WISSENSWERTES | 24.06.2025

„Earn-out“-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen – Unterschätztes Konfliktpotenzial eines häufig genutzten Gestaltungsmittels

 

In einer Vielzahl von Unternehmenskaufverträgen vereinbaren die Parteien sog. „Earn-out“-Klauseln, mit denen der Kaufpreis regelmäßig in einen festen und einen variablen – von dem Erreichen bestimmter wirtschaftlicher Zielvorstellungen abhängigen – Bestandteil aufgeteilt wird.

 

Diese Gestaltungsvariante mag auf den ersten Blick als probates Mittel erscheinen, um die unterschiedlichen Preisvorstellungen von Käufer und Verkäufer in Ausgleich zu bringen. Oft haben die Parteien allerdings nicht im Blick, dass solche Klauseln später häufig zu massiven Streitigkeiten führen können, denen bereits im Rahmen der Vertragsgestaltung begegnet werden sollte.

 

Motive für die Vereinbarung von „Earn-out“-Klauseln

 

Im Rahmen von Unternehmenstransaktionen stellt die Kaufpreisfindung oft den Schwerpunkt der Verhandlungen dar. Der „Wert“ eines Unternehmens bestimmt sich wesentlich nach dem Potenzial, in der Zukunft Erträge zu erzielen und wirtschaftlich erfolgreich zu sein.

 

In die Preisverhandlung gehen Käufer und Verkäufer naturgemäß mit unter­schiedlichen Vorstellungen. Der Verkäufer möchte einen möglichst hohen sofort zahlbaren Kaufpreis erzielen, der Käufer möglichst wenig für das Unternehmen bezahlen und den Kaufpreis zumindest teilweise aus den Gewinnen der Zukunft finanzieren. Hinzu kommen unterschiedliche Vorstellungen über den zukünftigen wirtschaftlichen Erfolg, den der Verkäufer regelmäßig höher einschätzen wird als der eher skeptische Käufer.

 

Die Vereinbarung einer „Earn-out“-Klausel scheint die passende Lösung zu sein, um diese unterschiedlichen Interessen und Vorstellungen auszugleichen und die Trans­aktion vor einem Scheitern zu bewahren. Die Parteien vereinbaren dabei einen festen Kaufpreisteil, der bei Vollzug des Unternehmenskaufvertrages gezahlt wird. Ein weiterer Kaufpreisteil wird vom Käufer nur dann gezahlt, wenn sich innerhalb eines bestimmten Zeitraums herausstellt, dass die Erwartungen des Verkäufers im Hinblick auf den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zutreffend waren. Um dies festzustellen, definieren die Parteien im Unternehmenskaufvertrag bestimmte wirtschaftliche Zielgrößen in Bezug auf den Unternehmensumsatz oder -gewinn, bei letzterem regelmäßig anhand des EBIT oder EBITDA zu bestimmen.

 

Häufige Konfliktpunkte im Zusammenhang mit „Earn-out“-Klauseln

 

Bereits bei der Vereinbarung von „Earn-out“-Klauseln bestehen unterschiedliche Interessen. Der Verkäufer wird Wert darauf legen, möglichst viel zu definieren, um die Spielräume für den Käufer einzuschränken und so das Erreichen der „Earn-out“-Ziele berechenbar zu machen. Der Käufer will sich in seinen unternehmerischen Freiheiten hingegen nicht einschränken lassen, das Unternehmen gehört nun ihm und er hat einen aus seiner Sicht ausreichenden Festkaufpreis bezahlt.

 

Nach dem Vollzug des Unternehmenskaufvertrages entsteht ein weiterer Interessengegensatz zwischen Käufer und Verkäufer, der die Durchsetzung von „Earn-out“-Klauseln streitanfällig macht.

 

Der Verkäufer ist daran interessiert, dass das verkaufte Unternehmen die ver­einbarten wirtschaftlichen Zielgrößen möglichst schnell erreicht. Der Käufer wird hingegen kein besonderes Interesse daran haben, den weiteren Kaufpreisteil an den Verkäufer zu zahlen und wird im Hinblick auf den wirtschaftlichen Erfolg vorrangig langfristige Ziele verfolgen.

 

Zusätzlich liegt die operative Führung oder der maßgebliche Einfluss hierauf nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrages in der Hand des Käufers. Um längerfristige Ziele zu erreichen, kann er ein Interesse daran haben, die operative Führung des Unternehmens so zu steuern, dass sich dies negativ auf das Erreichen des „Earn-outs“ auswirkt. Mit dieser Verschiebung der Einflussmöglichkeiten nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrages geht auch immer ein Informationsgefälle im Verhält­nis zwischen Verkäufer und Käufer einher.

