WISSENSWERTES | 08.04.2020

Gestaltung von harten Patronatserklärungen – Teil 1

 

Patron, Protegé und Patronat?

 

Aufgrund der Corona-Pandemie geraten viele Unternehmen in die Krise. Vor allem in Konzernverhältnissen sind sog. harte Patronatserklärungen ein gebräuchliches Instrument zur Vermeidung einer Insolvenz. Harte Patronatserklärungen begründen eine rechtlich bindende Verpflichtung des Erklärenden, des sog. Patrons, jederzeit für die Ausstattung der sich in der Krise befindlichen Gesellschaft, des sog. Protegés, mit den zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten erforderlichen Mitteln zu sorgen. Insoweit ähnelt die harte Patronatserklärung sehr stark einer Garantie.

 

Vermeidung einer Überschuldung?

 

Wenn der Liquiditätsausstattungsanspruch des Protegés werthaltig ist und man bei der Mittelgewährung von einer Einlage des (Gesellschafter-)Patrons ausgehen kann, kann das Patronat sowohl eine Zahlungsunfähigkeit als auch eine Überschuldung des Protegés vermeiden. Bei der Prüfung der Überschuldung hat der Ausstattungsanspruch Auswirkungen auf die Fortführungsprognose gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 2 InsO. Der Ausstattungsanspruch führt zu einem überwiegend wahrscheinlichen Zahlungsmittelzufluss für den Protegé und ist deshalb bei dessen Finanzplanung mit zu berücksichtigen. Zudem wirkt sich der Ausstattungsanspruch auf den Überschuldungsstatus gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1, Halbsatz 1 InsO aus, da er in der Überschuldungsbilanz des Protegés aktiviert werden kann.

 

Beliebt und gefährlich?

 

Die Beliebtheit der harten Patronatserklärung beruht vor allem darauf, dass sie für den Patron zum Zeitpunkt der Abgabe zunächst mit keinem Mittelabfluss verbunden ist, sie ihm die Wahl über die Art und Weise der (späteren) Mittelgewährung belässt und keine besonderen Formerfordernisse für sie bestehen. Folgerichtig ist die Hemmschwelle häufig gering, ein Patronat abzugeben, um den Protegé zu stützen und dessen Solvenz und Kreditfähigkeit zu erhalten. Das ist für den Patron jedoch eine große Gefahr!

 

In der Praxis werden sehr häufig Patronatserklärungen verwendet, die eine unbedingte, unbefristete und unbegrenzte Ausstattungspflicht des Patrons gegenüber dem Protegé begründen. Dies hat zur Folge, dass der Patron sich von der einmal übernommenen Ausstattungsverpflichtung und den damit verbundenen Haftungsrisiken nicht ohne weiteres einseitig lösen kann. Selbst der zunächst willige Geschäftsführer oder Vorstand des Protegés wird rechtlich beraten die Frage stellen, warum er eigentlich ohne Gegenleistung die von ihm vertretene Gesellschaft dazu veranlassen soll, dem Wunsch des Patrons auf Aufhebung des Patronats zuzustimmen. Und tatsächlich, eine solche Zustimmung wird nicht selten als Pflichtverstoß zu werten sein.

 

Gefahrvermeidungsstrategien?

 

Um diese für den Patron sehr missliche Situation zu vermeiden, die für ihn nicht selten zu einer ernsthaften finanziellen Belastung werden kann, sollte der Patron neben einer Höchstgrenze auch eine zeitliche Befristung oder eine Kündbarkeit des Patronats vereinbaren. Möglich ist auch, die Ausstattungsverpflichtung von bestimmten Bedingungen abhängig zu machen. Wenn diese Einschränkungen präzise und hinreichend mit Blick auf die Prüfkonzeption der Insolvenzgründe der Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ausgestaltet sind, ändern sie nichts an der Tauglichkeit des Patronats zur Insolvenzvermeidung.

 

Befristung des Patronats

 

Mit einer Befristung kann die Ausstattungsverpflichtung

 

  • bis zu einem bestimmten Datum beschränkt werden (Zeitbefristung) oder

 

  • auf einen zeitlich begrenzten Zweck (z.B. Insolvenzvermeidung während der Sanierungsprüfung) eingeschränkt werden (Zweckbefristung) oder

 

  • mit einer auflösenden Bedingung verknüpft werden, wonach das Patronat mit dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses, wie z.B. dem Scheitern der Sanierungsbemühungen, seine Wirkung verliert.

