WISSENSWERTES | 06.02.2019

Seveso III – Neue Informationspflichten für Anlagenbetreiber

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Die Umsetzung der europäischen Seveso III–Richtlinie zum Umgang mit gefährlichen Stoffen in deutsches Recht bringt nicht nur neue Begrifflichkeiten, etwa im Bundesimmisionsschutzgesetz (BImSchG), eine Erweiterung der Gefahrstoffliste (Stoffliste in Anhang I zur Störfall-Verordnung, im Folgenden 12. BImSchV) sowie eine Verzahnung von Bau- und Bundesimmissionsschutzrecht, sondern vor allem auch umfangreichte Anzeige- und Informationspflichten für Anlagenbetreiber gegen-über Behörden und der Öffentlichkeit.

 

Anzeigepflichten, §§ 7, 9 12. BImSchV

Nach § 7 der 12. BImSchV sind für neu errichtete Betriebsbereiche künftig nicht nur Angaben über Gegebenheiten in der unmittelbaren Umgebung, sondern auch solche zu benachbarten Betriebsbereichen sowie zu anderen Betriebsstätten zu machen, die gar nicht unter den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Auch dem Sicherheitsbericht ist ein Verzeichnis benachbarter Betriebsbe-reiche und Betriebsstätten beizufügen sowie gegebenenfalls von Bereichen und Entwicklun-gen außerhalb des Betriebsbereichs, vgl. Anhang II zu § 9 Abs. 2 12. BImSchV.
Da diese Informationspflichten Bereiche außerhalb der Betreibersphäre betreffen und sich damit dessen Einfluss entziehen, begrenzt § 7 Abs. 1 Nr. 7 12. BImSchV die Beschaffungspflicht des Betreibers auf verfügbare Informationen. Darunter sind allerdings nicht nur solche zu verstehen, die auf Seiten des Betreibers bereits vorliegen, sondern auch Informationen, die öffentlich verfügbar sind oder bei der zuständigen Behörde erfragt werden können (siehe BR-Drs. 238/16 v. 6.5.2016 zu Nr. 7 (§ 7), S. 48).

 

Informationspflichten, §§ 8a, 11 12. BImSchV

Die Informationspflicht gegenüber der Öffentlichkeit wurde erheblich ausgeweitet. So sind Informationen aktiv (kein Antrag erforderlich), elektronisch, jeweils auf dem aktuellsten Stand und dauerhaft vom Anlagenbetreiber bereitzustellen und klar und verständlich aufzubereiten.
Informationspflichten, die bislang nur die Betreiber von Betriebsbereichen der oberen Klasse betrafen, müssen nun auch von den Betriebsbereichen der unteren Klasse erfüllt werden, vgl. § 8 a in Verbindung mit Anhang V Teil 1 12. BImSchV.
Neu ist, dass alle Betriebsbereiche die Öffentlichkeit über die Umweltinspektion informieren müssen, vgl. Anhang V Teil 1 Nr. 6 zu § 8 a 12. BImSchV.
Darüber hinaus bestehen für die Betriebsbereiche der oberen Klasse zusätzliche Informati-onspflichten nach Anhang V Teil 2 zu § 11 BImSchV, insbesondere die Pflicht, die Öffent-lichkeit über die wesentlichen Störfallszenarien und Gegenmaßnahmen zu informieren. Wie weit diese Verpflichtung reichen soll, wird im Einzelnen noch unterschiedlich beurteilt.
Die Kommission für Anlagensicherheit (KAS) empfiehlt hierzu im Wesentlichen 3 Angaben:

1. Die Benennung der Stoffe, die im Falle eines Ereignisses die größten Gefähr-dungsbereiche erzeugen,
2. die Angabe der Bereiche, in denen relevante Beurteilungswerte möglicherweise überschritten werden (Szenarien nach § 3 I und III der 12. BImSchV) sowie
3. die wesentlichen Maßnahmen, mit denen dies verhindert oder begrenzt wird (z. B. Schutzzaun, Werksfeuerwehr).

Es bleibt abzuwarten, wie sich die Rechtsprechung zu dieser Thematik äußern wird.
Die Pflicht, die Öffentlichkeit entsprechend §§ 8 a, 11 in Verbindung mit Anhang V 12. BIm-SchV zu informieren, gilt seit Inkrafttreten der 12. BImSchV am 14.01.2017, denn diese sieht keine Übergangsfrist vor.

 

Ausnahme: Absehen von der Veröffentlichung von Informationen

Die §§ 8a Abs. 2, 11 Abs. 2 12. BImSchV sehen vor, dass nach den Bestimmungen des Bundes und der Länder über den Zugang zu Umweltinformationen aus Gründen des Schut-zes öffentlicher oder privater Belange auf die Veröffentlichung der Informationen verzichtet werden kann. Das Sächsische Umweltinformationsgesetz (SächsUIG) ermöglicht durch § 6 ein Absehen von einer Veröffentlichung zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnis-sen oder zum Schutz personenbezogener Daten. Auch der Schutz der öffentlichen Sicherheit kann ein Grund für die Nichtveröffentlichung von Informationen sein, vgl. § 5 SächsUIG, etwa bei der Darstellung der wesentlichen Störfallszenarien. Eine Nichtveröffentlichung ist nach § 8 a II, § 11 II 12. BImSchV jedoch nur mit Zustimmung der zuständigen Behörde möglich.

 

Rechtsfolgen bei Verstößen

Wird gegen die Anzeige- und Informationspflichten verstoßen, droht ein Bußgeld in Höhe von bis zu 50.000 €, vgl. § 21 12. BImSchV in Verbindung mit § 62 Abs. 4 BImSchG.

 

Fazit

Die bereits jetzt geltenden Anzeige- und Informationspflichten für Anlagenbetreiber haben sich erweitert. Wie weit diese Pflichten im Einzelfall gehen können, lässt sich bislang pauschal nicht beantworten und bedarf ein Stückweit der richterlichen Rechtsfortbildung. Wir beraten Sie gern über den Umfang derartiger Betreiberpflichten vor Ort oder an einem unserer mitteldeutschen Standorte in Dresden, Leipzig und Chemnitz.


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