WISSENSWERTES | 19.05.2025

D&O-Versicherung schützt vor Managerhaftung – ein kardinaler Fehler?

 

Wer als Manager (Geschäftsführer, Vorstand, Prokurist, Aufsichtsrat) bei der Führung eines Unternehmens tagtäglich bedeutsame Entscheidungen trifft, wird mit den Entscheidungen nicht immer richtigliegen. Es ist nur menschlich, dass es hier und da rückblickend besser gewesen wäre, anders zu entscheiden. Ist dies der Fall, kann der Vorwurf im Raum stehen, der Manager habe seine Pflichten verletzt und sei deshalb persönlich haftbar, unbeschränkt mit dem Privatvermögen. So steht es für Geschäftsführer in § 43 Abs. 2 GmbHG und für Vorstände in § 93 Abs. 2 AktG, der über die Verweisung in § 116 AktG auch auf Aufsichtsräte Anwendung findet.

 

Eine solche Haftung kann die wirtschaftliche Existenz bedrohen. Deshalb sind sog. D&O-Versicherungen – Directors-and-Officers-Versicherung, auch als Organ- oder Manager-Haftpflichtversicherung bekannt – in der Praxis beliebt und verbreitet. Kaum ein Geschäftsführer- oder Vorstandsvertrag verzichtet heute noch auf eine entsprechende vertragliche Regelung, die das Unternehmen verpflichtet, eine solche Versicherung zu Gunsten des Managers abzuschließen und aufrecht zu erhalten.

 

Kein Schutz bei Vorsatz

 

Richtig und nachvollziehbar ist, dass ein Manager keinen Versicherungsschutz beanspruchen kann, der den Versicherungsfall und den Schaden vorsätzlich und widerrechtlich herbeigeführt hat. Diesen Ausschlussgrund der Wissentlichkeit regelt § 103 VVG. Vorsatz im Sinne dieser Vorschrift bedeutet das Wissen und Wollen des rechtswidrigen Erfolgs. Der nur bedingte Vorsatz oder die bewusste Fahrlässigkeit sind hingegen nicht ausreichend, um den Schutz der Versicherung entfallen zu lassen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt bei der Versicherung, die sich auf diesen Haftungsausschluss berufen will. So hatte es der Bundesgerichtshof (BGH) schon in seinem Urteil vom 17. Dezember 2014, Az. IV ZR 90/13 entschieden.

 

Manager sind über viele Jahre davon ausgegangen, dass abseits von kriminellem Handlungen (die zudem vorsätzlich hätten begangen werden müssen) der Versicherungsschutz greift und die Sorge um den Erhalt des Privatvermögens der Übernahme einer verantwortlichen Stellung nicht im Wege steht. Damit ließ sich gut arbeiten.

 

Kein Schutz bei evidenten Pflichtverletzungen

 

Wer sich als Manager „blind“ auf dieses Verständnis verlassen hat, der muss sich in der jüngeren Zeit jedoch fragen lassen, ob der BGH mit seiner Entscheidung aus dem Jahr 2014 eine Tür aufgestoßen hat, die für Manager zunehmend zum Problem werden kann. Denn in den damaligen Entscheidungsgründen findet sich der zunächst unscheinbar wirkende Satz, dass die Wissentlichkeit der Pflichtverletzung auch dann angenommen werden kann, wenn es sich bei dem Fehlverhalten des Managers um die „Verletzung elementarer beruflicher Pflichten handelt, deren Kenntnis nach der Lebenserfahrung bei jedem Berufsangehörigen vorausgesetzt werden kann“. Liege eine solche sog. „evidente“ Pflichtverletzung vor, dann reiche bereits der objektive Pflichtverstoß, um davon ausgehen zu können, dass ein vorsätzliches Verhalten vorliege. Ein weiterer Sachvortrag des Versicherers zu Wissen und Wollen ist in diesem Fall entbehrlich. Es ist nun vielmehr Sache des Managers, diese Vermutungswirkung zu entkräften. Das wird sich umso schwieriger gestalten, je länger die streitgegenständliche Angelegenheit zurückliegt. Oft hat der Manager dann gar keinen unmittelbaren Zugriff mehr auf die Unterlagen seiner früheren Tätigkeit.

