WISSENSWERTES | 18.04.2016

Königsweg Realteilung – Ausscheiden eines Gesellschafters bei Personengesellschaften

Die Königswege antiker Großreiche, die für den Großkönig und den Pharao und das Gefolge vorbehaltenen Wege, waren die kürzesten und besten Straßen zu den verschiedenen Landesteilen. Einen solchen Königsweg hat nun der Bundesfinanzhof (BFH) eröffnet, um ein gewinnneutrales Ausscheiden eines Gesellschafters einer Personengesellschaft zu ermöglichen.

Problembaustelle

Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, ergeben sich viele steuerliche Fragen und Problemstellungen. Dies betrifft insbesondere freiberuflich tätige Gesellschaften wie überörtliche ärztliche Berufsausübungsgemeinschaften oder Steuerberater-, Wirtschaftsprüfer- und/oder Rechtsanwaltsgesellschaften.

Häufig besteht das Bedürfnis, dem ausscheidenden Gesellschafter statt Geld Sachwerte mitzugeben. Dies ist eine Art Tauschgeschäft in zwei Vorgängen. Im ersten Schritt entsteht ein Abfindungsanspruch, wenn der ausscheidende Gesellschafter seinen Gesellschaftsanteil an die verbleibenden Gesellschafter überträgt, diese seinen Geschäftsanteil einziehen oder es allein durch den Ausscheidensvorgang zu einer Anwachsung bei den beibleibenden Gesellschaftern kommt. Anschließend übertragen die verbleibenden Gesellschafter Wirtschaftsgüter der Gesellschaft zur Abgeltung dieses Abfindungsanspruches an den ausscheidenden Gesellschafter. Diese von allen Beteiligten häufig für sinnvoll erachtete Art der Auseinandersetzung ist besonders attraktiv, wenn es gelingt, die Buchwerte fortzuführen und damit keine Ertragssteuerbelastung auszulösen.

Lösungsweg Sachwertabfindung

Um die Frage der Buchwertfortführung zu prüfen, kommt es darauf an, ob  es sich bei der Sachwertabfindung um (i) eine Sachgesamtheit in Form eines Teilbetriebs oder (ii) um Einzelwirtschaftsgüter handelt.

Ein Teilbetrieb im steuerlichen Sinne ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbstständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der – für sich betrachtet – alle Merkmale eines Betriebs im Sinne des Einkommensteuergesetzes aufweist und als solcher lebensfähig ist. Dies ist bei freiberuflichen tätigen Gesellschaften nur sehr selten der Fall, meist nur dann, wenn es mehrere weitgehend autark arbeitende Standorte gibt.

Die Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern ist nach § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 1 EStG zum Buchwert möglich, wenn tatsächlich nur solche übertragen werden. Dies ist häufig schwer zu gestalten, will der ausscheidende Gesellschafter doch die Sachwerte nutzen, um seine Tätigkeit andernorts fortzusetzen. Dann jedoch wird es notwendig sein, nicht nur Einzelwirtschaftsgüter zu übertragen, sondern Sachgesamtheiten. Ob auch Sachgesamtheiten, die keine steuerlichen Teilbetriebe sind, nach § 6 Abs. 5 S. 3 EStG behandelt werden können, ist rechtlich unklar und muss wohl verneint werden.

Selbst wenn die vorstehenden Klippen umschifft werden können, ergibt sich ein weiteres Problem im Zusammenhang mit Übertragungen nach § 6 Abs. 5 EStG aus der Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG. Die Sperrfrist endet drei Jahre nach Abgabe der Steuererklärung des Übertragenden für den Veranlagungszeitraum, in dem die (zunächst steuerneutrale) Übertragung erfolgt ist. Wird das übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der Sperrfrist veräußert oder entnommen, ist rückwirkend zum Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen und es kommt damit doch noch zu einer Versteuerung der in den übertragenen Wirtschaftsgütern enthaltenen stillen Reserven.

Lösungsweg Realteilung

Dies führt die Betroffenen vielmals zu der Frage, ob eine Realteilung nach § 16 Abs. 3 EStG den gewollten Lösungsweg darstellt. Diese setzt nach Auffassung der Finanzverwaltung jedoch zwingend die Auflösung der bestehenden Gesellschaft voraus (vgl. sog. Realteilungserlass, BMF vom 28. Februar 2006 – IV B 2 – S 2242 – 6/06, d.h. die Gesellschaft musste ihren Betrieb aufgeben. Die steuerneutrale Realteilung fand nur dann die Zustimmung der Finanzverwaltung, wenn die Gesellschaft nach dem Ausscheiden eines Gesellschafters nicht mehr fortbesteht. Dies waren für die Betroffenen nicht selten Steine statt Brot.

Neuer (Königs-)Weg

Das Finanzgericht Hamburg (Urteil vom 18. April 2012, Az. 3 K 89/11) hatte sich dieser Problembaustelle angenommen und in einem Punkt, der letztendlich jedoch nicht entscheidungserheblich war, darauf hingewiesen, dass bei Auflösung einer zweigliedrigen Personengesellschaft, in deren Rahmen jeder ehemalige Gesellschafter einen Teilbetrieb erhält, die Anwendung der Realteilungsgrundsätze wegen der Beendigung der Gesellschaft einhellig anerkannt sei. Dasselbe müsse bei Ausscheiden aus einer mehrgliedrigen Personengesellschaft gegen Abfindung mit einem Teilbetrieb gelten, wenn die Personengesellschaft unter den übrigen Gesellschaftern fortgesetzt wird. Da das unternehmerische Engagement dann ebenso fortgeführt werde und die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt sei, sei die Behandlung als Realteilung auch ohne Beendigung der Gesellschaft insgesamt gerechtfertigt.

Diesem Ansatz ist der BFH nun gefolgt (Urteil vom 17. September 2015, Az. III R 49/13). Die gewinnneutrale Realteilung einer Personengesellschaft kann demnach auch beim Ausscheiden eines Gesellschafters vorliegen, wenn sie von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt wird. Das hat der BFH unter ausdrücklicher Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden und damit eine für die Betroffenen als Königsweg empfundene Lösung eröffnet.

Empfehlung

Veränderungen bei Personengesellschaften bedürfen in aller Regel keiner notariellen Beurkundung oder einer anderen besonderen Form. Dies führt häufig zu übereilten Gestaltungen der unmittelbar Beteiligen, deren steuerliche Folgen dann zu sehr erheblichen wirtschaftlichen Belastungen führen.

Es kann nur dringend geraten werden, das Ausscheiden von Gesellschaftern bei Personengesellschaften rechtzeitig so vorzubereiten, dass es nach der oftmals schweren Trennung zwischen den Gesellschaften im Nachgang keine für alle Beteiligen sehr unangenehme Folgeauseinandersetzungen mit dem Finanzamt gibt.


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