WISSENSWERTES | 29.05.2017

Irreführende Internetwerbung durch fiktive Standortdaten

Dass es einen Verstoß gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot darstellen kann, wenn ein Unternehmen auf einem Internetportal mit Standorten wirbt, an denen es keine Niederlassungen betreibt, ist keine überragend neue Erkenntnis. Rechtlich problematischer erscheint es allerdings, wenn die in Rede stehenden Informationen beispielsweise auf Webseiten Dritter veröffentlicht sind. In einer nun bekannt gewordenen Entscheidung vom 23. Dezember 2016 hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln (Az.: 6 U 119/16) entschieden, dass ein Unternehmer zwar nicht den (negativen und in der Praxis mit erheblichen Schwierigkeiten belasteten) Beweis dahingehend erbringen muss, dass er die falschen Informationen auf Webseiten eines Dritten nicht veranlasst hat. Gleichwohl könne sich aber eine Zurechnung und damit eine rechtliche Verantwortung des Unternehmers aus der Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls ergeben.

Unrichtige Standortwerbung

In dem zugrunde liegenden Verfahren nahm ein klagender Wettbewerbsverband die auf dem Gebiet der Schädlingsbekämpfung tätige Beklagte auf Unterlassung unrichtiger Standortwerbung im Internetportal der Gelben Seiten in Anspruch. Im Eintrag der Beklagten waren mehrere Standorte hinterlegt, an denen sie jedoch keine Niederlassungen unterhielt. Im Vorfeld des Gerichtsverfahrens wurde die Beklagte gar von der Stadt Ennigerloh darauf hingewiesen, dass sie mit einer lokal nicht existierenden Adresse werben würde. Zwei Monate später beauftragte die Beklagte den Verlag Gelbe Seiten, die Einträge zu den Adressen der nicht existenten Niederlassungen zu löschen. Im August 2015 mahnte der klagende Wettbewerbsverband die Beklagte ab und forderte diese zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf, was die Beklagte mit der Begründung ablehnte, dass sie die betreffenden Adressen nicht selbst bei den Gelben Seiten ins Netz gestellt habe und sich letztlich gar dazu veranlasst sah, die hinter den Gelben Seiten stehenden Verlage darüber zu unterrichten, überhaupt keine Adressen mehr in Verbindung mit ihrem Unternehmen zu verwenden. Der Kläger ging davon aus, dass die Beklagte, die auf ihrer eigenen Webpräsenz mit den (fiktiven) Standorten warb, die Einträge im Internetportal der Gelben Seiten selbst veranlasst hätte. Hiergegen hat die Beklagte im laufenden Rechtsstreit eingewandt, dass weder sie noch einer ihrer Angestellten diese Einträge in irgendeiner Art und Weise zurechenbar veranlasst hätten.

Fiktive Standortadressen sind unwahre Angaben

Wie bereits zuvor das Landgericht Köln mit Urteil vom 28. Juni 2016 (Az.: 33 O 208/15) bestätigt auch das OLG Köln, dass die Werbung mit fiktiven Niederlassungen lauterkeitsrechtlich gemäß §§ 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; 3 Abs. 1 UWG unzulässig ist. Denn – so die einhellige Begründung – die Adressaten nähmen nicht zu Unrecht an, dass der Werbende an den beworbenen Adressen tatsächlich Niederlassungen unterhält. Zumindest ein Verbraucher wird gegebenenfalls eine Dienstleistung bevorzugen, die sich unter anderem durch Ortsnähe auszeichnet.

Zurechnung von Informationen auf Portalen Dritter

Bemerkenswert ist die Entscheidung des OLG Köln insbesondere deshalb, weil die inhaltlich fehlerhaften Angaben auf dem Internetportal der Gelben Seiten letztlich der Beklagten als geschäftliche Handlung zugerechnet worden sind. Anders als erstinstanzlich noch das Landgericht geht das OLG Köln zwar nicht davon aus, dass die Beklagte beweisen müsse, die irreführenden Standortangaben nicht veranlasst zu haben. Auch habe der Kläger im Verfahren nicht zweifelsfrei nachgewiesen, dass die streitgegenständlichen Standortangaben – in welcher Form auch immer – von der Beklagten bei den Gelben Seiten beauftragt worden sind. Gleichwohl geht das Gericht unter Würdigung der Umstände des Einzelfalls – insbesondere der übrigen Webpräsenz der Beklagten, die auch anderenorts mit den fiktiven Standorten warb – davon aus, dass die Beklagte die fehlerhaften Angaben letztlich veranlasst habe, diese ihr also lauterkeitsrechtlich zurechenbar sind.

Handlungsempfehlungen für die Praxis

Zu begrüßen ist zunächst, dass das OLG Köln im vorliegenden Fall keine Beweislastumkehr konstruiert hat, wonach ein beklagter Mitbewerber negativ beweisen müsste, dass fehlerhafte Informationen auf Portalen Dritter nicht von ihm stammen. Der vom Berufungsgericht gewählte Lösungsweg ist pragmatisch und belastet den Wettbewerb nicht über Gebühr. Wer durch im Kern gleichartiges lauterkeitsrechtliches Fehlverhalten in Erscheinung tritt, legt sich selbst im Verletzungsverfahren im Rahmen der notwendigen Gesamtabwägung einen vermeidbaren Begründungsaufwand auf.

Hier gilt es in der Praxis Haftungsrisiken zu minimieren. Wer als Unternehmen oder Privatperson aufgrund vermeintlich fehlerhafter Informationen auf Internetportalen Dritter abgemahnt wird, sollte umgehend zu ergründen versuchen, wo diese Informationen ihren Ursprung haben und inwieweit deren Veröffentlichung möglicherweise (zurechenbar) auf den Abgemahnten selbst zurückzuführen ist. Sieht dieser sich nach eingehender Prüfung zu Löschungsanträgen veranlasst, sollten diese sowie der weitere Verlauf des „Löschungsverfahrens“ lückenlos dokumentiert werden.


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