WISSENSWERTES | 25.03.2020
Corona-Krise: Kurzarbeitergeld und Arbeitszeitguthaben – Was muss eingebracht werden?
In der anhaltenden Corona-Krise stellen eine Vielzahl von Unternehmen Anträge bei der Bundesagentur für Arbeit auf Gewährung von Kurzarbeitergeld (KuG). Dabei tritt immer wieder die Frage auf, inwieweit etwa vorhandene Arbeitszeitguthaben der Arbeitnehmer eingebracht werden müssen.
Voraussetzung für KuG: Nicht vermeidbarer Arbeitsausfall
Auch nach den beschlossenen Erleichterungen (wir berichteten hier) setzt ein Anspruch auf Kurzarbeitergeld voraus, dass im Betrieb ein nicht vermeidbarer Arbeitsausfall vorliegt.
Grundsatz der Notwendigkeit der Einbringung von AZ-Konten
Als vermeidbar gilt ein Arbeitsausfall, der durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann (§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III).
Werden also in einem Unternehmen aufgrund einer tarifvertraglichen Vorschrift, einer Betriebsvereinbarung oder aufgrund individualrechtlicher Vereinbarung Arbeitszeitkonten (AZ-Konten) genutzt, sind diese nach den bisher geltenden Vorschriften auszureizen, d.h. auch in den negativen Bereich, bevor Kurzarbeitergeld in Anspruch genommen werden kann.
Stehen dem Arbeitgeber danach Möglichkeiten zur kurzfristigen Flexibilisierung der Arbeitszeit zur Verfügung, um die Arbeitszeit einer veränderten Produktion oder Auftragslage anzupassen, sind die Voraussetzungen des § 96 Abs. 4 S. 4 SGB III zu prüfen. Die Vorschrift enthält eine Fiktion dahin, dass bei Betrieben, die in einer Vereinbarung 10 % der Jahresarbeitszeit flexibilisiert haben, ein Arbeitsausfall, der diesen Rahmen überschreitet, als nicht vermeidbar gilt. Das Gesetz will damit ausdrücklich Betriebe begünstigen, in denen die Arbeitszeit stark flexibilisiert ist und damit günstige Voraussetzungen zur Verhinderung von Kurzarbeit existieren.
Das bedeutet aber nicht, dass der Arbeitgeber in diesem Fall die AZ-Konten nicht nutzen muss. Im Gegenteil, die Spielräume, die das AZ-Konto bietet, sind auszuschöpfen (einschließlich negativem Bereich), es wird dann aber die Unvermeidbarkeit des Arbeitsausfalls unterstellt.
Allerdings hat der Gesetzgeber in dem Gesetz über den erleichterten Zugang zum KuG vom 14. März 2020 geregelt, dass der Aufbau negativer Zeitsalden künftig (zeitlich befristet) nicht mehr notwendig sein soll. Das Gesetz muss noch durch eine Rechtsverordnung umgesetzt werden, was im April 2020 geschehen soll.
Ausnahmen vom Grundsatz nach § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III
- § 96 Abs. 4 S. 3 SGB III regelt zudem noch weitere Fälle, in denen vom Arbeitnehmer die Auflösung eines Arbeitszeitguthabens nicht verlangt werden kann:
- Nach § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 1 SGB III ist Arbeitszeitguthaben, das vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit bestimmt ist und 50 Stunden nicht übersteigt, nicht einzubringen.
Diese Ausnahmeregelung betrifft Arbeitnehmer des Baugewerbes.
- § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 SGB III regelt, dass Arbeitszeitguthaben (Wertguthaben), welches zur Verwendung im Rahmen des § 7c Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB IV vorgesehen ist, nicht eingebracht werden muss.
Die in § 7c SGB IV vorgegebenen Verwendungszwecke von Wertguthaben betreffen u.a. gesetzlich geregelte bzw. vertraglich vereinbarte vollständige oder teilweise Freistellungen von der Arbeitsleistung (Elternzeit, Pflegezeit, Sabbatical etc.) aber auch für Zeiten vor einer Rente wegen Alters, sowie für solche der Teilnahme an beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen.
- Ferner muss nach § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 3 SGB III Arbeitszeitguthaben, das zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-KuG angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt, nicht eingebracht werden.
Auch diese Vorschrift ist nur für das Baugewerbe (§ 101, § 102) von Bedeutung, denn in diesem sind bis zu 150 Stunden geschützt und müssen nicht vorrangig zur Vermeidung von Kurzarbeit außerhalb der Schlechtwetterzeit eingesetzt werden, wenn es zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Schlechtwetter-KuG angespart worden ist.
- Nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 SGB III ist Arbeitszeitguthaben geschützt, das über 10% der Jahresarbeitszeit angespart worden ist.
Hierzu ein Rechenbeispiel:
Die Jahresarbeitszeit eines Arbeitnehmers beträgt = 2.080 Stunden (52 x 40 Stunden/ Woche).
Das Guthaben auf dem Arbeitszeitkonto beträgt = 250 Stunden.
10% der Jahresarbeitszeit = 208 Stunden.
Das geschützte Arbeitszeitguthaben beträgt = 42 Stunden. Es ergibt sich aus der Differenz des Guthabens und der 10%-igen Jahresarbeitszeit (250-208).
Freilich setzt diese Ausnahme voraus, dass überhaupt ein Arbeitszeitguthaben aufgebaut werden kann, welches 10% der Jahresarbeitszeit übersteigt.
- Schließlich sieht § 96 Abs. 4 S. 3 Nr. 5 SGB III vor, dass ein Arbeitszeitguthaben, das länger als ein Jahr unverändert bestanden hat, nicht eingebracht werden muss.
Diese Vorschrift bedeutet nicht, dass das Guthaben keinen Schwankungen unterworfen sein darf. Der besondere Schutz bezieht sich dann auf den innerhalb eines Jahres vor Beginn der Kurzarbeit erreichten niedrigsten Stand. Wenn das Arbeitszeitguthaben z.B. zwischen 20 und 40 Stunden schwankte, liegt der niedrigste Wert bei 20, der unverändert bestand. Dann sind die 20 Stunden nicht mit einzubringen (siehe hier).
- Treffen auf einen Fall sowohl § 96 Abs. 4 Satz 3 4 als auch Nr. 5 zu, kommt die Regelung zur Anwendung, die sich für den Arbeitnehmer als günstiger erweist.
Auch hierzu ein Rechenbeispiel auf der Basis des obigen Beispiels:
Kontostand des Arbeitszeitkontos vor der Kurzarbeit 250 Stunden
10 % der Jahresarbeitszeit sind nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 4 208 Stunden
Geschütztes Guthaben 42 Stunden
Kleinster Monatswert der letzten 12 Monate 100 Stunden
Geschütztes Guthaben nach § 96 Abs. 4 Satz 3 Nr. 5 100 Stunden
Von den 250 Stunden auf dem Arbeitszeitkonto sind daher 150 Stunden
(250 Stunden – 100 Stunden) zur Vermeidung von Arbeitsausfällen einzubringen (siehe hier).
Bei weiteren Fragen sprechen Sie uns gerne an.