WISSENSWERTES | 10.04.2025
OVG Münster: Eilantrag gegen Hauptbetriebsplanzulassung Tagebau Hambach zurückgewiesen
Sachverhalt und Entscheidung
Das OVG Münster hatte in seinem Beschluss vom 28. Januar 2025 –Az. 21 B 11 / 25 AK über einen Eilantrag eines Umweltverbands gegen die Hauptbetriebsplanzulassung des Tagebaus Hambach zu entscheiden.
Der Eilantrag richtete sich maßgeblich gegen den Abbau von Boden im Bereich der Manheimer Bucht. Infolge des Kohleverstromungsbeendigungsgesetzes (KVBG) wird der Tagebau Hambach deutlich früher als geplant die aktive Kohlegewinnung einstellen. Daraus ergeben sich verschiedene Umplanungen und ein deutlich früherer Übergang in die Phase der Wiedernutzbarmachung. Um die für die Sicherung der Böschungen erforderlichen Massen zu gewinnen, bedarf es des Abtrags von Boden sowie darunter lagernden Kiesen und Sanden zur Rekultivierung. Im Rahmen dieser bergbaulichen Maßnahmen muss auch das sog. „Sündenwäldchen“ in Anspruch genommen werden. Neben der weiteren Kohlegewinnung ist das ein Gegenstand der Zulassung des Hauptbetriebsplans bis 2028.
Das OVG wies den Eilantrag ab. Es führte aus, dass im Rahmen der durchzuführenden Interessenabwägung das öffentliche Vollzugsinteresse und das Vollzugsinteresse der beigeladenen Bergbautreibenden überwiegen. Dabei sei in erster Linie auf die Erfolgsaussichten des Eilantrags abzustellen.
Verhältnis fakultative Rahmenbetriebsplanzulassung zur Hauptbetriebsplanzulassung
Das OVG stellt fest, dass sich die angefochtene Zulassungsentscheidung aller Voraussicht nach als rechtmäßig darstelle. Gerügt wurde, dass die Hauptbetriebsplanzulassung dem mit Bescheid vom 12. Dezember 2014 zugelassenen 3. Rahmenbetriebsplan widerspreche. Das OVG führte dazu aus, dass die Zulassung eines Hauptbetriebsplans schon nicht allein deshalb rechtswidrig ist, weil sie einer vorhergehenden Rahmenbetriebsplanzulassung widerspricht. Namentlich im Fall fakultativer Rahmenbetriebspläne kann ein Hauptbetriebsplan nämlich auch ohne einen Rahmenbetriebsplan zugelassen werden. Ungeachtet dessen konnte das OVG gar keinen Widerspruch der Betriebsplanzulassungen zur übergeordneten Zulassung des Rahmenbetriebsplans erkennen. Insbesondere räumlich und zeitlich bewegte sich die Zulassung innerhalb des übergeordneten Rahmens. Ebenso bewegte sich die Hauptbetriebsplanzulassung inhaltlich in diesem Rahmen, da jedenfalls der Abtrag des Bodens und der darunterliegenden Kiese und Sande dort zugelassen ist. Dass es nicht zu der anschließend eigentlich vorgesehenen Kohlegewinnung in dem Teilbereich kommt, führt nicht zu einem Widerspruch, sondern inhaltlich lediglich zu einem Minus gegenüber der Rahmenbetriebsplanzulassung.
