WISSENSWERTES | 17.05.2019

Gesetzgebung: Anzeigepflicht grenzüberschreitender und inländischer Steuergestaltungen

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Auf der Grundlage der EU-Richtlinie 2018/822 vom 25. Mai 2018 hat das Bundesfinanzministerium Ende Januar 2019 den Referentenentwurf des Gesetzes zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung von Steuergestaltungen vorgelegt. Mit diesem Gesetzesvorhaben werden international vereinbarte Regelungen zur Meldepflicht für grenzüberschreitende Steuergestaltungen in nationales Recht umgesetzt. Die Anzeigepflicht soll ab dem 1. Juli 2020 gelten.
 

Hintergrund der geplanten Anzeigepflicht

Multinationale Konzerne, zunehmend aber auch mittelständische Unternehmen und Privatpersonen nutzen seit Jahrzehnten legale Möglichkeiten, um Steuerbelastungen zu vermeiden oder deutlich zu reduzieren. Nicht selten werden dabei Regelungslücken in der nationalen Steuergesetzgebung bzw. in Doppelbesteuerungsabkommen genutzt. Als Beispiel dafür seien die „Goldfinger-Fälle“ genannt. Diese führten in Deutschland zu erheblichen Steuerausfällen. Üblicherweise reagiert der Gesetzgeber erst Jahre nach Bekanntwerden solcher Steuergestaltungen mit Gesetzesverschärfungen. Mit der nun geplanten Anzeigepflicht sollen den deutschen Finanzbehörden künftig schon frühzeitig legale Steuergestaltungen bekannt werden, um „Gesetzeslücken“ zeitnah zu schließen.
 

Mitteilungspflichtige grenzüberschreitende Steuergestaltungen

Grenzüberschreitende Steuergestaltungen sind den deutschen Finanzbehörden dann mitzuteilen, wenn diese bestimmte Kennzeichen erfüllen. Teilweise ist die Meldepflicht noch an das Kriterium „Erlangung eines steuerlichen Vorteils steht im Vordergrund“ gekoppelt.
 
Nach dem neuen § 138e AO-E sind insbesondere folgende grenzüberschreitende Steuergestaltungen mitteilungspflichtig:
 
– Vereinbarung von Vertraulichkeitsvereinbarungen oder erfolgsabhängigen Vergütungen zwischen Intermediär und Nutzer,
– Standardisierte (modellhafte) Steuergestaltungen für die vielfache Verwendung,
– Gestaltungen zur Verlustnutzung oder Umwandlung von Einkünften in nicht bzw. niedrig besteuerte Einnahmen,
– Zirkuläre Transaktionen bzw. Transaktionen über Zwischengesellschaften,
– Ausnutzung von „Steueroasen“ und niedrig besteuerten Ländern,
– Grenzüberschreitende Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen in Gebiete mit Steuerbefreiungen bzw. steuerlichen Präferenzregelungen oder in Länder der „Schwarzen Liste“ der EU,
– Nutzung von Briefkastenstrukturen,
– Grenzüberschreitende Vermögensübertragungen mit unterschiedlichen Bewertungen,
– Spezifische Verrechnungspreisgestaltungen und Funktionsverlagerungen.
 
Steuergestaltungen auf dem Gebiet der Umsatzsteuer werden von der geplanten Mitteilungspflicht nicht erfasst.
 

Ausweitung der Anzeigepflicht auf innerstaatliche Steuergestaltungen

Die zugrundeliegende EU-Richtlinie beinhaltet lediglich eine Verpflichtung zur Umsetzung der Anzeigepflicht für grenzüberschreibende Steuergestaltungen in nationales Recht. Darüber hinausgehend sieht der Gesetzentwurf eine ergänzende Anzeigepflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen vor. Erfasst werden hierbei auch Steuergestaltungen auf dem Gebiet der Grunderwerbsteuer.
 

Kreis der Anzeigepflichtigen

Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf ist der sogenannte Intermediär innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt eines mitteilungspflichtigen Ereignisses zur Mitteilung der grenzüberschreitenden Steuergestaltung verpflichtet. Intermediär ist derjenige, der für Dritte grenzüberschreitende Steuergestaltungen konzipiert, organisiert, vermarktet, zur Nutzung bereitstellt oder ihre Umsetzung durch Dritte verwaltet.
 
Neben Steuerberatern, Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Finanzdienstleistern können auch Steuer- und Finanzabteilungen von Konzernen diese Voraussetzungen erfüllen. Im Einzelfall sind darüber hinaus die Nutzer der grenzüberschreitenden Steuergestaltung zur Anzeige gegenüber den Finanzbehörden verpflichtet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Intermediär berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflichten unterliegt (z. B. Steuerberater, Rechtsanwälte) und der Nutzer den Intermediär nicht von dieser Verschwiegenheitsverpflichtung befreit. Auch in Fällen, in denen der Intermediär nicht in Deutschland ansässig ist, und in Fällen der Nutzung derselben Gestaltung durch mehrere Nutzer kann sich eine Anzeigepflicht für die Nutzer ergeben.
 

Drohende Bußgelder bei Verstoß gegen die Anzeigepflicht

Verstöße gegen die Anzeigepflicht sollen mit Bußgeldern geahndet werden. Diese betragen bis zu 25.000 EUR. Adressaten dieser Sanktionen sind die Intermediäre und die Nutzer der Steuergestaltungen.
 

Fazit

Mit dem Gesetzesvorhaben entstehen neue Anzeigepflichten für Berater und Unternehmen. Deren Nichteinhaltung ist bußgeldbewehrt.
 
Da neben Steuerberatern, Wirtschaftsprüfern und Finanzdienstleistern auch Steuerabteilungen von Konzernen anzeigepflichtig sein können, müssen international tätige Unternehmen künftige Umstrukturierungen und Steuergestaltungen überprüfen. Insoweit entstehen zusätzliche Anforderungen an das Tax-Compliance-System der Unternehmen.
 
Sollte – trotz Kritik am gegenwärtigen Gesetzentwurf – eine Anzeigepflicht wie vorgesehen auch für innerstaatliche Steuergestaltungen entstehen, ist abzuwarten, wie Finanzverwaltung und Rechtsprechung die Grenze zwischen anzeigefreien und anzeigepflichtigen zulässigen Steuergestaltungen ziehen werden. Hier sei z. B. auf die komplexen Fragestellungen zur Verlustnutzung im Rahmen von Mantelkäufen / Umstrukturierungen (§§ 8c, 8d KStG) hingewiesen.


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