WISSENSWERTES | 19.07.2024

Novelliertes Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImschG) – Verbesserung von Klimaschutz und Beschleunigung

 

Am 9. Juli 2024 ist das Gesetz zur Verbesserung des Klimaschutzes beim Immissionsschutz zur Beschleunigung immissionsschutzrechtlicher Ge­neh­mi­gungs­ver­fahren und zur Umsetzung von EU-Recht in Kraft getreten. Das Artikelgesetz beinhaltet neben einer Reihe anderweitiger Regelungen vor allen Dingen Vorgaben zur Beschleunigung im Bundes-Immissionsschutzgesetz und der Verordnung über das immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren – 9. BImSchV.

 

Regelungstechnischer Hintergrund sind laut Gesetzentwurf (BT-Drs. 20/7502) erneut die Ziele der Bundesrepublik zur Erreichung der Netto-Treibhausgasneutralität bis 2045 und der insoweit zu leistende Beitrag des Immissionsschutzrechts. We­sent­li­cher Baustein hierfür ist der beschleunigte Ausbau der erneuerbaren Energien, ins­be­son­dere von Windenergieanlagen. Zu diesem Zweck sieht die Novellierung eine Reihe von Regelungen vor, die speziell dafür zu Verfahrensbeschleunigungen führen sollen. Ferner hat der Gesetzgeber generell die Bedeutung des Immis­sions­schutz­rechts für die Industrie der Bundesrepublik gewürdigt und deswegen auch allgemeine Regelungen zur Verfahrensbeschleunigung eingeführt.

 

Klarstellung zum Klimaschutz

 

Lediglich klarstellend wird in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 2 BImSchG künftig das Klima als Schutzgut erwähnt. Eine darüberhinausgehende Verortung als Maßstab des Prüfprogramms wurde nicht vorgenommen. Mithin ist der globale Klimaschutz zwar als Schutzgut des Immissionsschutzrechts anzusehen. Er wird jedoch nicht zum konkreten Prüfungsgegenstand einer genehmigungsbedürftigen Anlage erhoben.

 

Digitalisierung des Verfahrens

 

Zu begrüßen sind die vielfältigen Ansätze des Gesetzgebers zu einer weitgehenden Digitalisierung des Genehmigungsverfahrens. Das beginnt bei der Antragstellung nach § 10 Abs. 1 BImSchG, die nun sowohl schriftlich als auch elektronisch erfolgen kann. Die Zulassungsbehörde kann dabei auf einer elektronischen Antragstellung bestehen und hierfür technische Vorgaben festlegen. Weiterhin ist bei Eröffnung eines Zugangs für die elektronische Antragstellung ausschließlich dieser durch Behörde und Vorhabenträger zu nutzen.

 

Auch Auslegung und Bekanntmachung werden nach § 10 Abs. 3 und 4 BImSchG künftig verstärkt digitalisiert. So erfolgt die Bekanntmachung des Vorhabens nach Eingang der vollständigen Antragsunterlagen im Veröffentlichungsblatt der zu­stän­di­gen Behörde sowie verpflichtend auch auf deren Internetseite. Die Antragsunterlagen sind sodann für einen Monat zur Einsicht auszulegen. Dies erfolgt durch Be­reit­stel­lung der Unterlagen auf der Internetpräsenz der zuständigen Behörde. Soweit eine Zugangsmöglichkeit für Teile der Bevölkerung nicht gewährleistet werden kann, ermöglicht § 10 Abs. 3 S. 4 BImSchG die Gewährung einer anderweitigen, leicht zu erreichenden Zugangsmöglichkeit. Das kann beispielsweise durch öffentliche Lesegeräte oder auch durch Zurverfügungstellung der Unterlagen in Papierform erfolgen.