 

Ferner kann es nach Vollzug des Kaufvertrages aufgrund des Eintritts von Garantie­verletzungen des Verkäufers durch den Käufer dazu kommen, dass ein Zerwürfnis zwischen den Kaufvertragsparteien entsteht, was die Feststellung und Durchsetzung von „Earn-out“-Ansprüchen erheblich erschwert.

 

Diese Faktoren können dann zu Streitigkeiten darüber führen, ob die mit den „Earn-out“-Klauseln vereinbarten wirtschaftlichen Zielgrößen erreicht worden sind oder nicht. Hierbei mag man auf die Idee kommen, dass sie im Unternehmenskauf­vertrag nur klar genug definiert werden müssten und für den Fall, dass sich Käufer und Verkäufer über ihr Erreichen nicht einigen können, die Feststellung durch einen Wirtschaftsprüfer als Schiedsgutachter vorgesehen werden muss, womit sich dann alle Streitigkeiten erübrigen werden.

 

Allerdings kann auch mit derart ausgestalteten „Earn-out“-Regelungen das Ziel der Konfliktvermeidung häufig nicht erreicht werden. Die – zumeist vor Schieds­gerichten ausgetragenen – Streitigkeiten über die Durchsetzung von „Earn-out“-Ansprüchen werden dann darüber geführt, ob die richtige Bilanzierung vorgenommen worden ist oder ob der Schiedsgutachter bei der Einschätzung von gegebenen Bewertungsspielräumen seine Entscheidungskompetenz nicht überschritten hat. Häufig bestehen unterschiedliche Ansichten darüber, ob es sich bei den Bilanzierungsfragen, mit denen sich der Schiedsgutachter auseinander­zusetzen hat, tatsächlich um Bilanzfragen oder nicht doch um Rechtsfragen handelt, die gerade nicht der Schiedsgutachter, sondern ein (Schieds-)Gericht entscheiden soll. Die Trennlinien zwischen Bilanzfragen und Rechtsfragen sind wegen der Verortung in den §§ 266 ff. HGB oft nicht klar zu ziehen. Dann muss anhand der Auslegung ermittelt werden, ob die Parteien die Entscheidung dem Schieds­gutachter oder dem (Schieds-)Gericht übertragen wollten, was die Streitigkeit weiter verschärft.

 

Streiten die Parteien nicht darüber, „ob“ die wirtschaftlichen Zielgrößen des „Earn-outs“ erreicht worden sind, sondern steht für beide Seiten fest, dass es nicht dazu gekommen ist, wird der Verkäufer schnell den Vorwurf erheben, dass der Käufer das Nichterreichen dieser Zielvorgaben zu verantworten hat.

 

Klassische Argumentationslinien beinhalten den Vorwurf schlechter Unter­nehmensführung und versuchen hierüber Schadensersatzansprüche für den Verkäufer herzuleiten. Da der Käufer grundsätzlich nicht verpflichtet ist, seine eigenen Interessen am Erreichen mittel- oder langfristiger wirtschaftlicher Ziele des Unternehmens dem Interesse des Verkäufers am Erreichen der wirtschaftlichen Zielvorstellungen des „Earn-outs“ unterzuordnen, stellt dies die anwaltlichen Berater des Verkäufers bei der Durchsetzung von „Earn-out“-Ansprüchen vor erhebliche Herausforderungen bei der Begründung. Und auch ein Schiedsgutachter kann nicht immer beurteilen, ob eine bestimmte unternehmerische Maßnahme des Käufers, die sich nachteilig auf den „Earn-out“ ausgewirkt hat, sachlich gerechtfertigt war.

 

Gestaltungsmöglichkeiten zur Konfliktvermeidung

 

Um die späteren Konflikte möglichst zu vermeiden, bieten sich im Rahmen der Gestaltung des Unternehmenskaufvertrages insbesondere die Regelung von Auskunftsansprüchen des Verkäufers und die Regelung von bestimmten Pflichten des Käufers im Rahmen der Unternehmensführung für die Dauer der „Earn-out“-Periode (sog. Covenants) sowie hierauf abgestimmter Strafklauseln an.

 

Durch die Auskunftsansprüche des Verkäufers kann dem nach Vollzug des Unternehmenskaufvertrages entstehenden Informationsgefälle zwischen Käufer und Verkäufer begegnet werden. Mit Covenants kann der Käufer dazu verpflichtet werden, im Rahmen der Unternehmensführung bestimmte Maßnahmen zu unterlassen, die das Erreichen des „Earn-outs“ gefährden könnten. Dies schafft für den Verkäufer zusätzliche Sicherheit.

 

Darüber hinaus sollte bestenfalls geregelt werden, dass das Erreichen der für den „Earn-out“ relevanten wirtschaftlichen Zielgrößen unmittelbar von einem neutralen Wirtschaftsprüfer überwacht und verbindlich festgestellt wird und nicht erst in dem Fall, dass sich die Parteien hierüber nicht einigen können, ein Schiedsgutachter eingeschaltet wird.