 

Die Befristung bedeutet jedoch nicht, dass der Patron seiner Ausstattungspflicht nur während des Geltungszeitraums der Patronatserklärung zu genügen hat. Vielmehr hat er für sämtliche während der Laufzeit der Patronatserklärung entstandene Verbindlichkeiten, bis zur Grenze der Verjährung, auch nachträglich aufzukommen (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Januar 2017, Az.: IX ZR 95/16).

 

Kündigungsrecht des Patrons

 

In der Patronatserklärung kann auch ein Kündigungsrecht des Patrons vereinbart werden, das diesen berechtigt, die Patronatserklärung unter Einhaltung einer bestimmten Kündigungsfrist mit Wirkung für die Zukunft zu kündigen.

 

Wie auch bei befristeten Patronatserklärungen hat der Patron für die bis zum Wirksamwerden der Kündigung begründeten Verbindlichkeiten des Patrons weiter einzustehen und wird nur im Hinblick auf künftige Verbindlichkeiten von der Haftung befreit (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010, Az.: II ZR 296/08).

 

Die Kündbarkeit des Patronats kann sich auch konkludent aus einer bestimmten Zwecksetzung der Patronatserklärung ergeben. Wird etwa ein Patronat zur Insolvenzvermeidung für die Dauer der Sanierungsbemühung vereinbart und fällt diese Prüfung negativ aus, kann hieraus ein Kündigungsrecht des Patrons folgen (vgl. BGH, Urteil vom 20. September 2010, Az.: II ZR 296/08).

 

Ist in der Patronatserklärung kein Kündigungsrecht – auch nicht konkludent – vereinbart, ist davon auszugehen, dass das durch die Patronatserklärung begründete Dauerschuldverhältnis mit der begünstigten Gesellschaft oder direkt mit deren Gläubigern nach § 314 BGB kündbar ist, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund kann z.B. die unerwartete Verschlechterung der finanziellen Situation des Protegés sein. Eine (gravierende) Vermögensverschlechterung des Protegés in einem vorhersehbaren  Rahmen fällt hingegen in das vertraglich übernommene Risiko des Patrons und gibt ihm keinen wichtigen Kündigungsgrund. Ein außerordentlicher Kündigungsgrund kann z.B. auch darin liegen, dass der Patron seine Gesellschafter- oder Geschäftsführerstellung bei dem Protegé aufgibt. Mit der Aufgabe dieser Einflussmöglichkeiten erwächst dem Patron das Risiko unkontrollierbarer Fremddisposition.

 

Auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes kann der Patron analog § 488 Abs. 3 BGB und in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Rechtsstellung des Bürgen berechtigt sein, den Patronatsvertrag ordentlich zu kündigen. Dieses Recht besteht jedoch erst nach Ablauf einer bestimmten Wartezeit von mindestens einem Jahr und unter Einhaltung einer hinreichenden Kündigungsfrist, deren Dauer sich nach den Regeln des Bürgschaftsrechts bemisst.

 

Patronat unter Bedingung

 

Die Einstandspflicht des Patrons kann in der Patronatserklärung auch von aufschiebenden Bedingungen abhängig gemacht werden, so dass der Patron nur im Falle des Bedingungseintritts tatsächlich haftet.

 

Praxistipp

 

Ein Patronat sollte nie unüberlegt und ohne ausreichende Berücksichtigung auch der Interessen des Patrons vereinbart werden. Andernfalls besteht die Gefahr, dass ein einmal gegebenes Patronat zur zeitlich unbegrenzten finanziellen Belastung des Patrons führt.

 

Wenn im Patronat eine Befristung, Bedingung oder Kündbarkeit vorgesehen ist, muss der Protegé die tatsächlichen Verhältnisse laufend prüfen, um sicher zu stellen, dass das Patronat weiter werthaltig ist. Ist ein zeitlich begrenzter Zweck erfüllt, die Kündbarkeit des Patronats durch den Patron überwiegend wahrscheinlich oder steht fest, dass eine Bedingung für die Einstandspflicht des Patrons nicht mehr eintreten kann, muss der Protegé eine Insolvenzprüfung ohne Berücksichtigung des Patronats vornehmen.


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