WISSENSWERTES | 15.01.2025

Zielvereinbarungen auf dem Prüfstand – Wichtiges Urteil des BAG

 

Die Vereinbarung einer variablen Vergütung zusätzlich zu einem Festgehalt ist für viele Arbeitgeber üblich. Ziel einer solchen Vereinbarung ist, Arbeitnehmern einen Anreiz für eine gute Arbeitsleistung zu bieten.

 

Üblich sind bisher arbeitsvertragliche Regelungen, die dem Arbeitnehmer einen Bonus in einer festen Höhe nach Maßgabe der Vereinbarung von Zielen durch eine jährlich gesonderte Vereinbarung vorsehen.

 

In der Entscheidung des BAG vom 3. Juli 2024, Az. 10 AZR 171/23, stand eine Klausel auf dem Prüfstand, die vorsah, dass jährlich Ziele zwischen den Parteien vereinbart werden sollten und dass der Arbeitgeber diese, sollte es zu keiner Einigung kommen, nach billigem Ermessen vorgeben könne. Zudem sollte der Arbeitgeber die Tantieme je nach Erreichungsgrad der vereinbarten oder vorgegebenen Ziele nach seinem Ermessen fixieren können.

 

Sachverhalt

 

Der Kläger war ab Mitte März 2020 bei der Arbeitgeberin beschäftigt. Nach seinem Arbeitsvertrag hatte er Anspruch auf eine variable Vergütung. Festlegung und Höhe sollten Gegenstand einer Zielvereinbarung sein, die erstmals nach einer dreimonatigen Probezeit abgeschlossen werden sollte. Sollten die Ziele nicht zwischen den Parteien vereinbart werden, sollten die Ziele von der Arbeitgeberin nach billigem Ermessen vorgegeben werden können. Drei Monate nach Beginn des Arbeitsverhältnisses, ab Juni 2020, gab es Unstimmigkeiten zwischen den Parteien. Der Kläger forderte die Arbeitgeberin Ende Juni zu Verhandlungen über eine Zielvereinbarung auf. Anfang August forderte die Arbeitgeberin von dem Kläger, Vorschläge für eine Zielvereinbarung abzugeben. Da dieser der Aufforderung nicht nachkam, übersandte die Arbeitgeberin dem Kläger einen Vorschlag für die Ziele und bat ihn um Rückmeldung binnen sechs Tagen. Nachdem die Parteien ihre jeweiligen Vorschläge wechselseitig abgelehnt hatten, übermittelte die Arbeitgeberin dem Kläger Ende August Zielvorgaben, die er bis zum 21. Dezember 2020 erfüllen sollte. Der Kläger war in den Folgemonaten mehrfach krank und kündigte das Arbeitsverhältnis zu Ende Dezember 2020.

 

Da ihm die Arbeitgeberin keine Tantieme zahlte, erhob er Klage.

 

Unangemessenheit der vertraglichen Klausel

 

Das BAG bestätigte die Entscheidung des LAG, das der Klage überwiegend stattgegeben hatte. Die arbeitsvertragliche Klausel, wonach der Arbeitgeber im Falle einer fehlenden Einigung die Ziele einseitig vorgeben könne, hielt das BAG für unwirksam. Die Regelung erweitere den Gestaltungsspielraum des Arbeitgebers unangemessen zu Lasten des Arbeitnehmers. Sie erlaube es dem Arbeitgeber, die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung grundlos zu verweigern oder abzubrechen, um die erforderliche Konkretisierung und Gewichtung der zu erreichenden Ziele einseitig vorzunehmen. Damit werde dem Arbeitnehmer die in der Klausel vorgesehene vorrangige Möglichkeit genommen, Einfluss auf die Festlegung der Ziele zu nehmen. Der Arbeitgeber könne die vereinbarte Reihenfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe damit einseitig unterlaufen.

 

Die Klausel sei auch unangemessen nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Denn sie wäre geeignet, den Arbeitnehmer von dem vorrangig vereinbarten freien Aushandeln der Ziele abzuhalten. Der Arbeitnehmer laufe, wenn er in die Verhandlungen über eine Zielvereinbarung Zielvorstellungen einbringe, die von denen des Arbeitgebers abweichen, stets Gefahr, dass der Arbeitgeber Verhandlungen grundlos abbreche und danach die Ziele einseitig vorgebe.

 

Grundsätze beim Scheitern von Zielvereinbarungen

 

Wegen der vom Gericht angenommenen Unwirksamkeit der Klausel löste das BAG den Streitfall über die Grundsätze über die Durchführung und das Scheitern von Zielvereinbarungen. Danach wird geprüft, wer für das Scheitern der Verhandlungen verantwortlich ist.

 

Kann der Arbeitgeber nicht nachweisen, dass das Scheitern allein auf dem Verhalten des Arbeitnehmers beruht, macht er sich schadensersatzpflichtig. Tragen beide Parteien zum Scheitern bei, wird von den Gerichten üblicherweise ein Mitverschulden des Arbeitnehmers angenommen.

 

Praxistipp

 

Mit der Entscheidung des BAG sind die bislang üblichen Regelungen zum Abschluss von Zielvereinbarungen nicht mehr haltbar.

 

Arbeitgeber sollten ihre Klauseln zur variablen Vergütung gegebenenfalls anpassen und sich vorab überlegen, ob sie künftig nur noch auf vorgegebene Zielvorgaben abstellen wollen. Wer weiterhin auf Zielvereinbarungen setzt, wird den Verhandlungsprozess mit dem Arbeitnehmer genau dokumentieren müssen, um möglichen Schadensersatzansprüchen bei fehlendem Zustandekommen entgegentreten zu können.


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