 

Kein Schutz bei Verletzung von Kardinalpflichten

Trotz der schon damals deutlichen Worte des BGH war der Einwand einer elementaren Pflichtverletzung über viele Jahre eher ein Randthema. Ein Beitrag im „Handelsblatt“ vom 25. Januar 2024 mit dem Titel „Tod der D&O-Versicherung? – Der faktische Verlust des Versicherungsschutzes über den Schluss von der Verletzung einer Kardinalpflicht auf die Wissentlichkeit“ greift allerdings eine Entwicklung auf, die Managern Anlass für eine erhöhte Achtsamkeit und Sorgfalt sein sollte. Denn es geht um die Frage, wann eine elementare Pflichtverletzung vorliegt. Jüngere gerichtliche Entscheidungen prägen den Begriff der Kardinalpflicht – und lassen aufhorchen:

 

Einen Fall, bei dem ein Rechtsanwalt eine Weisung seines Mandanten nicht beachtet hatte, nutzte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in seinem Urteil vom 10. Dezember 2021, Az. 4 U 252/20 , um darauf hinzuweisen, dass der Versicherer die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen (den Vorsatz) der wissentlichen Pflichtverletzung dann nicht nachzuweisen hat, wenn es sich um die Verletzung von beruflichem Primitiv- oder Elementarwissen handelt.

 

Wenig später hat das OLG Frankfurt am Main mit Urteil vom 6. Juli 2022, Az. 7 U 147/20 entschieden, dass ggf. bereits aus dem Fehlen einer nach dem Gesetz erforderlichen Erlaubnis auf eine wissentliche Pflichtverletzung geschlossen werden kann. Das kann zum Leistungsausschluss in der D&O-Versicherung führen, da es sich bei der Erlaubnispflicht um eine berufliche Kardinalpflicht handele. In dieser Entscheidung ging es um einen Anlageberater und dessen Erlaubnispflicht nach § 34f GewO.

 

Erneut war es das OLG Frankfurt am Main, das nun mit Urteil vom 5. März 2025, Az. 7 U 134/23 entschied, dass die normale gesetzliche Insolvenzantragspflicht nach Eintritt der Insolvenzreife eine Kardinalpflicht darstellt, deren Verletzung den Schluss auf das Wissen von der Pflichtverletzung rechtfertigt und somit zur Leistungsfreiheit des D&O-Versicherers führen kann.

 

Deckungsablehnung wegen „Kardinalpflichtverletzung“

 

Die genannten Entscheidungen zeigen nur exemplarisch einen Trend, der Manager in der Zukunft beschäftigen wird. Die „Kardinalpflicht“ ist im Versicherungsrecht oder im Versicherungsvertragsgesetz nicht definiert. Dem allgemeinen Sprachverständnis folgend wird man darunter wesentliche Hauptpflichten verstehen können. Das wäre aber wahrscheinlich zu weitgehend und könnte zu uferlosen Deckungsablehnungen führen.

 

Die aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt am Main aus dem Jahr 2025 zeigt indes, dass die Fokussierung allein auf wesentliche berufsspezifische und berufstypische Pflichten (wie in dem Fall des Rechtsanwalts und des Anlageberaters) in der Zukunft zu eng sein dürfte und die Rechtsprechung daran arbeiten wird, auch den Verstoß gegen elementare, für alle Berufe geltende gesetzliche Pflichten als Kardinalpflichtverletzung zu betrachten. Wenn das geschieht, kann die D&O-Versicherung als Berufshaftpflichtversicherung für Manager ihren bisherigen Wert verlieren.

 

Praxistipp

 

Manager sollten sich nicht länger in Sicherheit wiegen, wenn sie für sich nur ausschließen können, dass sie eine Pflichtverletzung vorsätzlich begangen haben. Der objektive Tatbestand der Pflichtverletzung kann, wenn eine Kardinalpflicht verletzt wurde, ausreichend sein, um den Vorsatz zu vermuten.

 

Jeder Manager ist daher gut beraten, im Falle einer Pflichtverletzung sehr sorgfältig darüber nachzudenken, wie der Sachverhalt dargestellt werden soll. Dies gilt gleichermaßen für Unternehmen und ihre Gesellschafter, die Haftungsansprüche gelten machen wollen und dabei bisher eher unkritisch auf ein Einspringen der D&O-Versicherung setzten.

 

Es könnte sich künftig als fatales Eigentor herausstellen, mit zu markigen Worten ein Fehlverhalten des haftenden Managers zu beschreiben. Die Versicherung könnte sich darüber freuen und einwenden, dass hier doch wohl ganz offensichtlich eine kardinale Pflicht verletzt wurde, was sie leistungsfrei macht.
 
 
 
 


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