WISSENSWERTES | 30.01.2017

Wer ist Arbeitnehmer?

Die Frage klingt banal, ist jedoch in der Praxis gar nicht so leicht zu beantworten, wenn es nicht um klassische Arbeitsverhältnisse geht. Dies hat den Gesetzgeber veranlasst, eine gesetzliche Definition vorzunehmen.

Neue Definition

Die Reform des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) wird zum 1. April 2017 in Kraft treten und ändert neben dem AÜG weitere Gesetzeswerke, darunter auch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) durch Ergänzung von „§ 611a Arbeitnehmer“ mit folgendem Wortlaut:

Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit betreffen. Arbeitnehmer ist derjenige Mitarbeiter, der nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann; der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab. Für die Feststellung der Arbeitnehmereigenschaft ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen. Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an.

Der Bundesgesetzgeber will mit dieser gesetzlichen Definition missbräuchliche Gestaltungen des Fremdpersonaleinsatzes durch vermeintlich selbstständige Tätigkeiten verhindern und die Rechtssicherheit der Verträge erhöhen. Dazu soll die neue Vorschrift unter wörtlicher Wiedergabe der Leitsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung festlegen, wer Arbeitnehmer ist. Ob dies gut gelungen ist, darf bezweifelt werden, weil sich moderne (flexible) Arbeitsverhältnisse zum Bespiel nicht mehr so sehr nach der Frage der Weisungsabhängigkeit beurteilen lassen, sondern der Frage der Eingliederung eine größere Bedeutung zugekommen ist. Auch die Frage der persönlichen Abhängigkeit entstammt eher dem Sozialversicherungsrecht und ist für zivilrechtliche Wertungen zunehmend unbrauchbar.

Bindungswirkung

Die gesetzliche Definition gilt nicht nur für das BGB. Maßgeblich wird sie auch für andere Gesetzeswerke sein, wenn und soweit dort keine anderen Definitionen erfolgt sind. Diese gibt es nicht nur vereinzelt, sondern in vielen sehr wichtigen Gesetzeswerken, zum Bespiel in § 1 Abs. 1 Lohnsteuerdurchführungsverordnung (LStDV), § 5 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG), § 5 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Es wird damit auch weiterhin je nach Rechts- und Regelungsgebiet ein Nebeneinander von Arbeitnehmerbegriffen geben, was der gesetzlichen Neuregelung als Kritik entgegen gehalten wurde.

Praxistipp

Es sollte sich keiner darauf verlassen, dass die Rechtsprechung sklavisch der gesetzlichen Definition folgt. Es wird auch weiter auf das rechtsgeschäftliche Dienstleistungsversprechen ankommen und auf eine wertende Betrachtung der Gesamtumstände. Die Auslegungs- und Interpretationsspielräume werden bleiben. Die Probleme könnten eher noch zunehmen, weil eine Norm, die eine bestehende Rechtslage nicht verändern soll, sondern lediglich die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze kodifizieren will, im Ergebnis mehr schadet als nutzt. Rechtsklarheit wird durch diese Regelung jedenfalls nicht gewonnen.


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