WISSENSWERTES | 17.10.2024

Entgelttransparenzgesetz und neue EU-Richtlinie – Verschärfungen drohen

 

Bereits im Jahr 2017 ist in Deutschland das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) in Kraft getreten, dass sich zum Ziel gesetzt hat, das gleiche Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen.

 

Zu diesem Zweck regelt das EntgTranspG in §§ 3, 7, dass für gleiche oder gleichwertige Arbeit nicht wegen des Geschlechts ein geringeres Gehalt vereinbart oder gezahlt werden darf, als für Beschäftigte des anderen Geschlechts. Ferner haben Arbeitnehmer in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Arbeitnehmern einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber. So können sie erfahren, wie Arbeitnehmer des anderen Geschlechts, die eine gleiche oder gleichwertige Tätigkeit ausüben, vergütet werden. Der/die Arbeitnehmer/in kann die Auskunft zum durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelt sowie zu zwei weiteren Entgeltbestandteilen verlangen.

 

Der Arbeitgeber hat dann Auskunft zu dem „Vergleichsentgelt“ zu erteilen. Das bezieht sich allerdings nicht auf den Durchschnitt des Gehalts der Arbeitnehmer des anderen Geschlechts, sondern auf den auf Vollzeitäquivalente hochgerechneten statistischen Median des durchschnittlichen monatlichen Bruttoentgelts sowie der benannten Entgeltbestandteile.

 

Bisherige Urteile zum EntgTranspG

 

Soweit ersichtlich sind bisher zwei Urteile mit Bezug auf das EntgTranspG ergangen.

 

Mit Urteil vom 16. Februar 2023 (Az. 8 AZR 450/21) hatte das Bundesarbeitsgericht (BAG) über die Klage einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die ein geringeres Gehalt erhielt als ein Kollege mit gleicher Tätigkeit.

 

Das BAG gab der Klage auf Zahlung der Differenz zu dem Gehalt des männlichen Kollegen unter Verweis auf §§ 3,7 EntgTranspG statt. Die ungleiche Bezahlung indiziere eine Ungleichbehandlung wegen des Geschlechts, der Arbeitgeber könne sich auch nicht darauf berufen, dass der männliche Kollege sein Gehalt besser verhandelt habe.

 

Mit aktuellem, noch nicht im Volltext vorliegenden Urteil vom 1. Oktober 2024 (Az. 2 Sa 14/24) hat das LAG Baden-Württemberg der Klage einer Arbeitnehmerin stattgegeben, deren Entgelt unterhalb des Medianentgelts der weiblichen als auch unterhalb des Medianentgelts der männlichen Vergleichsgruppe gleicher Führungsebene lag. Sie begehrte die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Entgelt eines von ihr namentlich benannten männlichen Vergleichskollegen bzw. des weltweit bestbezahlten Kollegen der dritten Führungsebene, insgesamt ca. EUR 450.000, hilfsweise die Differenz ihrer individuellen Vergütung zum Medianentgelt der männlichen Vergleichsgruppe. Das LAG gab der Klage in Höhe der Differenz des männlichen zu dem weiblichen Mediangehalt statt, in Summe ca. EUR 130.000. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf eine Anpassung ihres Gehalts auf das Gehalt des bestbezahlten vergleichbaren Kollegen, sondern nur auf das Durchschnittsgehalt. Diese Ungleichbehandlung sei zu korrigieren.

 

Neue Entgelttransparenz-Richtlinie

 

Am 7. Juni 2023 ist die neue Entgelttransparenz-Richtlinie der EU (Richtlinie 2023/970) in Kraft getreten. Ihre Regelungen gelten jedoch nicht direkt, sondern sind von den Mitgliedstaaten bis zum 7. Juni 2026 in nationales Recht umzusetzen. Die EU-Richtlinie sieht im Vergleich zu den bisherigen Regelungen des EntgTranspG einige Verschärfungen vor.

 

Arbeitgeber werden künftig auch schon Bewerbern Auskunft über das Einstiegsgehalt für die betreffende Stelle oder dessen Spanne und ggf. die einschlägigen Bestimmungen des Tarifvertrags, den der Arbeitgeber auf die Stelle anwendet, erteilen müssen. Die Information muss so frühzeitig erfolgen, dass der Bewerber in die Lage versetzt wird, fundierte und transparente Gehaltsverhandlungen im Vorfeld der Arbeitsvertragsunterzeichnung zu führen (z.B. in der Ausschreibung, vor dem Vorstellungsgespräch oder auf andere Weise).

 

Diese Pflicht gilt für alle Arbeitgeber, unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten.

 

Ferner haben Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern künftig unaufgefordert Auskunft über die Kriterien für die Festlegung ihres Entgelts, der Entgelthöhen und der Entgeltentwicklung zu erteilen. Die Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.

 

Diese Pflicht stellt eine erhebliche Verschärfung der bisherigen Rechtslage dar, denn bisher ist die Auskunft nur auf Anfrage zu erteilen und auf Betriebe mit mindestens 200 Arbeitnehmern begrenzt. Die künftige Pflicht gilt für Arbeitgeber unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten. Die Mitgliedstaaten können Betriebe mit bis zu 50 Arbeitnehmern aus der Pflicht nehmen. Ob der deutsche Gesetzgeber das nutzen wird, ist aber fraglich.

 

Der Auskunftsanspruch soll dahingehend geändert werden, dass Arbeitgeber künftig die durchschnittliche Entgelthöhe, nicht den statistischen Median des Vergleichsentgelts angeben müssen. Zudem müssen alle Arbeitnehmer einmal pro Jahr auf ihren Auskunftsanspruch hingewiesen werden. Auch der Auskunftsanspruch soll künftig für alle Arbeitgeber unabhängig von ihrer Beschäftigtenanzahl gelten.

 

Verschärfungen sieht die Richtlinie zudem im Hinblick auf die Berichtspflichten und etwaige Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche von Arbeitnehmern vor.

 

Praxistipp

 

Auch wenn noch etwas Zeit bis zur Umsetzung der Richtlinie verbleibt und der deutsche Gesetzgeber diese sicher auch erst 2026 umsetzen wird, sollten Arbeitgeber sich schon jetzt auf die kommenden Regelungen einstellen, ihre Entgeltsysteme auf geschlechtsdifferenzierende Kriterien und Regelungen überprüfen und ggf. rechtzeitig anpassen.


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