WISSENSWERTES | 06.02.2025

E-Mail-Adressen der Mitarbeiter – Keine Pflicht des Arbeitgebers zur Herausgabe an Gewerkschaften

 

Grundsätzlich haben Gewerkschaften ein Zutrittsrecht zum Betrieb, um Mitglieder zu werben und Informationsmaterial zu verteilen. Dieses Recht wird von der Recht­sprechung aus der grundrechtlich garantierten Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitet.

 

Die Arbeitswelt wird jedoch zunehmend digitaler. Immer mehr Mitarbeiter arbeiten im Homeoffice oder mobil und sind daher seltener persönlich an ihrem Arbeits­platz im Betrieb zu erreichen. Das erschwert es den Gewerkschaften, bei solchen Mit­arbeitern für sich zu werben und diese Mitarbeiter für sich zu gewinnen.

 

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat bereits entschieden, dass Gewerkschaften E Mails zu Werbezwecken auch ohne Einwilligung des Arbeitgebers an betriebliche E-Mail-Adressen der Beschäftigten versenden dürfen. Dieses Recht steht den Gewerk­schaften auch dann zu, wenn der Arbeitgeber die private Nutzung der E-Mail-Adressen untersagt hat (BAG, Urteil vom 20. Januar 2009, 1 AZR 515/08).

 

In einem aktuellen Fall hatte sich das BAG daran anknüpfend nun mit der Frage zu befassen, ob eine Gewerkschaft gegen den Arbeitgeber auch einen Anspruch auf Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen der Beschäftigten hat. In einem Rechtsstreit zwischen der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) und dem Sportartikelhersteller Adidas ging es darum, wie Gewerkschaften Arbeit­nehmer erreichen können, die häufig mobil arbeiten und seltener als in der Ver­gangenheit an ihrem Arbeitsplatz im Betrieb anzutreffen sind. Die IG BCE wollte dabei mit ihrer Klage die Herausgabe der dienstlichen E-Mail-Adressen von Be­schäftigten für ihre Mitgliederwerbung und -information erreichen, um bis zu 104 E-Mails im Jahr mit einer Größe von bis zu 5 MB versenden zu können. Weiter ging es um ein digitales Zugangsrecht zu den Beschäftigten über die unternehmens­interne Social-Media-Plattform Viva Engage (vormals Yammer) sowie eine Ver­linkung auf der Intranetseite.

 

Wie schon in den Vorinstanzen hatte die Gewerkschaft auch vor dem BAG keinen Erfolg. Mit Urteil vom 28. Januar 2025 (1 AZR 33/24) entschied das BAG, dass der Arbeitgeber nicht verpflichtet ist, der für ihn tarifzuständigen Gewerkschaft die dienstlichen E-Mail-Adressen seiner – bereits vorhandenen und neu hinzu­kommenden – Arbeitnehmer zum Zweck der Mitgliederwerbung mitzuteilen. Das BAG hatte die Interessen der Gewerkschaften, ebenso aber auch der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Wege praktischer Konkordanz zum Ausgleich zu bringen. Hiervon ausgehend blieb der auf die Übermittlung der betrieblichen E-Mail-Adressen gerichtete Klageantrag erfolglos. Das Abwägungsergebnis führte dazu, dass eine solche Verpflichtung die Betätigungsfreiheit des Unternehmens unverhältnismäßig beeinträchtigen würde. Zwar könnten Gewerkschaften die betrieblichen E-Mail-Adressen auch zu Werbezwecken nutzen. Sie müssen jedoch selbständig diese Daten erlangen, z.B. durch persönliche Ansprachen vor Ort. Dann sei eine Nutzung der dienstlichen E-Mail-Adressen möglich und vom Arbeitgeber zu dulden. Auch die weiteren Anträge auf Zugang zur internen Social-Media-Plattform und Verlinkung im Intranet blieben erfolglos. Dies überstiege die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Interessen der Gewerkschaft.

 

Offen bleibt die Frage, wie die Fälle zu entscheiden sind, in denen im Betrieb ganz überwiegend oder gar vollständig mobil gearbeitet wird und eine persönliche Ansprache daher gar nicht möglich ist. In solchen Fällen könnte das Abwägungsergebnis ggf. anders ausfallen.

 

Arbeitgebern ist zu empfehlen, bei entsprechenden Anfragen von Gewerkschaften nicht nur die Interessen der Beteiligten abzuwägen, sondern auch die Aspekte des Datenschutzes und der IT-Sicherheit zu beachten und sorgfältig zu prüfen, ob etwaige alternative Kontaktmöglichkeiten bestehen.


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