WISSENSWERTES | 16.01.2018

Vorsteuerabzug bei Berufsverbänden

Das Finanzgericht Berlin-Brandenburg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 13.09.2017 – 2 K 2164/15) hat nun erstmals – entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung – die Umsatzsteuerpflicht von Mitgliedsbeiträgen zu Berufsverbänden bestätigt.

Hintergrund des Verfahrens: Vorsteuerabzug

Dem klagenden Berufsverband ging es im entschiedenen Fall nicht primär um die Umsatzbesteuerung seiner Mitgliedsbeiträge, sondern um die Geltendmachung von Vorsteuerbeträgen, die höher waren als die Umsatzsteuerbeträge.

Finanzverwaltung: Berufsverbände sind regelmäßig Nichtunternehmer

Bisher wurden Berufsverbände nach deutschem Umsatzsteuerrecht als Nichtunternehmer behandelt. Lediglich beim Vorliegen wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe nahm die Finanzverwaltung die Unternehmereigenschaft an.

Die Behandlung als Nichtunternehmer führte bisher dazu, dass Einnahmen eines Berufsverbandes – außerhalb eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs – nicht umsatzsteuerbar sind. Dies betrifft insbesondere Mitgliedsbeiträge und Umlagen. Gleichzeitig ist der Berufsverband nicht berechtigt, Vorsteuern aus Eingangsleistungen geltend zu machen.

Diese Auffassung der Finanzverwaltung gerät mit dem o. g. Finanzgerichtsurteil ins Wanken.

Entscheidung des FG Berlin-Brandenburg

Mit dem nunmehr vorliegenden Urteil des FG Berlin-Brandenburg hat erstmals ein deutsches Finanzgericht die Unternehmereigenschaft eines Berufsverbandes bejaht. Das FG-Urteil lässt sich wie folgt zusammenfassen:

  • Basierend auf der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs stellt das Finanzgericht klar, dass ein Berufsverband bezogen auf die Mitgliedsbeiträge dann unternehmerisch tätig ist, wenn er entgeltliche Lieferungen oder Dienstleistungen erbringt oder ernsthaft erbringen will.
  • Das Finanzgericht sah einen unmittelbaren Leistungsaustausch: der Berufsverband erbrachte Leistungen an seine Mitglieder und diese zahlten dafür einen Mitgliedsbeitrag.
  • Die Leistungen des Berufsverbandes bestanden neben der Vertretung der wirtschaftlichen Interessen der Mitglieder u. a. in der Öffentlichkeitsarbeit sowie der Zurverfügungstellung einer Struktur aus Informations-, Beratungs- und Kommunikationsangeboten.
  • Die Leistungen hatten somit einen konkret bestimmbaren Inhalt, der den Mitgliedern Vorteile verschaffte. Die Leistungen standen allen Mitgliedern gegen Zahlung der Mitgliedsbeiträge zur Verfügung.
  • Ob alle Mitglieder die Leistungen in Anspruch nehmen, ist für die umsatzsteuerliche Beurteilung unerheblich; entscheidend ist die Möglichkeit der Inanspruchnahme.

Der klagende Berufsverband hatte Erfolg. Ihm wurde der begehrte Vorsteuerabzug zuerkannt.

Da der entschiedene Fall grundsätzliche Bedeutung hat, liegt er mittlerweile dem Bundesfinanzhof vor.

Folgen und Handlungsempfehlungen

Aus dem FG-Urteil ergeben sich für Berufsverbände insbesondere folgende Empfehlungen bzw. Hinweise:

  • Berufsverbände, deren Mitglieder ausschließlich bzw. nahezu ausschließlich Unternehmen sind, können von diesem Urteil profitieren, da es einen weitreichenden Vorsteuerabzug für den Berufsverband eröffnet, ohne dass die Mitglieder zusätzlich belastet werden.
  • Soweit diese Berufsverbände die Unternehmereigenschaft begehren, müssen sie selbst aktiv werden und unter Bezugnahme auf das beim BFH anhängige Verfahren bei ihrem zuständigen Finanzamt entsprechende Erklärungen einreichen.
  • Berufsverbände, die ihre Mitgliedsbeiträge weiterhin nicht der Umsatzsteuer unterwerfen wollen, müssen aktuell keine negativen Konsequenzen befürchten, da auch die Finanzverwaltung gegenwärtig nicht von einer Umsatzsteuerpflicht von Mitgliedsbeiträgen ausgeht.

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