WISSENSWERTES | 16.10.2018
Windkrafträder – Kein Zahlungsanspruch der BVVG gegen Käufer landwirtschaftlicher Flächen
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung vom 14. September 2018 (Az.: V ZR 12/17) eine über viele Jahre von der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in ihrem Kaufvertragsmuster verwendete Vertragsklausel für unwirksam erklärt. Diese Klausel verpflichtet Grundstückskäufer, die BVVG an ihren Einnahmen von Windenergieanlagenbetreibern zu beteiligen.
Besondere Bedingungen für verbilligten Erwerb landwirtschaftlicher Flächen
In den Jahren nach der Wiedervereinigung bestand die Möglichkeit, in Ostdeutschland verbilligt landwirtschaftliche Flächen zu erwerben. Die grundgesetzlich garantierte Eigentumsfreiheit der Erwerber dieser Flächen wurde mit dem Ziel der Sicherstellung einer landwirtschaftlichen Nutzung dieser Flächen durch die Regelungen des Ausgleichsleistungsgesetzes (AusglLeistG) und der Flächenerwerbsverordnung (FlErwV) dahingehend eingeschränkt, dass:
-
- gemäß § 3 Abs. 10 AusglLeistG die erworbenen Flächen vor Ablauf von 20 Jahren (in neuerer Gesetzesfassung nur noch 15 Jahre) ohne Genehmigung der für die Privatisierung zuständigen Stelle nicht veräußert werden dürfen,
- gemäß § 12 Abs. 3 FlErwV auch jede sonstige Verfügung über die erworbene Fläche der Zustimmung bedarf, die Zustimmung jedoch zu erteilen ist, wenn die Zweckbindung durch die Verfügung nicht gefährdet wird.
Vertragsmuster der BVVG als AGB
Die mit der Privatisierung des volkseigenen Vermögens im Beitrittsgebiet beauftragte BVVG nutzte beim Verkauf der Landwirtschaftsflächen ein Vertragsmuster, welches in § 10 Nr. 5 folgende auszugsweise Regelung enthält:
„Sollen während des in Abs. 2 genannten Zeitraumes kaufgegenständliche Flächen ganz oder teilweise als Standort- und/oder Abstandsflächen für die Errichtung von Anlagen für erneuerbare Energien i. S. d. § 11 Abs. 2 Baunutzungsverordnung, insbesondere für Windenergieanlagen, oder für die Errichtung von Funk-, Sende- oder vergleichbaren Anlagen genutzt oder zur Verfügung gestellt werden, steht dem Käufer nach Maßgabe der nachfolgenden Bedingungen ein Anspruch auf Zustimmung hierzu gegen die Verkäuferin zu:
…
Der Käufer verpflichtet sich, an die Verkäuferin einen Betrag i. H. v. 75% des auf die Gesamtnutzungsdauer der Anlage kapitalisierten Entschädigungsbetrages (ohne Bewirtschafter-/Pächterentschädigungsanteil) zu zahlen, der auf die kaufgegenständlichen Flächen entfällt mindestens aber 75% des marktüblichen Entschädigungsbetrages, also des Betrages, der üblicherweise für das Recht zur Errichtung einer vergleichbaren Anlage an die vergleichbaren Standorten entrichtet wird.
…
Der an die Verkäuferin zu entrichtende Betrag wird einen Monat nach Abschluss des entsprechenden (Nutzungs-/Überlassungs-/Einbringungs-) Vertrages fällig, spätestens jedoch zum Ende des Monats, in dem mit der Errichtung der Anlage begonnen wird.“
Diese Regelung ist auch Bestandteil des notariellen Kaufvertrages geworden, den der Kläger im vom BGH entschiedenen Fall mit der beklagten BVVG im Jahr 2005 geschlossen hatte. Er beabsichtigte die Betreibung von Windenergieanlagen auf seinen Grundstücken und beantragte die gerichtliche Feststellung, dass er nicht verpflichtet ist, an die BVVG die Zahlung eines kapitalisierten Entschädigungsbetrages aus dieser Nutzung zu erbringen.
Entscheidung des BGH – Unangemessene Benachteiligung
Der BGH bestätigt die Entscheidungen der Instanzgerichte (Kammergericht Berlin, Urteil vom 21. Dezember 2016, Az.: 28 U 7/15; bzw. Landgericht Berlin, Urteil vom 24. Februar 2015, Az.: 19 O 207/14) und stellt fest, dass die fragliche Klausel in § 10 Nr. 5 des von der BVVG verwendeten Musterkaufvertrages unwirksam und der Kläger nicht zur Zahlung eines kapitalisierten Entschädigungsbetrages verpflichtet ist.
Die Entschädigungsklausel widerspricht in unzulässiger Weise den Grundgedanken des AusglLeistG und der FlErwV und ist daher gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Eine Einschränkung der Eigentumsfreiheit kommt nur im Rahmen der gesetzlichen Regelungen und freier Vereinbarung in Betracht. Die einseitige Einschränkung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB), insbesondere wenn sie durch im staatlichen Interesse handelnden juristischen Personen verwendet werden, sind dabei enge Grenzen gesetzt. Die Eigentumsfreiheit wird durch das AusglLeistG und die FlErwV sowohl in zeitlicher Hinsicht (20 bzw. 15 Jahre) als auch hinsichtlich der Zweckbindung (Veräußerungs- und Verfügungsverbot) zulässigerweise eingeschränkt.
Die AGB der BVVG sehen jedoch zum Beispiel für den Fall, dass Windkraftanlagen auf dem Grundstück errichtet werden, eine weitere Einschränkung vor. Die Zustimmung soll nämlich von der Entrichtung eines Entschädigungsbetrages abhängig gemacht werden, den der Erwerber zeitlich unbegrenzt schuldet.
Unvereinbarkeit mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes
Diese Klausel verstößt in mehrfacher Hinsicht gegen den gesetzlichen Grundgedanken. Erstens ist sie aufgrund der Bezugnahme auf die Gesamtnutzungsdauer der Anlage entgegen der Regelung im AusglLeistG zeitlich unbegrenzt. Wird die Anlage erst kurz vor Ablauf des Zweckbindungszeitraumes errichtet, müsste eine Entschädigung über diesen Zeitraum hinaus für die Dauer der Gesamtnutzungsdauer der Anlage gezahlt werden. Zweitens stellt die Klausel eine weitere Bedingung für die Zustimmung zu Verfügungen über das Grundstück dar, ohne dass dafür eine gesetzliche Grundlage besteht. Nach der FlErwV ist die Zustimmung generell zu erteilen, sofern die Zweckbindung nicht gefährdet wird.
Zentrales Ziel von AusglLeistG und FlErwV ist lediglich die Sicherstellung der landwirtschaftlichen Nutzung innerhalb der Bindefrist. Können unter Wahrung dieses Zwecks Einkünfte generiert werden, so stehen diese grundsätzlich dem Eigentümer zu. Eine pauschale Abschöpfung durch AGB hingegen, wie sie die Klausel in § 10 Nr. 5 Abs. 3 des Kaufvertrages enthält, ist gesetzlich nicht vorgesehen.
Praxistipp:
Eigentümer, die Kaufverträge auf Grundlage des Ausgleichsleistungsgesetztes mit der BVVG geschlossen und Entschädigungszahlungen geleistet haben, sollten umgehend tätig werden und zeitnah anwaltlich prüfen lassen, ob der von ihnen abgeschlossene Vertrag die vom BGH für unwirksam erklärte Klausel enthält, welche Rückzahlungsansprüche gegen die BVVG bestehen und ob diese noch erfolgreich durchsetzbar sind (Verjährung).