WISSENSWERTES | 22.05.2017

Vereinsmitglieder als Arbeitnehmer im Sinne des AÜG?

Ja, auch Mitglieder eines Vereins können Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) sein. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) nach Vorlage an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit Beschluss vom 21. Februar 2017, Az. 1 ABR 62/12 entschieden.

DRK-Schwestern im Klinikeinsatz

Die Arbeitgeberin, eine Klinik mit 190 Arbeitnehmern, hatte mit dem DRK-Schwesternschaft Essen e.V. einen Gestellungsvertrag über den Einsatz von DRK-Schwestern zur Pflege und Betreuung der Patienten geschlossen. Dafür zahlte sie dem Verein die Bruttopersonalkosten sowie eine Verwaltungspauschale. Die DRK-Schwestern werden als Mitglieder des Vereins tätig und erhalten in diesem Rahmen u.a. eine monatliche Vergütung und einen jährlichen Erholungsurlaub. Im Rahmen ihrer Tätigkeit für die Klinik unterlagen die Schwestern den Weisungen der Klinik, für sie galten die betriebsüblichen Arbeitszeitregelungen.

Die Arbeitgeberin unterrichtete den Betriebsrat im November 2011 nach § 99 BetrVG über die beabsichtigte Einstellung eines Mitglieds der Schwesternschaft auf der Grundlage des Gestellungsvertrags und teilte die vorläufige Durchführung der personellen Maßnahme mit. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung mit der Begründung, die Schwester solle nicht nur vorübergehend angestellt werden, weshalb die beabsichtigte Einstellung gegen das AÜG verstoße.

Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Arbeitsgericht, die Zustimmung des Betriebsrats zu ersetzen. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht gaben den Anträgen der Arbeitgeberin statt. Das Bundesarbeitsgericht setzte den Rechtsstreit aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Vorschriften der Leiharbeits-Richtlinie der EU (RL 2008/104/EG) auf der das AÜG beruht, auch auf die Überlassung von Vereinsmitgliedern an ein anderes Unternehmen zur Arbeitsleistung nach dessen fachlicher und organisatorischer Weisung Anwendung finde, wenn sich das Vereinsmitglied bei seinem Vereinsbeitritt verpflichtet habe, seine volle Arbeitskraft auch Dritten zur Verfügung zu stellen, wofür es von dem Verein eine monatliche Vergütung erhalte und der Verein für die Überlassung den Ersatz der Personalkosten sowie eine Verwaltungskostenpauschale erhalte. Der EuGH bejahte dies mit Urteil vom 17. November 2016, Az. C 216/15 dem Grunde nach.

Weiter Arbeitnehmerbegriff im AÜG

Daraufhin entschied das BAG, der Betriebsrat habe zu Recht die Zustimmung zu der Einstellung der DRK-Schwester verweigert, weil deren geplante nicht nur vorübergehende Überlassung an die Klinik gegen § 1 AÜG verstoße. Zwar finde das AÜG nur auf die Überlassung von Arbeitnehmern Anwendung und die DRK-Schwesternschaften seien nach der Rechtsprechung des BAG keine Arbeitnehmer. Sie erbringen ihre Tätigkeiten zwar in fremdbestimmter, persönlicher Abhängigkeit, jedoch nicht auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags, sondern aufgrund ihres Vereinsbeitritts. Der Arbeitnehmerbegriff des AÜG sei jedoch dahingehend auszulegen, dass eine Überlassung von Arbeitnehmern auch dann vorliege, wenn ein Verein seine Vereinsmitglieder, die aufgrund ihrer Arbeitsleistung ähnlich einem Arbeitnehmer sozial geschützt sind, an ein entleihendes Unternehmen überlässt, damit sie bei diesem hauptberuflich weisungsabhängige Tätigkeit gegen Entgelt verrichten.

Wirtschaftliche Tätigkeit trotz fehlender Gewinnerzielungsabsicht

Das BAG hat auch die weitere Voraussetzung des AÜG, wonach der Verleiher die Arbeitnehmer im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit überlassen müsse, bestätigt. Ausreichend dafür sei, dass die Überlassung von Arbeitskräften auf dem Markt angeboten werde. Damit unterlägen auch Verleiher ohne Gewinnerzielungsabsicht dem AÜG.

Kollektivschutz?

Ausdrücklich offen gelassen hat das BAG, ob die eingesetzten Schwestern auch dem kollektiven Schutz bei dem Entleiher unterlägen.

Fazit 

Der Einsatz von DRK-Schwestern zur Pflege und Betreuung kranker Menschen ist ein wichtiger Baustein der Fürsorge, auf den die Praxis kaum verzichten kann. Die Anwendung des AÜG auf diese Beschäftigtengruppe führt gerade angesichts der Neuregelung des Gesetzes mit seinen verschärften Equal-pay-Pflichten und der auf 18 Monate begrenzten Überlassungshöchstdauer zu erheblichen Beschränkungen und wird so manche Klinik vor Probleme stellen. Immerhin hat das DRK schon reagiert und mit der Bundesregierung eine Änderung des DRK-Gesetzes vereinbart, wonach die seit dem 1. April 2017 geltende Überlassungshöchstdauer des AÜG von 18 Monaten auf den Einsatz der DRK-Schwestern keine Anwendung finden soll.


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