 

In der Bekanntmachung ist gemäß § 10 Abs. 4 BImSchG auf die entsprechende Internetseite, auf der die Auslegung erfolgt, hinzuweisen; ebenso wie auf die al­ter­na­tive Zugangsmöglichkeit. Des Weiteren wird die Behörde bereits hier auf die Durch­füh­rung eines Erörterungstermins hinweisen, wobei dieser fakultativ nach pflicht­ge­mäßem Ermessen der Behörde erfolgt (§ 10 Abs. 6 S. 1 BImSchG). Aus § 10 Abs. 6 S. 2 BImSchG ergibt sich, dass der Erörterungstermin auch durch eine On­line­kon­sul­tation, wie sie bereits im Rahmen des Planungssicherstellungsgesetzes geregelt war, ersetzt werden kann. Bei einer Online-Konsultation ist dem Antragsteller und den­je­ni­gen, die Einwendungen erhoben haben, innerhalb einer vorher be­kannt­zu­ma­chen­den Frist Gelegenheit zu geben, sich schriftlich oder elektronisch innerhalb einer Frist von mindestens einer Woche zu äußern (§ 10 Abs. 6 S. 2, 3 BImSchG). Diese Gleichstellung der Onlinekonsultation zum Erörterungstermin ist uneingeschränkt begrüßenswert. Denn die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Onlinekonsultation eher zu einer Versachlichung der Auseinandersetzungen führen kann, weil die direkte und oft emotionale Konfrontation zwischen den Beteiligten unterbleibt. Gleichzeitig zeigen die Erfahrungen mit dem Erörterungstermin, dass dessen Befriedungsfunktion deutlich überschätzt wird. Positiv zu bewerten ist auch die jetzt gesetzlich vorgesehene Mindestfrist zur Zeitdauer der Onlinekonsultation. Dies beseitigt Unsicherheiten, die noch unter der Ägide des Pla­nungs­si­cher­stel­lungs­ge­setzes hierzu bestanden und zu deutlich längeren Fristen führten.

 

Straffung des Beteiligungsverfahrens

 

Das Verfahren der Behördenbeteiligung war bislang davon geprägt, dass die ver­fah­rens­füh­ren­de Behörde eingehende Äußerungen von beteiligten Behörden erst nach Abschluss des Beteiligungsprozesses an den Vorhabenträger weitergegeben hat. Hinzu kamen häufige Fristverlängerungen von zum Teil mehreren Monaten, die sich hinderlich auf die Verfahrensfortführung auswirkten. Dies soll künftig durch § 10 Abs. 5 BImSchG verbessert werden. Gemäß § 10 Abs. 5 S. 2 BImSchG hat die Ge­neh­mi­gungs­be­hör­de eingegangene Stellungnahmen der zu beteiligenden Behörden un­ver­züglich an den Antragsteller weiterzuleiten. Daraus ergibt sich, dass jede einzelne eingehende Stellungnahme sofort weiterzuleiten ist, um die Bearbeitung und in­halt­li­che Auseinandersetzung des Antragstellers damit möglichst frühzeitig einzuleiten. Das Sammeln aller Stellungnahmen bis zum Abschluss des Beteiligungsverfahrens ist damit nicht mehr möglich. Ebenso wird die Äußerungspraxis der zu beteiligenden Behörden durch § 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG künftig diszipliniert werden. Hat sich demnach eine zu beteiligende Behörde nicht innerhalb von einem Monat geäußert, wird gesetzlich vermutet, dass sie sich nicht äußern will, es sei denn, dass sie eine Fristverlängerung von maximal einem Monat erbittet. Wichtig ist für den Bereich der erneuerbaren Energien sowie für Anlagen zur Herstellung von grünem Wasserstoff (Elektrolyseure), dass hier keine Verlängerungsmöglichkeit besteht.

 

Liegt keine Stellungnahme innerhalb der Fristen vor, kann die Zulassungsbehörde entweder zulasten der zu beteiligenden Behörde ein Sachverständigengutachten einholen oder selbst Stellung nehmen. Ob freilich die Einholung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­achtens angesichts der nahezu durchweg vollständig erschöpften Kapazitäten der Fachgutachter ein probates Beschleunigungsinstrument darstellt, muss hin­ter­fragt werden. Der Gesetzgeber versucht hier den Spagat zwischen einer Be­schleu­ni­gung des Verfahrens einerseits und einer qualitativ hochwertigen materiell-recht­lichen Entscheidung andererseits hinzubekommen.

