WISSENSWERTES | 08.10.2018
VG Weimar stärkt freie Träger der Jugendhilfe: Personalhoheit vs. kommunale Mitbestimmung
Für einen freien Träger der Jugendhilfe machten wir Betriebskosten einer Kindertagesstätte vor dem Verwaltungsgericht Weimar geltend. Die beklagte Gemeinde lehnte die Erstattung von Personalkosten für zwei Mitarbeiterinnen einer Kindertagesstätte ab, die sich in der Ruhephase der Altersteilzeit befanden. Der freie Träger hatte mit den Erzieherinnen Altersteilzeitvereinbarungen im Blockmodell vereinbart. Die Vereinbarung sah vor, dass die Mitarbeiterinnen in der ersten Phase bei reduziertem Gehalt ihrer Beschäftigung im selben Umfang nachgehen und in der zweiten Phase hierfür Freizeitausgleich bis zum Renteneintritt bei Gehaltsfortzahlung erhalten.
Pflicht zur vertraglichen Vereinbarung einer Kostenerstattung
Gemäß § 18 Abs. 4 Satz 1 ThürKitaG vom 16. Dezember 2005 in der Fassung vom 4. Mai 2010 (im Folgenden ThürKitaG 2005) hat die zuständige Gemeinde den durch die Elternbeiträge und möglichen Eigenanteil des Trägers nicht gedeckten Anteil der erforderlichen Betriebskosten zu erstatten. Satz 2 regelte, dass die Höhe und das Verfahren der Kostenerstattung zwischen Gemeinde und Träger vertraglich zu vereinbaren ist. Der Gesetzgeber habe sich damit für einen konsensualen Weg entschieden, der eine vertragliche Vereinbarung als rechtliche Grundlage vorsieht. Ein unmittelbarer Zahlungsanspruch besteht ohne vertragliche Vereinbarung nicht (OVG Weimar, Urteil vom 10. Juli 2015, Az. 3 KO 565/13).
Erforderliche und angemessene Betriebskosten
Nach § 18 Abs. 4 ThürKitaG 2005 sind die erforderlichen Betriebskosten von der Gemeinde zu übernehmen. § 18 Abs. 8 ThürKitaG 2005 regelt, dass die Betriebskosten die angemessenen Personal- und Sachkosten für den Betrieb einer Kindertagesstätte sind.
Maßstab für die Höhe des Erstattungsanspruchs sind nicht die Kosten in eignen Kindertageseinrichtungen der Gemeinde oder die Kosten einer Kindertagesstätte unter Idealbedingungen, sondern die personellen und sachlichen Grundbedingungen des freien Trägers. Überprüfen kann die Gemeinde grundsätzlich, ob die Betriebskosten der Erfüllung der Ziele und Aufgabenstellung des § 6 Abs. 1 ThürKitaG 2005 dienten (OVG Weimar, Urteil vom 10. Juli 2015, Az. 3 KO 565/13).
Keine Zustimmung zur Altersteilzeitvereinbarung erforderlich
In der aktuellen Entscheidung hat das VG Weimar nun bestätigt, dass bei der Vereinbarung von Altersteilzeit die Zustimmung der Gemeinde nicht erforderlich ist, da dem freien Träger die Personalhoheit obliegt. Die Gemeinde ist folglich zur Erstattung verpflichtet, wenn der freie Träger mit seiner Entscheidung nicht gegen die Ermessensgrenzen verstößt (VG Weimar, Urteil vom 12. Juni 2018, Az. 5 K 1308/16).
Ermessen, Treu und Glauben
Einen Ermessensfehler konnte das VG Weimar nicht erkennen. Arbeitsrechtlich war der freie Träger zumindest gegenüber einer Arbeitnehmerin zur Gewährung von Altersteilzeit sogar verpflichtet. Die Ablehnung der Erstattung der Kosten durch die Gemeinde verstieß zudem gegen Treu und Glauben. In der ersten Phase der Altersteilzeit haben die Mitarbeiterinnen nur die Hälfte ihres Lohns – im Verhältnis zur Arbeitszeit – erhalten. In dieser Phase der Altersteilzeit ersparte die Gemeinde zu erstattende Personalkosten, welche beim Blockmodell der Altersteilzeitvereinbarung in der Ruhephase auszuzahlen sind. In der Inanspruchnahme des Vorteils und der Ablehnung der Kostenerstattung in der Folgezeit liegt ein Verstoß gegen Treu und Glauben.
Ausblick
Der Umfang der Betriebskostenzahlung ist nicht Teil eines frei zu verhandelnden Vertragsinhalts, sondern muss grundsätzlich den Maßstäben des § 18 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 8 und § 18 Abs. 4 Satz 3 ThürKitaG 2005 folgen. Anders als die Kostenerstattung, Abrechnungsperioden, Gewährung von Vorauszahlungen, Verwendungsnachweisprüfung oder Ausgleichsansprüche, welche vertraglich geregelt werden können, folgt die Höhe der Betriebskosten den gesetzlichen Regelungen. § 18 Abs. 8 ThürKitaG 2005 gebietet grundsätzlich die Erstattung auf Grundlage der konkret entstandenen und geltend gemachten Betriebskosten (OVG Weimar, Urteil vom 10. Juli 2015, Az. 3 KO 565/13).
Das Verwaltungsgericht Weimar konkretisiert nun den gesetzlichen Maßstab für die Ermittlung von erstattungsfähigen Betriebskosten, indem es die Personalhoheit der Kindertagesstätte bei der Angemessenheit und Erforderlichkeit der Kosten berücksichtigt. Mit diesem Urteil wird die Entscheidungshoheit der freien Träger der Jugendhilfe gestärkt und die Überprüfbarkeit durch die Gemeinden beschränkt.
Au ch nach der Änderung des ThürKitaG sind die oben genannten Entscheidungen der Gerichte noch für die Bestimmung der zu erstattenden Kosten relevant. Wir verweisen hierzu auf unseren Beitrag vom April 2018.
Bei einem vergleichbaren Gesetzeswortlaut in anderen Bundesländern können die Entscheidungen für die Auslegung des Begriffs der Erforderlichkeit ebenfalls herangezogen werden. Die jüngste Entscheidung des Verwaltungsgerichts Weimar ist noch nicht rechtskräftig; die beklagte Gemeinde hat die Zulassung der Berufung beantragt.