WISSENSWERTES | 17.12.2024

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) – Aufbruch in die Recyclingwirtschaft?

 

Die Bundesregierung hat am 4. Dezember 2024 die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) verabschiedet. Ziel der NKWS ist es, die deutsche Wirtschaft nachhaltiger und ressourceneffizienter zu gestalten. Sie soll den Grundstein für die Transformation hin zu einer zirkulären Wirtschaft legen und zielt auf eine deutliche Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs sowie die Stärkung des Einsatzes von Sekundärrohstoffen ab.

 

Soweit eigentlich nichts Neues. Diese Prinzipien kennt das deutsche Abfallrecht seit langer Zeit und auch der systematische Einsatz von Sekundärrohstoffen ist zumindest für mineralische Ersatzbaustoffe verordnungsrechtlich fixiert (Ersatzbaustoffverordnung (EBV) Neu ist der gesamtheitliche Ansatz der Förderung der Kreislaufwirtschaft bezüglich aller Rohstoffe und Produkte.

 

1. Ziele

 

Reduktion des Primärrohstoffverbrauchs
• Bis 2045 soll der Pro-Kopf-Verbrauch an Primärrohstoffen von derzeit 16 Tonnen auf 6–8 Tonnen gesenkt werden.
• Dies soll durch Materialeffizienz, Substitution mit Sekundärrohstoffen, längere Produktlebenszyklen und die Vermeidung unnötiger Rohstoffverwendung erreicht werden.

 

Schließung von Stoffkreisläufen
• Der Anteil von Sekundärrohstoffen an der Materialverwendung soll bis 2030 verdoppelt werden, von aktuell ca. 13 % auf mindestens 26 %.
• Im Fokus stehen vor allem Kunststoffe, Metalle, Bau- und Abbruchabfälle sowie organische Materialien.

 

Stärkung der Rohstoffunabhängigkeit
• Ziel ist es, 25 % des Bedarfs an strategischen Rohstoffen wie Seltenen Erden oder Lithium durch Recycling zu decken. Dieses Ziel ergibt sich europarechtlich bereits aus dem sog. Critical Raw Materials Act (siehe dazu)
• Dies soll Deutschlands Abhängigkeit von Importen verringern und gleichzeitig die Resilienz der Industrie stärken.

 

Abfallvermeidung
• Bis 2030 soll das Abfallaufkommen pro Kopf im Vergleich zu 2020 um 10 % gesenkt werden.
• Bis 2045 wird eine weitere Reduktion um 20 % angestrebt, durch Förderung der Wiederverwendung, Reparatur und längere Produktlebenszyklen.

 

Die Ziele der NKWS sind miteinander verknüpft und sollen durch umfassende rechtliche, technologische und ökonomische Maßnahmen unterstützt werden. Dazu gehören die Einführung von Recyclingquoten, die Förderung der Kreislauffähigkeit von Produkten und eine stärkere Verzahnung von Abfallwirtschaft und Ressourceneffizienzstrategien.

 

2. Maßnahmen

 

• Förderung von langlebigen, reparierbaren und recycelbaren Produkten durch Standards und digitale Produktpässe.
• Regulatorische Maßnahmen auf EU-Ebene, die sich etwa mit Materialeffizienz, Schadstofffreiheit, Haltbarkeit und Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Wiederaufbereitbarkeit, Recyclingfähigkeit von Produkten befassen.
• Einführung verbindlicher Rezyklatquoten für Kunststoffe auf EU-Ebene.
• Stärkere Nutzung der öffentlichen Beschaffung zur Förderung nachhaltiger Produkte.
• Ausbau innovativer Technologien und wirtschaftlicher Anreize.

 

3. Wirtschaftliche Bedeutung

 

Die Kreislaufwirtschaft soll nicht nur die Umweltbelastung verringern, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands stärken. Prognosen gehen davon aus, dass sie bis 2030 die jährliche Bruttowertschöpfung um 12 Milliarden Euro steigern und 120.000 neue Arbeitsplätze schaffen könnte. Die Strategie versteht sich dabei als ein integraler Bestandteil der Bemühungen um Klimaschutz, Ressourceneffizienz und wirtschaftliche Unabhängigkeit, insbesondere angesichts globaler Herausforderungen wie instabiler Lieferketten und Rohstoffknappheit.