Verhältnis Betriebsplanzulassung zu separaten Zulassungen – Artenschutzrechtliche Ausnahme
Richtig ist auch die anschließende andeutungsweise Feststellung des OVG, wonach die artenschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für die Zulassung eines Hauptbetriebsplans ist. Der Antragsteller hatte geltend gemacht, die Ausnahmegenehmigungen seien funktionslos geworden und neue Ausnahmegenehmigungen hätten erteilt werden müssen. Hier verweist das OVG auf eine vorangegangene Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg, in der dies angedeutet wurde. Damit distanziert sich der entscheidende 21. Senat richtigerweise von der Entscheidung des 11. Senats im Urteil vom 18. November 2015 („Warstein“). Letztlich konnte das OVG diese Frage aber offenlassen, da nach seiner Einschätzung die erforderlichen Ausnahmegenehmigungen vorlagen. Sie wurden zwar ursprünglich parallel zur Zulassung des Rahmenbetriebsplans erteilt. Da der angegriffene Hauptbetriebsplan sich aber innerhalb dieses Rahmens hält, seien die Ausnahmegenehmigungen auch nicht funktionslos geworden. Das wurde insbesondere unter dem Aspekt klargestellt, dass es nur noch um die Gewinnung von Erdmassen im Bereich der Manheimer Bucht geht, nicht mehr um die Kohlegewinnung. Insoweit könne keine Rede davon sein, dass der das Gesamtvorhaben tragende Hauptzweck seine Bedeutung verliert, wenn es um eine Maßnahme geht, die mit Blick auf § 4 Abs. 4 BBergG unzweifelhaft zum Gesamtvorhaben gehört, aber nicht (mehr) den Kohleabbau zum Gegenstand hat.
Selbst wenn man die Erforderlichkeit neuer Ausnahmegenehmigungen unterstellen würde, läge nach Einschätzung des OVG kein Defizit der Betriebsplanzulassung vor: Mangels Konzentrationswirkung der Zulassung eines Hauptbetriebsplans sind nämlich die Naturschutzbehörden für die Erteilung einer Ausnahme gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG zuständig. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, dass die Bergbehörde bei Zulassung eines Hauptbetriebsplans im Fall des Fehlens einer solchen Ausnahmegenehmigung verpflichtet wäre zu prüfen, ob die Ausnahmeserteilungvoraussetzungen gemäß § 45 Abs. 7 BNatSchG im Einzelnen gegeben sind. Vielmehr dürfte – unter dem Gesichtspunkt des Sachbescheidungsinteresses – lediglich zu prüfen sein, ob die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ausgeschlossen ist. Diese Prüfung wurde hier durch die Bergbehörde durchgeführt und dabei festgestellt, dass eine objektive Ausnahmelage vorliege.
Keine Prüfung der Erforderlichkeit der Betriebsführung
Entgegen der Auffassung des Antragstellers stellt das OVG auch klar heraus, dass nach den Zulassungsvoraussetzungen für eine bergrechtliche Betriebsplanszulassung keine besondere Rechtfertigung der geplanten Abbauführung notwendig ist. Eine so verstandene Planrechtfertigung oder Alternativenprüfung kennt die bergrechtliche Betriebsplanzulassung als gebundene Entscheidung nicht. Hierbei sei auch keine sonstige sich aufdrängende Alternative in Gestalt einer Gewinnung des Bodens an anderer Stelle gegeben. Dies gilt nach richtiger Auffassung des OVG im entschiedenen Fall auch deshalb, weil die zulassungsgegenständliche Betriebssführung bereits im Rahmen des Braunkohlenplanverfahrens im Sinne einer Alternativenprüfung betrachtet wurde.
In diesen Zusammenhang wies das OVG ergänzend noch darauf hin, dass die Rechtmäßigkeit der Zulassung des Hauptbetriebsplans nicht unmittelbar davon abhängt, dass ein rechtmäßiger Braunkohlenplan vorliegt. Auch eine Inzidentprüfung des Braunkohlenplans müsse im Rahmen des gerichtlichen Prüfverfahrens nicht erfolgen.
Keine überwiegenden Belange des Arten- und Biotopschutzes
In der angegriffenen Zulassung wurde dokumentiert, dass die Vereinbarkeit des Gesamtvorhabens mit artenschutzrechtlichen Belangen anlässlich der Zulassung des 3. Rahmenbetriebsplans geprüft wurde. Dies umfasst auch die Manheimer Bucht. Das OVG sieht infolge der nunmehr nur noch stattfindenden Abraumsgewinnung im betreffenden Teilbereich keine Änderung der Sachlage, die eine andere Beurteilung rechtfertige. Gleiches sei auch für naturschutzrechtliche Gesichtspunkte des Biotopverbunds und der Biotopvernetzung anzunehmen. Namentlich die bloßen Hinweise auf die Bedeutung des in der Manheimer Bucht gelegenen sog. „Sündenwäldchens“ als „Fledermaushabitat“ sowie der Manheimer Bucht insgesamt für den Vogelschutz zeigen keine diesbezügliche Fehlbewertung des Zulassungsbescheids auf.
