WISSENSWERTES | 27.09.2021

LAG Hamm vom 27.07.2021: Initiativrecht des Betriebsrats bei der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen

 

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat bei der Einführung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, ein Mitbestimmungsrecht.

 

Definition der technischen Einrichtung

 

Unter einer „technischen Einrichtung“ versteht das Bundesarbeitsgericht (BAG) seit jeher solche, die über eine eigenständige Kontrollwirkung verfügen (vgl. BAG, Urteil vom 9. September 1975, Az. 1 ABR 20/74, BeckRS 9998, 150003). Hierunter fallen z.B. Zeitstempler, Fingerprint-Scanner-Systeme, Kameras, Abhör- oder Mithörgeräte.

 

Einigkeit besteht in Rechtsprechung und Literatur ferner darüber, dass der Arbeitgeber die Überwachung des Verhaltens und der Leistung der Arbeitnehmer nicht bezwecken muss, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auszulösen. Ausreichend ist, dass die technische Einrichtung geeignet ist, das Verhalten und die Leistung der Belegschaft zu kontrollieren.

 

BAG bisher: Abwehrrecht des Betriebsrats

 

Das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1989 geurteilt, bei § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG handele es sich um ein Abwehrrecht des Betriebsrats, der die Überwachung der Arbeitnehmer verhindern möchte. Daher habe der Betriebsrat auch – anders als bei den anderen Mitbestimmungstatbeständen des § 87 BetrVG – kein Initiativrecht. Er kann danach mithin von dem Arbeitgeber nicht selbst die Einführung und Einrichtung einer technischen Kontrolleinrichtung verlangen (vgl. BAG, Beschluss vom 28. November 1989, Az. 1 ABR 97/88).

 

Das erscheint vor dem Hintergrund, dass ein Initiativrecht des Betriebsrats weit in die unternehmerische Freiheit eingreifen würde und die Anschaffung und der Unterhalt z.B. technischer Zeiterfassungssysteme sehr teuer sind, sachgerecht.

 

Landesarbeitsgericht Hamm jetzt: Betriebsrat kann Einführung verlangen

 

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm hat indes in einem aktuellen Beschluss vom 27. Juli 2021 abweichend davon geurteilt, dass dem Betriebsrat bei der Einführung einer elektronischen Zeiterfassung ein Initiativrecht zusteht (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 27. Juli 2021, Az. 7 TaBV 79/20).

 

Begründet hat es seine Entscheidung mit dem Wortlaut und der Systematik des § 87 BetrVG, der im Gegensatz zu anderen Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats nach dem BetrVG gerade nicht vorsehe, dass es sich nur um ein Vetorecht handeln solle.

 

Das LAG Hamm hat die Revision zum BAG zugelassen (anhängig dort unter dem Az. 1 ABR 22/21). Es bleibt abzuwarten, ob das BAG dem LAG Hamm folgt, von seiner Entscheidung aus dem Jahr 1989 abrückt und damit für Arbeitgeber die unternehmerische Freiheit bezüglich der Anschaffung und Unterhaltung technischer Einrichtungen vor allem im Hinblick auf mögliche Kosten einschränkt oder nicht.

 

Über die zu erwartende Entscheidung des BAG werden wir hier berichten.


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