 

4. Welche Rolle spielt die öffentliche Auftragsvergabe?

 

Mit einem geschätzten Volumen von weit über 100 Milliarden Euro pro Jahr in Deutschland hat die öffentliche Beschaffung eine immense Bedeutung, um Marktanreize für die Kreislaufwirtschaft im Sinne der NKWS zu schaffen. Dementsprechend breiten Raum nimmt die Diskussion der diesbezüglichen Ansätze in der NKWS ein (siehe Beitrag der EUWID Europäischer Wirtschaftsdienst GmbH).

 

5. Welche Rolle soll mineralischen Ersatzbaustoffen zukommen?

 

Mineralische Rohstoffe spielen schon rein mengenmäßig eine zentrale Rolle, da sie den größten Anteil am Primärrohstoffverbrauch in Deutschland ausmachen. Dazu gehören Baustoffe wie Sand, Kies und Gips, die vor allem in der Bauwirtschaft eingesetzt werden. Die Strategie adressiert diese Rohstoffe mit spezifischen Maßnahmen, um ihren Verbrauch zu reduzieren und die Kreislauffähigkeit zu erhöhen. Im Ausgangspunkt muss man dabei klarmachen, dass mineralische Bauabfälle schon bisher in deutlich höherem Umfang als viele andere Abfallgruppen recycelt oder sonst verwertet wurden (siehe dazu die beim UBA wiedergegeben Statistiken), wenngleich auch hier noch Potential im Hinblick auf eine noch höherwertige Verwertung besteht. Klassenprimus ist in diesem Bereich der Asphalt, der bereits jetzt zu über 95 % einer Wiederverwendung oder einem Recycling zugeführt wird

 

Als wesentliche Hemmnisse für die effektive Verwendung von mineralischen Abfällen oder – besser – Ersatzbaustoffen sind neben der schon angesprochenen Skepsis der öffentlichen Auftraggeber bei Ausschreibungen die fehlenden Regelungen zum Abfallende zu sehen. Denn formal-rechtlich handelt es sich bei mineralischen Ersatzbaustoffen um Abfälle. Als solche unterliegen sie den starken gefahrenabwehrrechtlichen Restriktionen des Abfallrechts, die ihre Vermarktungsfähigkeit erheblich verschlechtern. Auch das Planungsrecht spielt eine Rolle. Denn Anlagen zur Herstellung mineralischer Ersatzbaustoffe sind bauplanungsrechtlich umstritten (siehe dazu unseren Beitrag hier) und die wenigsten Kommunen brechen in Jubelstürme aus, wenn Vorhabenträger mit solchen Projekten anklopfen.

 

6. Können mineralische Rohstoffe vollständig durch Recyclingbaustoffe ersetzt werden?

 

Nein! Mineralische Rohstoffe wie Sand, Kies und Kalkstein u.a. können nicht vollständig durch Recyclingbaustoffe ersetzt werden, da es insoweit technische, wirtschaftliche und ökologische Grenzen gibt. Unabhängig davon muss man der Tatsache ins Auge sehen, dass das Aufkommen an mineralischen Ersatzbaustoffen rein mengenmäßig nicht ansatzweise ausreicht, um eine vollständige Bedarfsdeckung zu gewährleisten. Allerdings kann ein gewisser Teil des Bedarfs durch hochwertige Recyclingbaustoffe gedeckt werden, insbesondere im Bauwesen, das den größten Verbrauch mineralischer Rohstoffe verursacht

 

(Beispielhafte) Möglichkeiten des Ersatzes:

 

Beton- und Asphaltrecycling

 

Betonabbruch wird bereits häufig als Recyclingmaterial für Straßenbau oder als Zuschlagstoff in neuen Betonmischungen genutzt. Infrastrukturen und fachliche Standards für die Wiederverwendung von Asphalt sind gut entwickelt, wodurch Ausbauasphalt fast vollständig recycelt bzw. wiederverwendet werden kann (siehe etwa Deutscher Asphaltverband).

