WISSENSWERTES | 03.01.2018

BVerwG zu Äußerungen von Bürgermeistern: Sachlichkeitsgebot verbietet Ausgrenzung und gezielte Diskreditierung („Dügida“)

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Der Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf hat mit seiner gegen die Vereinigung „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ („Dügida“) gerichteten „Lichter aus! – Aktion“ große Aufmerksamkeit erlangt. Er hatte während einer von „Dügida“ angemeldeten, legalen Versammlung die Beleuchtung des Rathauses und weiterer öffentlicher Gebäude ausschalten lassen. Über diese Aktion hatte er im Vorfeld der Veranstaltung auf der Homepage der Stadt Düsseldorf informiert und Grundstückseigentümer dazu aufgefordert, die Beleuchtung ihrer Gebäude ebenfalls auszuschalten. Weiterhin hatte er dazu aufgerufen, sich einer Gegenveranstaltung anzuschließen.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat im September des vergangenen Jahres entschieden, dass diese Aktion rechtswidrig war (BVerwG, Urteil vom 13. September 2017, Az. 10 C 6/16). Die nun vorliegenden Urteilsgründe geben Aufschluss über die Grenzen amtlicher Informations- und Öffentlichkeitsarbeit.

Selbstverwaltungsrecht – Informations- und Öffentlichkeitsarbeit auch bei politischen Themen

Das BVerwG stellt eingangs klar, dass dem Bürgermeister eine Teilnahme am politischen Diskurs nicht gänzlich verwehrt sei. Das kommunale Selbstverwaltungsrecht (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG) befähige den Bürgermeister, in örtlichen Angelegenheiten Informations- und Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Bei der angemeldeten „Dügida“-Veranstaltung handele es sich um eine örtliche Angelegenheit. Deshalb sei der Bürgermeister im Grundsatz auch befugt, sich hierzu in amtlicher Eigenschaft zu äußern.

Neutralitätsgebot – nur gegenüber Parteien und Wahlbewerbern

Eine inhaltliche Positionierung sei dem Bürgermeister dagegen verwehrt, wenn sich diese auf eine politische Partei oder Wahlbewerber beziehe. Im Verhältnis zu den gemäß Art. 21 GG besonders geschützten Parteien müsse die Verwaltung strikte Neutralität wahren. Ein inhaltlicher Diskurs sei dem Bürgermeister in diesen Fällen nicht erlaubt. Das BVerwG führt aus, dass es sich bei „Dügida“ aber um keine Partei, sondern um eine sonstige politische Gruppierung mit einem vergleichsweise niedrigen Organisationsgrad handele. Deshalb sei der Bürgermeister in Bezug auf „Dügida“ auch nicht an das Neutralitätsgebot gebunden gewesen.

Sachlichkeitsgebot – Schranke für Informations- und Öffentlichkeitsarbeit

Die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des Bürgermeisters müsse jedoch dem Sachlichkeitsgebot Rechnung tragen, so das Gericht. Eine Meinungskundgabe sei in amtlicher Eigenschaft zwar nicht ausgeschlossen und könne sich auch in symbolischen Handlungen vollziehen. Die Meinungsbildung gehe in einer Demokratie aber vorrangig vom Volk aus. Dieser Prozess sei durch die Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG) verfassungsrechtlich besonders geschützt. Eine lenkende Einflussnahme des Staates sei deshalb unzulässig, wenn sich diese nicht auf den „Austausch rationaler Argumente“ beschränke. Staatliche Amtsträger dürften Vertreter anderer Meinungen deshalb weder ausgrenzen noch gezielt diskreditieren, wenn diese die geltenden rechtlichen Grenzen, namentlich die strafrechtlichen Verbote, einhalten.

Die „Lichter aus! – Aktion“ habe gegen das Sachlichkeitsgebot verstoßen, da sie die Ebene des sachlichen und rationalen Diskurses verlassen habe. Ähnliches gelte für den Aufruf des Bürgermeisters, an der Gegenveranstaltung zur Versammlung von „Dügida“ teilzunehmen. Der Bürgermeister habe sich damit nicht auf einen Austausch rationaler Argumente beschränkt, sondern in den Wettbewerb zweier gegenläufiger Demonstrationen eingegriffen.

Praxistipp: Trennung zwischen politischem Amt (Bürgermeister) und Amtsinhaber als Privatperson

Das BVerwG hat klargestellt, dass Bürgermeister und andere Funktionsträger der (kommunalen) Verwaltung in Wahrnehmung ihrer amtlichen Position bei politischen Themen zu strenger Sachlichkeit verpflichtet sind. Auch wenn kein Wahlkampf herrscht und keine politische Partei betroffen ist, dürfen sie in den politischen Meinungsbildungsprozess nur mittels sachlicher Argumente eingreifen.

Wichtig ist deshalb die – in dem Urteil nicht angesprochene – Trennung zwischen dem Bürgermeister als Amtsträger und als Privatperson. Als Privatpersonen, Wahlbewerber oder Mitglieder von Parteien oder Wählervereinigungen dürfen sich Bürgermeister selbstverständlich politisch positionieren. Für Privatpersonen gilt weder das Neutralitäts- noch das Sachlichkeitsgebot. Wenn sich ein Bürgermeister im Wahlkampf engagieren oder politisch anderweitig einbringen möchte, darf er dies deshalb nicht in amtlicher Eigenschaft tun. Ob die Äußerung in amtlicher Eigenschaft oder als Privatperson erfolgt, bemisst sich im Zweifel nach der Form und den äußeren Umständen der Äußerung. Die Homepage der jeweiligen Gemeinde ist jedenfalls klar der Sphäre der Verwaltung zuzurechnen. Für deren Inhalte gilt daher das Sachlichkeitsgebot. Wahlkampf und politische Statements, die über eine sachliche Information hinausgehen, gehören dort nicht hin.


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