 

Praxistipps

 

Wenn sich ein Verkäufer dafür entscheidet, einer „Earn-out“-Klausel zuzustimmen, dann sollte er die folgenden Thesen beherzigen:

 

1. Der Verkäufer ist nicht die Bank des Käufers. Der „Earn-out“ sollte daher nur das Sahnehäubchen sein, nicht ein großer Teil der Kaufpreiserwartung des Verkäufers. Der „Earn-out“-Zeitraum sollte zudem nur wenige Jahre umfassen, ein bis maximal drei Jahre.
2. Die Earn-out Ziele müssen klar definiert werden. Jede Kennzahl ist gestaltbar. Selbst häufig verwendete Begriffe wie Umsatz, EBITDA, EBIT oder Cashflow lassen Gestaltungsspielräume und sind nur in Teilen im Gesetz definiert. Nur ausführliche vertragliche Regelungen können der Gestaltungsmacht des Käufers Einhalt gebieten.
3. Kontrolle ist besser als Nachsicht. Überlässt der Verkäufer dem Käufer das Unternehmen ohne jede begleitende Kontrolle (z.B. Vetorechte, Transparenzregeln, Businessmitwirkung, Zurückbehalt einer Minderheitsbeteiligung mit Sonder­rechten), kann ein böses Erwachen drohen, wenn der Käufer die „Earn-out“-Abrechnung vorlegt.
4. Ein Earn-out ist kein Escrow. Es kommt nicht selten vor, dass Käufer den „Earn-out“ als eine Art Sicherheitsleistung für mögliche Gewährleistungs- oder Garantie­ansprüche aus dem Unternehmenskaufvertrag begreifen. Diese werden behauptet und zur Aufrechnung gestellt. Ein allumfassendes Aufrechnungsverbot sollte aus Verkäufersicht daher nie fehlen.
5. Ein „Earn-out“ darf nicht an der Bonität des Käufers scheitern. Der Verkäufer sollte auf Regelungen drängen, die aus dem „Earn-out“ mehr als nur eine gänzlich ungesicherte Erwartung machen. Nicht nur der bei Vollzug zu zahlende Festkaufpreis ist wichtig.
6. Sanktionen für bestimmte Verhaltensweisen des Käufers. Verlagert der Käufer seinen Sitz ins Ausland, spaltet er das Unternehmen, legt er es mit einem verlust­reichen Geschäft zusammen, hält der Käufer dem Unternehmen die für das Geschäft notwendige Finanzierung vor, stellt er wesentliche Teile des Geschäfts ein oder trennt sich von wesentlichen Teilen der Belegschaft, unterlässt der Käufer das mit dem Verkäufer vereinbarte monatliche Reporting oder ist dieses grob falsch oder lückenhaft, ist all dies und mehr in den Blick zu nehmen und zu regeln, dass dann z.B. der „Earn-out“ zu 100% als verdient gilt und zu sofortigen Zahlung fällig ist.
7. Nie ohne Steuerberatung. „Earn-out“-Klauseln sind für den Verkäufer steuerlich nicht selten problematisch. Sie können schädlich für steuerliche Vergünstigen bei Unternehmensverkäufen sein, oder im schlimmsten Fall dazu führen, dass 100% des „Earn-out“ zu versteuern ist, obwohl der Verkäufer noch gar nicht sicher ist, ob er diesen jemals bekommt. Die finanzgerichtliche Rechtsprechung entscheidet nahezu laufend über „Earn-out“-Klauseln und diese Rechtsprechung ist bei der Gestaltung zu beachten.

 

Fazit

 

„Earn-out“-Klauseln werden auch in Zukunft ein häufig genutztes Gestaltungsmittel sein, um Unternehmenstransaktionen vor dem Scheitern zu bewahren.

 

Bereits bei Begleitung der Transaktion müssen die Berater die bei der Durchsetzung zu erwartenden Probleme in den Blick nehmen und durch eine adäquate Vertragsgestaltung nach Möglichkeit bereits in diesem Stadium beseitigen. Kommt es zum Streit bei der Durchsetzung von „Earn-out“-Ansprüchen, sind eine fundierte Argumentation und ein tiefgreifendes Verständnis der rechtlichen Einordnung dieser gängigen Regelungen gefragt, um effektiv zu agieren.

 

Wir begleiten regelmäßig Unternehmenstransaktionen sowohl auf Verkäufer- als auch auf Käuferseite. Darüber hinaus übernehmen wir laufend die Vertretung bei der Durchsetzung und Abwehr von Ansprüchen aus Unternehmenskaufverträgen.


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