 

Einsatz von industriellen Nebenprodukten

 

Hochofenschlacke etwa aus der Stahlproduktion oder Flugasche aus der Kohleverstromung können teilweise mineralische Primärrohstoffe ersetzen, z.B. in der Zementherstellung.

 

Kreislaufwirtschaft im Bau

 

Rückbaustrategien und Materialpässe ermöglichen die gezielte Rückgewinnung und Wiederverwertung von Baustoffen aus Gebäuden.

 

Grenzen des Einsatzes

 

Recyclingmaterialien haben oft nicht die gleichen physikalischen oder chemischen Eigenschaften wie Primärrohstoffe. Beispielsweise kann RC-Beton weniger druckfest sein, was seinen Einsatz in tragenden Strukturen einschränkt. Für bestimmte Anwendungen, wie hochbelastete Betonbauteile, ist die Qualität von Recyclingmaterialien oft noch nicht ausreichend. Recyclingprozesse erfordern erhebliche Energie und verursachen CO₂-Emissionen, was deren ökologische Bilanz beeinträchtigen kann. Nicht immer ist genügend hochwertiges Recyclingmaterial in der benötigten Menge und Qualität verfügbar. Der Transport von Recyclingmaterialien kann logistische Herausforderungen mit sich bringen, insbesondere bei regional unterschiedlichen Abbruchmengen.

 

7. Fazit und Kritik

 

Man darf zusammenfassend festhalten, dass die NKWS mit ihrem ganzheitlichen Ansatz bestrebt ist, eine grundlegende Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Recycling und Wiederverwendung zu schaffen. Das ist positiv zu bewerten. Auch bei den Maßnahmen setzt man auf einen Mix aus unterschiedlichen Instrumentarien von Förderung bis hin zu regulatorischen Ansätzen.

 

Wie so oft, bleiben kritikwürdige Punkte nicht aus. Davon seien nur folgende exemplarisch genannt:

 

Investitionen in Infrastruktur und Technologien – Unternehmen müssen in hohem Umfang in neue Recycling- und Kreislaufprozesse investieren, was insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine Belastung darstellt.

 

Mangelnde Wirtschaftlichkeit von Recyclingmaterialien – Sekundärrohstoffe sind häufig teurer als Primärrohstoffe. Ohne ausreichende Marktanreize oder Subventionen sehen eine Reihe von Wirtschaftsteilnehmern derzeit kaum einen wirtschaftlichen Vorteil, Recyclingmaterialien zu nutzen.

 

Komplexität der Vorschriften – Zu kritisieren ist die Vielzahl neuer Vorschriften und Standards, die zusätzlichen bürokratischen Aufwand verursachen. Dazu gehören verbindliche Recyclingquoten, die Nutzung von Rezyklaten und die Einführung von Rücknahmesystemen. Welche Hemmnisse sich für den Einsatz von mineralischen Ersatzbaustoffen nach der EBV ergeben (siehe beispielhaft Bayerische Ingenieurkammer) ist hinlänglich bekannt. So wurde damit zwar ein einheitliches Regelwerk geschaffen. Dieses ist aber so restriktiv und voll mit überbordenden Nachweis- und Prüfpflichten, dass die Attraktivität der Verwertung erheblich gemindert wird. Die fehlende Klärung des Abfallendes tut ihr Übriges dazu.


Current articles of Prof. Dr. Götz Brückner

NEWS | 17.12.2024

Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) – Aufbruch in die Recyclingwirtschaft?

Die Bundesregierung hat am 4. Dezember 2024 die Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) verabschiedet. Ziel der NKWS ist es, die deutsche Wirtschaft nachhaltiger und ressourceneffizienter zu gestalten. Sie soll den Grundstein für die Transformation hin...

NEWS | 15.11.2024

Bauplanungsrechtliche Privilegierung von Baustoffrecyclinganlagen an Rohstoffgewinnungsstandorten

Ausgangssituation und Problemstellung   Im Juni 2024 hat die Bundesregierung ihre nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie veröffentlicht. Bereits seit 1. August 2023 gilt die Ersatzbaustoffverordnung . Ziel beider Regelungen ist eine Stärkung der Kreisla...