Überwiegende Vollzugsinteressen
Unabhängig von den vorstehenden Fragen zur Erfolgsaussicht der Hauptsache wurde vom Gericht festgestellt, dass auch eine davon losgelöste Interessensabwägung zulasten des Umweltverbands ausgeht. So sei die Rodung des „Sündenwäldchens“ und die Beseitigung der übrigen Grünstrukturen in der Manheimer Bucht für sich genommen im rechtlichen Sinne nicht als irreversible Maßnahmen anzusehen. Das Gewicht des Verlustes wird zudem durch die von der Beigeladenen bereits realisierten (Ersatz-)Anpflanzungen an anderer Stelle deutlich gemindert.
Auf der anderen Seite habe das Vollziehungsinteresse der Beigeladenen verfassungsrechtliches Gewicht, weil der Betrieb des Braunkohletagebaus, zu dem auch die Ausnutzung von diesbezüglich erteilten (vollziehbaren) behördlichen Genehmigungen (Zulassungen) gehört, in den Schutzbereich der Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1 GG fallen dürfte. Mit Blick darauf hat dieses Vollziehungsinteresse nicht erst dann ein hohes Gewicht, wenn die Aussetzung der Vollziehung beträchtliche, eventuell sogar existenzbedrohende Schäden oder Verluste für das Unternehmen zur Folge hätte. Unabhängig davon liegt auf der Hand, dass bei der Größe des in Rede stehenden Tagebauvorhabens und in Ansehung der Komplexität der Betriebsabläufe der Beigeladenen beträchtliche Aufwendungen entstünden, wenn das Vorhaben jedenfalls vorläufig nicht planmäßig fortgeführt werden könnte, auch wenn diese nicht konkret beziffert sind.
Schließlich liegt nach Auffassung des OVG auch ein überwiegendes öffentliches Interesse mit Blick auf die Wiedernutzbarmachung vor. Insoweit ergibt sich eine gewisse Dringlichkeit daraus, dass der geänderte Braunkohlenplan als Ziel eine Seebefüllung ab dem Jahr 2030 vorgibt, was eine weitgehende vorherige Herstellung der Böschungen voraussetzt. Das so begründete öffentliche Vollzugsinteresse erhält weiteres Gewicht dadurch, dass eine sich verzögernde Wiedernutzbarmachung der Erdoberfläche offensichtlich die Nutzungsinteressen der an den Tagebau angrenzenden Kommunen sowie der dort lebenden Bevölkerung beeinträchtigt.
Bewertung
Die Entscheidung beantwortet in zutreffender Weise eine Reihe von Fragen, die immer wieder im Kontext von bergrechtlichen Zulassungen und dagegen erhobenen Klagen von Umweltverbänden diskutiert werden.
Praktisch besonders wichtig ist die – wenn auch nur angedeutete – Klarstellung, dass die bergrechtliche Betriebsplanzulassung nicht vom Vorliegen paralleler (nicht konzentrierter) Entscheidungen abhängig ist. Diese Aussage lässt sich ebenso auf das Verhältnis zwischen bergrechtlicher Betriebsplanzulassung und wasserrechtlicher Erlaubnis sowie auf das Verhältnis zwischen wasserrechtlicher Erlaubnis und artenschutzrechtlicher Ausnahmegenehmigung übertragen.
Ein wichtiges Signal für die im Zuge des Transformationsprozesses des Rheinischen Braunkohlereviers auch künftig noch zu erteilenden behördlichen Zulassungen ist schließlich die Bestätigung des überwiegenden öffentlichen Interesses im Hinblick auf die Wiedernutzbarmachung sowie dahinterstehende Nutzungsinteressen der Anliegerkommunen.