau prüfen. Auch erst kürzlich abgeschlossene Grabungsvereinbarungen sollten noch einmal in den Blick genommen werden. Denn aufgrund des Umstandes, dass die Grabungsvereinbarung regelmäßig einen öffentlich-rechtlichen Austauschvertrag nach § 56 VwVfG darstellt, führt die Vereinbarung einer zu hohen und damit unzulässigen Gegenleistung im Sinne des § 56 Abs. 2 VwVfG zur Nichtigkeit des Vertrages.
Wir beraten Vorhabenträger von Vorhaben zum Abbau von Rohstoffen sowie von Bau- und Infrastrukturvorhaben regelmäßig zu rechtlichen Fragen im Umweltrecht sowie im Denkmalschutzrecht.