WISSENSWERTES | 23.05.2016

Gebietsreform in Thüringen – Aktuelle Entwicklungen

Am 12. April 2016 hat das Kabinett einen ersten Entwurf des Vorschaltgesetzes zur Durchführung der kommunalen Gebietsreform in Thüringen (ThürVGR) beschlossen. Nachfolgend sollen, basierend auf dem gesetzlichen Ausgangszustand, die angestrebten Änderungen der Strukturen kommunaler Gebietskörperschaften aufgezeigt werden.

Ausgangszustand

Aktuell existieren im Freistaat Thüringen 17 Landkreise, 6 kreisfreie Städte und 843 kreisangehörige Gemeinden. Davon haben bereits jetzt 354 Gemeinden weniger als 500 Einwohner. Hinzu tritt das Phänomen, dass die Größe der Landkreise in Thüringen sehr unterschiedlich ist: So zählt beispielsweise der größte Landkreis Gotha 135.381 Einwohner, während der kleinste Landkreis Sonneberg nur 56.809 Einwohner zu verzeichnen hat. Zudem unterliegt die Bevölkerungsdichte in den einzelnen Landkreisen starken Schwankungen: So weist der Landkreis Altenburger Land 163 Einwohner pro Quadratkilometer auf, während es im Landkreis Hildburghausen lediglich 69 Einwohner pro Quadratkilometer sind.

Die Thüringer Kommunalordnung (ThürKO) kennt derzeit folgende Gemeindearten: § 6 Abs. 1 ThürKO nennt die kreisangehörigen Gemeinden sowie kreisfreien Städte und § 6 Abs. 5 ThürKO führt als weitere Gemeindeart die Landgemeinden mit einer Mindestgröße von 3.000 Einwohnern auf. Eine Mindesteinwohnerzahl für kreisfreie Städte fehlt. Nach § 46 Abs. 2 ThürKO müssen Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern ausnahmslos einer Verwaltungsgemeinschaft angehören oder einer benachbarten Gemeinde gemäß § 51 ThürKO zugeordnet sein. Zu beachten gilt es dabei, dass die Verwaltungsgemeinschaft selbst keine Gebietskörperschaft, sondern lediglich Körperschaft öffentlichen Rechts mit Dienstherrenfähigkeit in Bezug auf die Beamten ist, § 46 Abs. 2 ThürKO.  Zur Auflösung von Verwaltungsgemeinschaften ist bislang die doppelte Mehrheit der Beschlussfassung notwendig, § 46 Abs. 1 ThürKO.

Die derzeitige Rechtsstellung der Landkreise ist in den §§ 86 ff. ThürKO normiert.

Festzustellen ist, dass aktuell keine Vorgaben für eine Mindesteinwohnerzahl auf die Landkreisebene existiert.

Ziele der Gebietsreform

Auffällig ist bei den in § 1 ThürVGR normierten Zielen, dass lediglich die Schaffung leistungs- und verwaltungsstarker Gebietskörperschaften, die fundamentale Rolle der Gebietskörperschaften für die demokratische Mitwirkung der Bürgerinnen und Bürger sowie die Stärkung der zentralörtlichen Strukturen genannt werden. Die Bedeutung des ländlichen Raums wird hingegen vollkommen außen vor gelassen. Hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzentwurf bis zur zweiten Beratung im Thüringer Landtag Ende Juni 2016 noch einmal nachgebessert wird.

Aus den geplantenRegelungen des ThürVGR ergibt sich, dass ein zweistufiges Vorgehen im Rahmen der Kommunalgebietsreform geplant ist: Erst soll die gesetzliche Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte erfolgen, danach ein Gesetz zur zwangsweisen Neugliederung der kreisangehörigen Gemeinden ergehen.

Landkreise und kreisfreie Städte

Die Neugliederungsmaßnahmen auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte sind in den §§ 2, 3 ThürVGR normiert. Dort ist nunmehr eine Mindestgröße von 130.000 bis 250.000 Einwohner und eine Fläche von maximal 3.000 Quadratkilometer für die Landkreise vorgesehen. Die Bildung der neuen Landkreise soll durch Zusammenschluss der bestehenden Landkreise erfolgen. Die neuen jeweiligen Gebiete werden sodann durch Gesetz festgelegt.