 

Sofern beteiligte Behörden eine gesetzliche Zustimmung nicht erteilen wollen (siehe etwa gemeindliches Einvernehmen nach § 36 BauGB müssen diese vor Abgabe der Entscheidung dem Antragsteller innerhalb einer von der Zulassungsbehörde fest­zu­set­zen­den Frist die Möglichkeit zur Stellungnahme geben.

 

Koordinationspflichten und Bearbeitungsfristen

 

In engem Zusammenhang mit den vorstehenden Regelungen zum Be­tei­li­gungs­ver­fah­ren stehen die ebenfalls in § 10 Abs. 5 BImSchG verankerten Pflichten der Zulassungsbehörde zur vollständigen Koordinierung von Zulassungsverfahren sowie Inhalts- und Nebenbestimmungen. Diese Pflichten greifen dann, wenn für das Vorhaben selbst oder für weitere damit unmittelbar in einem räumlichen oder betrieblichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die Auswirkungen auf die Umwelt haben können und von Bedeutung für die Genehmigung sind, eine Zulassung nach anderen Gesetzen vorgeschrieben ist. Angesprochen sind damit Kumulationseffekte, beispielsweise durch mehrere für sich genommen genehmigungspflichtige Anlagen. Hier soll wohl im Sinne einer konsistenten Gesamtbetrachtung eine Abstimmung der jeweiligen Genehmigungen erfolgen. Für das zu prüfende Vorhaben selbst (1. Alt. der Regelung) ist diese Koordinationspflicht dort relevant, wo mangels Kon­zen­tra­tions­wir­kung (§ 13 BImSchG) weitere Entscheidungen durch andere Behörden er­for­der­lich sind (etwa wasserrechtliche Erlaubnisse oder bergrechtliche Be­triebs­plan­zu­lassungen).

 

Für Vorhaben im Anwendungsbereich der Richtlinie 2018/2001/EU (EE-Richtlinie) sind weitergehende Pflichten, z.B. zur Abwicklung aller Zulassungsverfahren über eine einheitliche Stelle, in § 10 Abs. 5a BImSchG geregelt.

 

Gemäß § 10 Abs. 6a BImSchG ist über den Genehmigungsantrag nach Eingang des Antrags und der erforderlichen Unterlagen innerhalb einer Frist von sieben Monaten zu entscheiden; im vereinfachten Verfahren innerhalb von drei Monaten. Diese im Vergleich zur aktuellen Entscheidungspraxis ambitionierten Fristen können durch die Zulassungsbehörde einmalig um bis zu drei Monate verlängert werden, wenn dies wegen der Schwierigkeiten der Prüfung oder aus Gründen, die dem Antragsteller zuzurechnen sind, erforderlich ist. Eine weitere Verlängerung ist künftig nur noch auf Antrag oder mit Zustimmung des Antragstellers möglich. Die Genehmigungsbehörde informiert ihre Aufsichtsbehörde über jede Überschreitung von Fristen. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt für den Fristlauf ist die Vollständigkeit der Antragsunterlagen.

 

Ob sich durch die Informationspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde die Über­schrei­tung von Fristen künftig rückläufig entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Aus Sicht eines Antragstellers stellt sich insoweit immer die Frage, ob aus Oppor­tu­ni­täts­gründen oder Gründen der Rechtssicherheit einer Fristverlängerung zugestimmt wird, sei es auch nur, um keine ablehnende Entscheidung zu riskieren. Dieses Problem lässt sich durch rechtliche Vorgaben nicht lösen. Hier bedarf es schlicht einer besseren personellen Ausstattung der Zulassungsbehörden.

 

Bekanntmachung der Genehmigung

 

Der Genehmigungsbescheid ist nach Maßgabe der Regelungen in § 10 Abs. 7 bis 8a BImSchG zuzustellen oder alternativ öffentlich bekanntzumachen. Die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung wird es künftig auf Antrag auch im vereinfachten Verfahren nach § 19 Abs. 3 BImSchG geben. Das hat den Vorteil, dass damit die Zustellfiktion gegenüber Dritten, etwa potentiellen Klägern, eintritt und somit Rechtssicherheit entsteht.

