WISSENSWERTES | 11.07.2025
Online-Kurse via Zoom als zulassungsbedürftiger Fernunterricht?
Spätestens seit der Corona-Pandemie sind Online-Kurse über diverse Plattformen wie Zoom oder Microsoft Teams in großer Zahl verfügbar und üblich geworden. Branchenübergreifend werden Managertrainingsseminare, Fortbildungen und Schulungen als kostengünstigere und kundenfreundliche Alternative zu herkömmlichen Präsenzveranstaltungen angeboten.
Ob und unter welchen Voraussetzungen Anbieter dafür eine Zulassung der kaum bekannten Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) benötigen, wird angesichts dessen kontrovers diskutiert. In jüngerer Zeit sind dazu unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen ergangen. Darin reiht sich nun auch ein Urteil des OLG Dresden vom 30. April 2025 zum Az. 12 U 1547/24 ein. Darin wird eine eher konservative Ansicht vertreten und die Zulassungsbedürftigkeit bejaht – im Gegensatz zu jüngeren Entscheidungen anderer Obergerichte, etwa des OLG Nürnberg oder des OLG Celle.
Immerhin hat das OLG Dresden zum Zwecke höchstrichterlicher Klärung die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) wegen Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Ob dieses Rechtsmittel eingelegt wurde, ist hier leider nicht bekannt.
Coaching-Kurs als Gegenstand
Streitgegenständlich waren der Abschluss von Verträgen über eine „Vertriebsgenie Ausbildung (3 Monate)“ bzw. „Vertriebsgenie Exekutive (12 Monate Betreuung)“, für die der Anbieter zusammen über EUR 40.000 verlangte. Neben vorgefertigten Videos zu verschiedenen Themenkomplexen, eingeteilt in Module bzw. „Lessons“, wurden auch „1:1-Calls“ angeboten, um Fragen zu den Lerninhalten zu stellen. Nach dem Konzept sollten die Teilnehmer durch das Training lernen, Social Media Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen.
Räumliche Trennung trotz synchroner Kommunikation?
Von besonderer Bedeutung war zunächst die Frage, ab wann ein „Fern“-Unterricht i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG vorliegt. Konkret: Genügt es für die Annahme einer räumlichen Trennung, wenn sich die Beteiligten zwar an verschiedenen Orten aufhalten, jedoch mittels Kommunikationsmitteln derart miteinander verbunden sind, dass sie wie bei gleichzeitiger Anwesenheit kommunizieren können?
Sowohl das OLG Nürnberg als auch das OLG Celle – vor allem aber auch die ZFU als staatliche Zulassungsbehörde – vertreten insoweit die Ansicht, dass auch bei einem „virtuellen Klassenraum“ oder sonstigem „Live-Chat“ aufgrund der synchronen Kommunikation die Teilnehmenden einen mit Präsenzveranstaltungen vergleichbaren niedrigen Aufwand benötigen, um mit Ausbildern in Kontakt zu treten. Demnach liege, trotz fehlender gleichzeitiger physischer Präsenz der Beteiligten in räumlicher Nähe, kein Fernunterricht vor.
Demgegenüber stellt das OLG Dresden auf den Wortlaut und den Willen des historischen Gesetzgebers ab. Dieser habe zwar Mitte der 70er Jahre noch nicht den späteren Anwendungsbereich des Gesetzes abschätzen können. Gleichwohl habe er die Möglichkeit einer Übertragung des Unterrichts in einen anderen Raum gesehen und auch diesen Fall unter den Begriff der räumlichen Trennung gefasst. Das OLG Dresden sieht sich dabei in Einklang mit der schon älteren Rechtsprechung des BGH, der die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 FernUSG nach dem Schutzzweck weit ausgelegt hat. Ziel sei es, die Interessierten vor unseriösen Angeboten und mangelnder Qualität zu schützen.
Konkludenter Anspruch auf Überwachung des Lernerfolgs
Auch der weiteren Voraussetzung für die Annahme von Fernunterricht, die Überwachung des Lernerfolgs der Teilnehmenden, legt das OLG Dresden ein weites Begriffsverständnis zugrunde. Es sei bereits ausreichend, dass der Lernende einen Anspruch darauf habe, seinen Erfolg kontrollieren zu lassen, beispielsweise durch Beantwortung von Fragen zum erlernten Stoff. Es genüge, wenn nach der Auslegung des Vertrages ein solcher Anspruch aus Sicht der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise beinhaltet sei.
Anwendbarkeit des FernUSG auf Unternehmer nach § 14 BGB?
Entscheidungserheblich war und ist zudem regelmäßig die Frage, ob auch Unternehmer vom Schutzumfang des FernUSG umfasst sind, die in der Regel weniger schutzbedürftig sind als Verbraucher. Das OLG Dresden bejahte auch das – und setzte sich damit (erneut) in Widerspruch zu aktueller Rechtsprechung anderer Gerichte, so etwa einem Urteil des OLG München vom 17. Oktober 2024. Denn gesetzgeberisches Leitbild sei der sich beruflich Bildende gewesen, was nicht nur Verbraucher, sondern gerade Unternehmer und Selbstständige in der Anfangsphase seien. Die insoweit gegensätzliche Bezeichnung im Gesetzesentwurf wäre darauf zurückzuführen, dass zu diesem Zeitpunkt der Begriff des Verbrauchers noch anders, nämlich weiter, gefasst gewesen sei, und eine dem heutigen Maßstab entsprechende Verwendung erst unter dem Eindruck des Europarechts Mitte der 80er entstanden sei.
Fazit und Praxishinweise
Die Entscheidung ist insofern bemerkenswert, als sie in mehreren Punkten von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte, insbesondere aber von der Einschätzung der ZFU selbst abweicht. Die Argumentation mit dem Schutzzweck des FernUSG kann kaum überzeugen, da allein aus der fehlenden Präsenz an einem Ort noch kein gesteigertes Risiko für unseriöse Angebote erwächst. Zuzugeben ist allerdings, dass der Gesetzeswortlaut als solcher wenig Auslegungsspielraum bietet, so dass an sich der Gesetzgeber gefragt wäre. Fragwürdig ist aber ungeachtet dessen, den Anwendungsbereich des (Schutz-)Gesetzes auch auf Unternehmer auszudehnen. Dagegen sprechen nicht nur bestimmte Formulierungen im bestehen-den FernUSG selbst und die Gesetzgebungsgeschichte. Vor allem ist ein besonderer Schutzbedarf nicht feststellbar.
Es bleibt also spannend und abzuwarten, ob und wie der BGH entscheidet, falls die unterlegene Seite im Fall des OLG Dresden die zugelassene Revision eingelegt hat oder der BGH in einem anderen der nun sicher zunehmenden Rechtsstreite zu diesem Thema die Gelegenheit bekommt. Wir hoffen, dass eine solche Gelegenheit zur Schaffung von Rechtssicherheit baldmöglichst genutzt wird.
Bis dahin müssen Anbieter von Online-Kursen genauestens prüfen, ob sie Fernunterricht im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 FernUSG anbieten und sich im Zweifelsfall entweder um eine Zu-lassung bemühen oder aber ihre Verträge und Angebote inhaltlich anpassen.