Für die kreisfreien Städte wird eine Mindesteinwohnerzahl von 100.000 festgelegt. Eine Eingliederung von Umlandgemeinden in kreisfreie Städte ist möglich. Bei Verlust der Kreisfreiheit soll eine vollständige Zuordnung zu jeweils einem angrenzenden Landkreis erfolgen. Diese Eingliederung wird dann ebenfalls durch ein weiteres Gesetz geregelt. Diejenigen Städte, die ihre Kreisfreiheit verlieren – derzeit wären Eisenach, Gera, Suhl und Weimar betroffen – können weiterhin einen Antrag auf Verleihung des Status „Große kreisangehörige Stadt“ stellen. Die Übertragung zusätzlicher Aufgaben an diese Städte erfolgt ebenfalls nach entsprechender Antragstellung und Prüfung.

Kreisangehörige Gemeinden

Die kommunalen Neugliederungen auf freiwilliger Grundlage, entsprechend den Vorgaben des Leitbildes bzw. des Vorschaltgesetzes genießen hier weiterhin Vorrang. Hierzu legt § 6 Abs. 2 ThürVGR eine Freiwilligkeitsphase bis zum 31. Oktober 2017 fest. Bis dahin hat die Antragstellung auf Bildung von freiwilligen Gemeindestrukturen beim zuständigen Ministerium zu erfolgen.

Für kreisangehörige Gemeinden wird eine Mindesteinwohnerzahl von 6.000 festgelegt. Hierbei liegt der Fokus auf der Bildung von Einheits- oder Landgemeinden. Die Bildung von Verwaltungsgemeinschaften sowie die Übertragung von Aufgaben nach § 51 ThürKO sind dann ausgeschlossen. Dann noch bestehende Verwaltungsgemeinschaften werden durch ein weiteres Gesetz aufgelöst, § 4 Abs. 2 S. 2 ThürVGR.

Die Neustrukturierung selbst soll entweder durch Zusammenschluss ehemals selbstständiger Gemeinden oder Eingliederung ehemals selbständiger Gemeinden in benachbarte Gemeinden erfolgen, wobei vorrangig ein Zusammenschluss bzw. eine Eingliederung von Gemeinden desselben Landkreises erfolgen soll. Landkreisgrenzüberschreitende Gemeindefusionen sind jedoch möglich, sofern diese der Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte nicht entgegenstehen. Die Neugliederung der kreisangehörigen Gemeinden soll entweder zeitgleich mit oder nach der Neugliederung der Landkreise und kreisfreien Städte erfolgen und auch hierzu ist der Erlass eines weiteren Gesetzes geplant. Darüber hinaus soll jede neu gegliederte Gemeinde so strukturiert sein, dass sie die raumordnerische Funktion eines Zentralen Ortes übernehmen kann.

Außerdem sind die §§ 45, 45 a ThürKO neu geordnet und hinsichtlich der Entscheidungsrechte der Organe von Ortsteilen marginal und § 45a ThürKO bzgl. der Vorschlagsrechte der Organe von Ortschaften etwas erweitert worden.

Nach dem derzeitigen Gesetzentwurf ist bei Gemeindezusammenschlüssen die Kombination von Ortsteilen und Ortschaften nicht ausgeschlossen.

Fazit

Als erstes Resümee der beabsichtigten Regelungen des ThürVGR kann festgehalten werden, dass sowohl das Verfahren in Bezug auf die geplante Gebietsreform, bis auf die Nichterwähnung des ländlichen Raums, als auch die gewählten Mindestgrößen sich innerhalb des durch obergerichtliche Rechtsprechung bestätigten Rahmens befinden, der durch vergangene Gebietsreformen in anderen Bundesländern (z.B. Rheinland-Pfalz, Niedersachsen oder auch Sachsen-Anhalt) vorgezeichnet worden ist.

Ob und in welcher endgültigen Form das ThürVGR Ende Juni verabschiedet wird und wie die einzelnen Umsetzungsgesetze konkret ausgestaltet werden, bleibt noch abzuwarten.


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