 

Vorzeitiger Beginn bei Bestandsanlagen und Vorgaben zum Repowering

 

Der vorzeitige Beginn wird nach dem neuen § 8a Abs. 1 S. 2 BImSchG für Ge­neh­mi­gun­gen von Anlagen auf einem bereits bestehenden Standort sowie Än­de­rungs­ge­neh­mi­gungen erleichtert. Danach muss künftig nicht mehr die positive Ge­samt­prog­nose für das Vorhaben insgesamt durchgeführt werden. Damit wird der bisher erhebliche materielle Prüfungsaufwand, der regelmäßig im Rahmen des vorzeitigen Beginns anfiel und de facto zur Vorwegnahme der eigentlichen Entscheidung führte, spürbar reduziert. Schaut man dann jedoch auf § 8a Abs. 1 S. 3 BImSchG, so wird das Beschleunigungspotenzial schnell relativiert. Denn danach dürfen den be­an­trag­ten vorläufigen Maßnahmen keine relevanten öffentlichen Vorschriften sowie Be­lan­ge des Arbeitsschutzes entgegenstehen. Zwar wird man dies nur so verstehen können, als damit quasi unausräumbare Zulassungshindernisse angesprochen sind. Gleichwohl ist zu erwarten, dass über diesen Punkt zwischen Vorhabenträger und Behörde Differenzen entstehen werden.

 

Vereinfachungen für Modernisierungsmaßnahmen an Anlagen zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien (Repowering) beinhaltet künftig § 16b BImSchG. Hier wird eine Delta-Betrachtung dergestalt eingeführt, dass nur noch Anforderungen zu prüfen sind, soweit durch das Repowering im Verhältnis zum gegenwärtigen Zustand unter Berücksichtigung der auszutauschenden Anlage nachteilige Aus­wir­kun­gen mit Relevanz für die Prüfung nach § 6 Abs. 1 BImSchG hervorgerufen werden. Weitere inhaltliche Erleichterungen ergeben sich aus § 16b Abs. 3 BImSchG, der für Windenergieanlagen auch bestimmte Verstöße gegen Immis­sions­wer­te für unbeachtlich erklärt. Ausnahmen von der eingeführten Delta-Betrachtung ergeben sich aus § 16b Abs. 4 BImSchG und betreffen beispielsweise das Bauplanungsrecht sowie die Prüfung der FFH-Verträglichkeit.

 

Einführung des Projektmanagers

 

Der Einsatz von Projektmanagern in immissionsschutzrechtlichen Ge­neh­mi­gungs­ver­fahren wird künftig durch § 2b der 9. BImSchV im Detail geregelt. Die Vorschrift hat Vorbilder, etwa im NABEG (§ 9 NABEG). Die vom Gesetzgeber genannten Mit­wir­kungs­be­rei­che des Projektmanagers umfassen etwa die Erstellung von Ver­fah­rens­leit­plä­nen, die Fristenkontrolle, das Qualitätsmanagement von Antragsunterlagen, das Einwendungsmanagement bis hin zur Durchführung des Erörterungstermins und der Vorbereitung von Entscheidungsentwürfen. Damit kann das ge­sam­te ver­fah­rens­recht­liche Management bis hin zur Abfassung der Zulassungsentscheidung auch durch externe Dienstleister (etwa durch Rechtsanwälte sowie Ingenieurbüros) erfolgen. Für Vorhabenträger ist das zwar mit zusätzlichen Kosten verbunden. Allerdings kann bei einem entsprechenden Eilbedürfnis und zum Zwecke der Qualitätssicherung die Einschaltung eines Projektmanagers sinnvoll oder gar geboten sein.

 

Der Verfasser berät regelmäßig Antragsteller in immissionsschutzrechtlichen Ver­fah­ren.


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