WISSENSWERTES | 11.10.2018

Haftungsrisiken von Bauträgern wegen unwirksamer Abnahmeklauseln

 
Zwei jüngere Entscheidungen des Oberlandesgerichts München (OLG München) vom 24. April 2018, Az. 28 U 3042/17 und des Oberlandesgerichts Karlsruhe (OLG Karlsruhe) vom 10. April 2018, Az. 8 U 19/14 (bislang nur kostenpflichtig veröffentlicht), führten den betroffenen Bauträgern auf schmerzhafte Art und Weise das Risiko vor Augen, das mit unwirksamen Abnahmeklauseln verbunden ist.
 

Problemaufriss

In beiden entschiedenen Fällen verfolgte eine Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) erfolgreich Ansprüche wegen Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegen den Verkäufer von Wohneigentum.

Die Besonderheit beider Fälle bestand darin, dass die Abnahmen des Gemeinschaftseigentums bereits im Jahr 2003 und 2004 (OLG München) bzw. in den Jahren 2000 und 2002 (OLG Karlsruhe) stattgefunden haben. Beide Bauträger waren mit ihrem Argument, die Ansprüche seien deshalb verjährt oder durch Zeitablauf verwirkt, nicht erfolgreich.

Das OLG München sowie das OLG Karlsruhe stellten stattdessen fest, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht verjährt sind. Die 5-jährige Verjährungsfrist des § 634a Abs. 1 Nr. 2 BGB beginne mit der Abnahme der Leistung. In beiden Fällen liege aber keine wirksame Abnahme des Gemeinschaftseigentums vor.
 

Abnahme durch nicht neutralen Verwalter problematisch

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat bereits seit längerem höchstrichterlich entschieden, dass Abnahmen durch den Bauträger selbst als Erstverwalter sowie dies regelnde Vertragsklauseln unwirksam sind (BGH, Urteil vom 30. Juni 2016, Az. VII ZR 188/13).

Das OLG München und das OLG Karlsruhe haben nun auf dieser Linie entschieden, dass eine Vertragsklausel einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle auch dann nicht standhält, wenn die Abnahme des Gemeinschaftseigentums durch einen mit einem Bauträger wirtschaftlich oder rechtlich verbundenen Erstverwalter geregelt ist. Eine Klausel ist danach auch dann unwirksam, wenn die Abnahme durch einen vom Bauträger selbst oder durch einen solchen Erstverwalter beauftragten Sachverständigen erfolgen soll. Derartige Klauseln benachteiligen den Käufer unangemessen, weil sie die Gefahr in sich bergen, dass ein solcher Verwalter oder Sachverständiger die Voraussetzungen der Abnahmefähigkeit des Gemeinschaftseigentums nicht neutral prüft, sondern zugunsten des Bauträgers verfährt, wodurch dieser entscheidenden Einfluss auf die Abnahme nehmen könnte.
 

Keine konkludente Abnahme bei unwirksamer Abnahmeklausel

In der überwiegenden Anzahl der Fälle verbietet sich dann auch die Annahme einer Abnahme durch schlüssiges Verhalten – meist schon deshalb, weil der verwendete Bauträgervertrag die Durchführung einer förmlichen Abnahme vorschreibt. Eine konkludente Abnahme kommt in solchen Fällen nur dann in Betracht, wenn die Vertragspartner auf die Durchführung einer förmlichen Abnahme nachträglich bewusst verzichtet haben. Da förmliche Abnahmen in den beiden vom OLG München und vom OLG Karlsruhe entschiedenen Fällen tatsächlich stattgefunden haben, konnte ein solcher Verzicht der Parteien nicht festgestellt werden.

Das OLG Karlsruhe stellte darüber hinaus klar, dass den Erwerbern bei ihrem Verhalten, welches ggf. in anderen Konstellationen als Billigung des Werkes und mithin als konkludente Abnahme angesehen werden könnte – etwa die Ingebrauchnahme und anschließende langjährige Nutzung des Gemeinschaftseigentums durch die Erwerber – wegen der irrigen Vorstellung, das Werk sei bereits (wirksam) abgenommen, das notwendige Erklärungsbewusstsein für eine Abnahme gefehlt haben dürfte.
 

Keine Verwirkung durch langen Zeitabstand

Die Mängelansprüche sind nach Auffassung des OLG München auch nicht verwirkt. Ein Recht kann verwirkt werden, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf eingerichtet hat und sich auch darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde. Nach Auffassung des OLG München muss derjenige Bauträger, der die Unwirksamkeit der Abnahme als Verwender der unwirksamen Abnahmeklausel selbst zu vertreten hat, damit rechnen, dass die Erwerber hiervon Rechtskenntnis erlangen und etwaige Gewährleistungsansprüche auch noch nach Ablauf der im Falle einer rechtswirksamen Abnahme maßgeblichen Verjährungsfrist von 5 Jahren geltend macht.
 

Praxishinweis

Liegen nicht besondere Umstände vor, die auch ohne Abnahme den Verjährungsbeginn begründen, können Bauträger auch viele Jahre nach Fertigstellung der Gesamtanlage noch teuren Gewährleistungsansprüchen ausgesetzt sein. Da zu diesem Zeitpunkt die Gewährleistungsfristen der ausführenden Handwerker möglicherweise bereits verstrichen sind, laufen Bauträger somit Gefahr, die Mangelbeseitigungsansprüche der Erwerber oder der Wohnungseigentümergemeinschaft aus der eigenen Tasche finanzieren zu müssen.

Unser Bau- und Immobilienrechtsteam unterstützt Sie gern dabei, einen Haftungstatbestand abzuwehren oder berät Sie darüber, wie Sie dieses Haftungsrisiko schon bei der Erstellung Ihrer Verträge vermeiden können.


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