WISSENSWERTES | 24.04.2025

DSGVO-Auskunft im Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht entscheidet zur “Gefühlslage” bei Datenschutzverletzungen

 

Datenauskunft als taktisches Mittel im Arbeitsrecht?

 

In der arbeitsrechtlichen Praxis ist schon länger ein nicht abnehmender Trend zu beobachten: Arbeitnehmer – oder deren Vertreter – machen Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO geltend, oft in engem zeitlichen Zusammenhang mit Kündigungsschutzklagen oder sonstigen Streitigkeiten aus dem Arbeitsverhältnis. Der datenschutzrechtliche Auskunftsanspruch wird dabei nicht nur genutzt, um tatsächliche Transparenz über die Verarbeitung personenbezogener Daten zu erlangen, sondern als strategisches Instrument im Rahmen von Vergleichsverhandlungen oder allgemein als „Hebel“, um zusätzlichen Druck auf den Arbeitgeber auszuüben.

 

Das Argumentationsmuster ist bekannt: Die Auskunft sei unvollständig oder verspätet erfolgt – und daraus wird ein immaterieller Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO abgeleitet. Der angebliche Schaden: Kontrollverlust, Sorgen um Datenmissbrauch, oder – noch etwas diffuser – eine emotional belastende „Ungewissheit“. Dass all dies nicht genügt, hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) (Urteil vom 20. Februar 2025 – 8 AZR 61/24) nun unmissverständlich klargestellt.

 

Hintergrund: Vom Auskunftsanspruch zur Schadensersatzforderung

 

Im konkreten Fall hatte ein ehemaliger Arbeitnehmer bereits im Jahr 2020 eine DSGVO-Auskunft erhalten, später aber – mit Blick auf eine vermeintlich fortbestehende Verarbeitung – erneut eine solche verlangt. Als die weitere Auskunft nur verzögert und seiner Meinung nach unvollständig erfolgte, klagte er auf immateriellen Schadensersatz in Höhe von mindestens EUR 2.000,00. Er berief sich auf eine gefühlte Entfremdung von seinen Daten („Kontrollverlust“) sowie auf eine emotionale Belastung durch die verzögerte Kommunikation.

 

Das Arbeitsgericht Duisburg gab der Klage zunächst statt und verurteilte die Arbeitgeberin zu einer Zahlung von EUR 10.000,00. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf wies die Klage in der Berufung ab. Diese Einschätzung wurde nun vom BAG bestätigt: Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 DSGVO lagen nicht vor.

 

Die Kernaussage des BAG: Kein Schaden, kein Geld

 

Das BAG stellt klar: Ein bloßer Verstoß gegen die Auskunftspflicht nach Art. 15 DSGVO reicht nicht aus, um einen Schadensersatzanspruch zu begründen. Vielmehr müssen – wie in der Rechtsprechung des EuGH und auch des BAG inzwischen etabliert – drei Voraussetzungen kumulativ erfüllt sein:

 

1. ein relevanter Verstoß gegen die DSGVO,
2. ein tatsächlicher Schaden (auch immateriell) sowie
3. ein Kausalzusammenhang zwischen beidem.

 

Entscheidend war im vorliegenden Fall Punkt zwei: Der Kläger konnte keinen konkreten Schaden nachweisen. Weder der zeitlich begrenzte „Kontrollverlust“ über seine Daten noch allgemeine Sorgen oder Unmutsbekundungen („Ich bin genervt“) genügen als Grundlage für einen Ausgleichsanspruch. Das BAG stellt ausdrücklich klar:

 

Gefühle wie Verärgerung oder abstrakte Ängste reichen nicht. Erforderlich ist eine begründete und objektivierbare Befürchtung – etwa eines Datenmissbrauchs.

 

Praxistipps: Was bedeutet das für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?

 

Für Arbeitgeber:

 

• Auskunftsersuchen sollten weiterhin ernst genommen und fristgerecht beantwortet werden.
• Eine verzögerte Auskunft kann zwar datenschutzrechtlich relevant sein, führt aber nicht automatisch zu einer Ersatzpflicht.
• Eine saubere Dokumentation der internen Prozesse hilft, Streitigkeiten von vornherein zu vermeiden.

 

Für Arbeitnehmer und ihre Berater:

 

• Wer einen DSGVO-Verstoß als Hebel nutzen will, sollte realistische Erwartungen haben. Ein Schadensersatzanspruch braucht Substanz – und die liegt nicht in allgemeinen Emotionen.
• Der Auskunftsanspruch bleibt ein wichtiges Instrument, taugt aber nicht zur pauschalen Schadensgenerierung.

 

Fazit: Datenschutz bleibt relevant – aber keine Allzweckwaffe

 

Das Urteil bringt die notwendige Differenzierung in ein zunehmend populäres Spannungsfeld zwischen Datenschutz und Arbeitsrecht. Die DSGVO ist kein Freibrief für Kompensation emotionaler Unzufriedenheit – und schon gar nicht die Allzweckwaffe für finanzielle Ansprüche in arbeitsrechtlichen Konflikten.

 

Das BAG schafft mit seiner Entscheidung Klarheit – und gibt Arbeitgebern wie Arbeitnehmern ein realistisches Verständnis für die Reichweite des Datenschutzrechts mit auf den Weg: Ernst zu nehmen ja – aber mit Augenmaß.


Current articles of Dr. Knut Karnapp

NEWS | 24.04.2025

DSGVO-Auskunft im Arbeitsrecht: Bundesarbeitsgericht entscheidet zur “Gefühlslage” bei Datenschutzverletz...

Datenauskunft als taktisches Mittel im Arbeitsrecht?   In der arbeitsrechtlichen Praxis ist schon länger ein nicht abnehmender Trend zu beobachten: Arbeitnehmer – oder deren Vertreter – machen Auskunftsansprüche nach Art. 15 DSGVO geltend, oft in engem z...

NEWS | 31.03.2025

E-Mail-Sicherheit im Geschäftsverkehr: OLG Schleswig-Holstein konkretisiert Anforderungen der DSGVO

Mit Urteil vom 18. Dezember 2024 (Az. 12 U 9/24) hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht eine überaus praxisrelevante Entscheidung zur datenschutz­rechtlichen Verantwortlichkeit beim Versand von E-Mails im Geschäftsverkehr getroffen. Im Zentrum s...