WISSENSWERTES | 14.05.2018

Der lange Weg zur Technischen Anleitung (TA) Abstand

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Vor dem Hintergrund der Seveso-III-Richtlinie haben durch das Gesetz mit dem sperrigen Titel „Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2012/18/EU zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen zur Änderung und anschließenden Aufhebung der Richtlinie 96/82/EG des Rates vom 30.11.2016“ (BGBl. 2016, I Nr. 57, S. 2749) einige wesentliche Änderungen sowohl materiell-rechtlicher als auch verfahrensrechtlicher Art Eingang unter anderem in das Bundesimmissionsschutzgesetz (BIm-SchG) gefunden.
 

§§ 3 Abs. 5c, 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BImSchG

So ist beispielsweise, was die materiell-rechtliche Ebene anbelangt, in § 3 BImSchG unter anderem der Begriff des „angemessenen Sicherheitsabstands“ (Abs. 5c) auch für den Bereich des Immissionsschutzrechts eingeführt worden. Die genauen Faktoren, anhand derer der angemessene Sicherheitsabstand bestimmt werden wird, sollen durch die Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrates noch in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift, der „Technischen Anleitung Abstand“ (TA Abstand), festgelegt werden. Dazu enthält § 48 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BImSchG die entsprechende Ermächtigung. Die störfallspezifischen Faktoren sollen dort konkretisiert werden.
 
Bis dahin existieren keinerlei verbindliche Vorgaben zur Bestimmung des angemessenen Sicherheitsabstandes, anhand derer die in § 3 Abs. 5c S. 2 BImSchG erwähnten störfallspezifischen Faktoren zusammengefasst und konkretisiert werden. Daher drängt sich in der Praxis die Frage auf, wie der angemessene Sicherheitsabstand in der Zwischenzeit bestimmt werden kann.
 

Eckpunktepapier des Arbeitskreises TA Abstand des Bundes und der Länder

Am 11. September 2017 legte der Arbeitskreis TA Abstand des Bundes und der Länder mit seinem Entwurf eines Eckpunktepapiers den Grundstein für die avisierte Verwaltungsvorschrift. Als Regelungsinhalt der geplanten TA Abstand sind im Eckpunktepapier folgende Punkte festgehalten:
 
1. Abstandsermittlung (Zuordnung zu Abstandsklassen),
2. Abstandsermittlung (Berechnung),
3. Bewertungskriterien,
4. Mindestabstände,
5. Naturschutz,
6. Begriffe sowie
7. existierende Gutachten.
 
Sodann erfolgen noch einige knapp gehaltene Hinweise zu den Ziffern 1., 2., 4. und 5.
 

Forderungen des BDI

Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) hat dazu am 26. Februar 2018 Stellung genommen. Darin fordert der BDI folgendes:
 
Eine Klarstellung des rechtlichen Inhalts und der Bedeutung des Begriffs „angemessener Sicherheitsabstand“ sollte vor Erlass einer TA Abstand erfolgen, damit ein einheitliches Begriffsverständnis bei Anwendung der TA Abstand gegeben ist. Überdies müsse – als zwingende Voraussetzung der Ausgestaltung einer TA Abstand – ein einheitliches Verständnis darüber geschaffen werden, dass der „angemessene Sicherheitsabstand“ im Rahmen des Zulassungsrechts für Störfallanlagen folgende zwei Funktionen hat: Einerseits eine verfahrensrechtliche (seine Unterschreitung ist Auslöser für Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung) und andererseits stelle der angemessene Sicherheitsabstand eine der möglichen Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen eines „Dennoch-Störfalls“ dar.
 
Schließlich sind folgende Punkte aus Sicht des BDI in einer TA Abstand zu berücksichtigen:

  • Durchführung eines Planspiels,
  • Beschränkung des Anwendungsbereichs auf die Funktion des Sicherheitsabstandes als ein möglicher Auslöser von förmlichen Genehmigungsverfahren,
  • Weiterverwendung bestehender Abstandsgutachten,
  • ausreichend lange Übergangsfrist,
  • Abstandsklassen für standardisierbare Anlagentypen,
  • Einzelfallbetrachtungen weiterhin erforderlich,
  • Bagatellgrenzen einführen (Auflistung unerheblicher Gefahrenpotentiale),
  • Keine uneingeschränkte Verweisung auf die AEGL-Werte,
  • Neues Referenzmodell durch Überarbeitung des KAS-Leitfadens,
  • Keine generelle untere Grenze im Entwurf festgelegt,
  • Regelung bzgl. Messpunkt des Sicherheitsabstands (Messung ab der Grenze des Betriebsbereiches oder ab der Grenze der Anlage) sowie
  • Definition zahlreicher, mit dem angemessenen Sicherheitsabstand in Zusammenhang stehenden Begriffe.
  •  

    Geplanter Verfahrensgang

    Am 10. und 11. Oktober 2017 veranstaltete die Umweltakademie Fresenius in Mainz eine Fachtagung zum Störfallrecht. Sie widmete sich der Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in deutsches Recht, der novellierten Störfallverordnung und weiteren Neuerungen im Bundesimmissionsschutzgesetz. Dazu hatten die Veranstalter erfahrene Referenten aus Wirtschaft, Behörden und Politik gewinnen können: Eine Mitarbeiterin des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) gab in diesem Zusammenhang einen Überblick über den aktuellen Stand des Gesetzesverfahrens: Auf Grundlage des im September 2017 vorgestellten Entwurfs des Eckpunktepapiers des Arbeitskreises des Bundes und der Länder wird dann auch die neue TA Luft entworfen. Die TA Abstand soll Anfang 2019 vom Bundesrat verabschiedet werden.
     

    Fazit

    In Deutschland gibt es zahlreiche Störfallbetriebe. Diese liegen, insbesondere wenn es sich um traditionsreiche Bestandsanlagen handelt, oft genug nicht „auf der grünen Wiese“, sondern sind Bestandteil der städtebaulichen Struktur. Sie befinden sich oftmals mitten im Stadtgebiet, sodass die Seveso-III-bedingten Neuerungen des BImSchG bereits nach sehr kurzer Zeit eine erhebliche Anzahl von Problemen aufwerfen werden. Das gilt besonders für die Bestimmung des angemessenen Sicherheitsabstandes, sodass der baldige Erlass der TA Abstand für die Praxis wünschenswert ist. Ob die Verwaltungsvorschrift tatsächlich Anfang 2019 – wie angekündigt – verabschiedet wird, ist ungewiss.
    Zu der Frage, wie der angemessene Sicherheitsabstand in der Zwischenzeit bestimmt werden kann, aber auch zu anderen immissionsschutzrechtlichen Problematiken beraten wir interessierte Unternehmen gerne vor Ort oder an einem unserer mitteldeutschen Standorte in Dresden, Leipzig und Chemnitz.


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