WISSENSWERTES | 14.03.2025

Klimaschutz in der Bauleitplanung – OVG Lüneburg, Urt. v. 02.10.2024 – 1 KN 34/23

 

Sachverhalt

 

Die Antragsteller, darunter ein anerkannter Umweltverband, wenden sich gegen einen Bebauungsplan „Gewerbe- und Surfpark Stade“, mit dem die Antragsgegnerin die Entwicklung eines Sondergebiets „Surfpark und freizeitbezogenes Gewerbe“ sowie eines Gewerbegebiets ermöglichen will. Das Plangebiet ist ca. 16,6 ha groß und liegt ca. 6 km südöstlich des Stadtzentrums. Anlass für die Planaufstellung war das Vorhaben eines privaten Investors, im südlichen Teil des Plangebiets einen sog. Surfpark zu errichten, d.h. eine Anlage mit einem künstlichen Wasserbecken unter freiem Himmel, in der mechanisch Wellen erzeugt werden, die das Erlernen und Ausüben des Surfsports ermöglichen. Die Antragsteller rügten verschiedene Rechtsverstöße, u.a. einen Verstoß gegen Ziele der Raumordnung (hier: Vorranggebiet industrielle Anlagen und Gewerbe) sowie Abwägungsfehler, namentlich Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes, und Verstöße gegen zwingendes Artenschutzrecht. Schließlich wurde geltend gemacht, der Belang des globalen Klimaschutzes sei fehlerhaft behandelt worden.

 

Belange des Klimaschutzes als Prüfgegenstand der Bauleitplanung

 

Diesen Fehler bestätigte das OVG Lüneburg indes nicht. Dabei stellt es klar, dass die Betrachtung an § 1 Abs. 5 Satz 2 und Abs. 6 Nr. 7 a) sowie § 1a Abs. 5 BauGB zu messen sei, nicht am allgemeinen Berücksichtigungsgebot des § 13 KSG. Die bauplanungsrechtlichen Vorgaben betreffen die Abwägung, stellen aber kein Optimierungsgebot auf. Demzufolge müssen Klimaschutzgesichtspunkte als ein zu berücksichtigender Belang unter vielen mit dem Gewicht, das ihnen zukommt, in die Abwägung einfließen, ohne dass diesen von vornherein ein Vorrang vor anderen Gesichtspunkten zukommt.

 

Begrenzt werden die Pflicht – und zugleich auch die Möglichkeiten – der planenden Gemeinde zur Berücksichtigung von Klimaschutzgesichtspunkten im Rahmen der Bauleitplanung dadurch, dass jede Bauleitplanung und jede damit verfolgte Maßnahme einen bodenrechtlichen Bezug aufweisen muss. Die Bauleitplanung ist also kein Instrument, das die Gemeinde berechtigt oder gar verpflichtet, eine allgemeine Klimaschutzpolitik ohne Rücksicht auf die kompetenziellen Grenzen des Bauplanungsrechts zu verfolgen. Bauleitplanerischer Klimaschutz muss sich daher auf die konkrete Art der Bodennutzung – insbesondere die Standortsteuerung und die Gestaltung baulicher Anlagen beziehen.

 

Ferner sind fachrechtliche Grenzen durch die planende Gemeinde zu beachten. Nimmt es das Fachrecht beispielsweise hin, dass weiterhin fossile Brennstoffe verwendet oder energieintensive Anlagen ohne Verpflichtung zur Nutzung regenerativer Energien errichtet werden, ist die Gemeinde nur in den Grenzen der Festsetzungsmöglichkeiten des § 9 BauGB berechtigt, aber keinesfalls verpflichtet, im Rahmen ihrer Bauleitplanung eine weitergehende Regulierung vorzunehmen.

 

Konkret bedeutet das, dass die Gemeinde unter dem Aspekt des Klimaschutzes die Planung hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf das Lokalklima, wie z.B. Kaltluftschneisen und Grüngürtel sowie ihrer Standortwahl untersuchen muss. Bei Letzterer können z.B. die Lage im Raum insbesondere mit Blick auf die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und die verkehrliche Anbindung, eine besondere Bodenbeschaffenheit etwa bei besonders kohlenstoffhaltigen Böden und die allgemeine Ressourcenverfügbarkeit relevant werden. Welcher Aufwand bezüglich der Ermittlung im Einzelfall zu betreiben ist, hängt insbesondere von der Art der konkreten Planung ab. Macht die planende Gemeinde im Rahmen der Innenentwicklung eine Brachfläche für den Wohnungsbau nutzbar, sind die Anforderungen geringer als z.B. bei der Standortentscheidung für die Errichtung einer energieintensiven Anlage im Außenbereich.

 

Aber auch im letztgenannten Fall können sich Art und Ausmaß der Ermittlungen darauf beschränken, die Auswirkungen der Planung auf den Klimaschutz verbal zu beschreiben. Eine zahlenmäßige Bilanzierung ist nicht gefordert und im Rahmen der Abwägung auch nicht mit einem nennenswerten Erkenntnisgewinn verbunden. Denn es bestehen vielfach weder praktikable Vergleichsgrößen noch eine Pflicht der Gemeinde, jenseits der fachrechtlichen Vorgaben auf die mit Blick auf den Klimaschutz beste verfügbare Technik hinzuwirken. Zu einem Vergleich eignen sich insbesondere die nationalen Klimaschutzziele bzw. die Sektorziele der §§ 3, 3a KSG nicht, da sich im Vergleich zu ihnen die klimatischen Folgen nahezu jeder Planung als marginal darstellen. Dieses Problem stellt sich im Übrigen spiegelbildlich in fachrechtlichen Zulassungsverfahren am Maßstab des § 13 KSG.

 

Erforderlich aber auch ausreichend ist eine verbal-argumentative Auseinandersetzung und – bei voraussichtlich negativer Klimabilanz – die Vornahme von Festsetzungen, wie etwa geringer Versiegelungsgrad in den festgesetzten Gebieten, Dachbegrünungen, Zulässigkeit von Solarenergie sowie ergänzend Festlegungen in städtebaulichen Verträgen (z.B. Vorgabe zum Bezug von Energie aus erneuerbaren Quellen; ÖPNV Anbindung). Schlussendlich – das betont das OVG – ist auch das Zurückstellen des Belangs Klimaschutz im Ergebnis selbst bei negativer Klimabilanz abwägungsfehlerfrei.

 

Bewertung

 

Die Entscheidung zeigt die Bedeutung, die Themen wie der Klimaschutz in der Bauleitplanung der Kommunen mittlerweile gewonnen haben. Anders als in fachrechtlichen Zulassungsverfahren, wo man mit der überaus unbestimmten Regelung des § 13 KSG zu hantieren versucht, besitzt das BauGB etwas konkretere Vorgaben für die Bauleitplanung. Das OVG Lüneburg betont aber zutreffend, dass diese die grundsätzlich offene planerische Abwägung nicht beschränken, sondern der Belang des Klimaschutzes als ein Belang von vielen natürlich ermittelt, eingestellt und bewertet werden muss. Er kann aber im Ergebnis rechtsfehlerfrei zurückgestellt werden, selbst wenn es, wie im entschiedenen Fall, nur um freizeitbezogene Anlagen geht.

 

Den Kommunen kommt dabei zugute, dass die bauplanungsrechtlichen Regelungen keine Quantifizierung der Wirkungen der Planung oder der auf deren Basis umzusetzenden Vorhaben erfordern. Damit bedarf es auch nicht der Suche nach geeigneten Vergleichsmaßstäben – die im Übrigen auch im Klimaschutzgesetz gar nicht vorhanden sind.


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