WISSENSWERTES | 13.02.2024

Fünftes Gesetz zur Änderung des Verwaltungs­verfahrensgesetzes – Digitalisierung, aber nur halb

 

Am 4. Dezember 2023 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrats das Fünfte Gesetz zur Änderung des Verwaltungsverfahrensgesetzes beschlossen. Dieses überführt einige zentrale Regelungen des Planungssicherstellungsgesetzes (PlanSiG), das vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie entstand, dauerhaft in das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) des Bundes. Da nicht alle Bundesländer mit Verweisungsregelungen auf das VwVfG des Bundes arbeiten und den Ländern eine Anpassung ihrer Verwaltungsverfahrensgesetze bis zum 1. Januar 2024 nicht möglich war, wurde parallel die Geltungsdauer des Planungssicherstellungs­gesetzes verlängert. Der Bund geht damit einen weiteren Schritt in Richtung Digitalisierung. Schaut man sich die Regelungen im Verwaltungsverfahrensrecht an, stellt man jedoch fest, dass dieser Schritt nur halbherzig gegangen wurde.

 

Neben der Möglichkeit der elektronischen Übermittlung von Erklärungen an Behörden in § 3a VwVfG werden die nach dem Planungssicherstellungsgesetz etablierten Möglichkeiten der digitalen Bekanntmachung, der digitalen Auslegung und der digitalen Erörterung in das VwVfG des Bundes integriert. Hierbei ist aber festzuhalten, dass eine weitgehende Zweigleisigkeit – Papier und elektronische Form – vorherrscht. § 27a VwVfG legt fest, dass bei gesetzlich angeordneter öffentlicher oder ortsüblicher Bekanntmachung diese dadurch zu bewirken ist, dass der Inhalt der Bekanntmachung auch auf einer Internetseite der Behörde oder ihres Verwaltungsträgers zugänglich gemacht wird. Daneben weiterhin erforderlich ist die Bekanntmachung in der analogen Form, wobei hierdurch die Verwaltungs­tätigkeit nicht effizienter gestaltet werden wird und mit Blick auf mögliche Inkongruenzen der Bekanntmachungstexte potentielle Fehlerquellen geschaffen werden.

 

§ 27b VwVfG betrifft die Auslegung von Dokumenten zur Einsichtnahme und legt fest, dass diese neben der Zugänglichmachung auf der Internetseite einer Behörde auch auf mindestens eine andere Weise erfolgen muss. Hier gilt das Vorstehende entsprechend. Insoweit enthält die Regelung einen Rückschritt gegenüber dem Planungssicherstellungsgesetz, welches die Veröffentlichung im Internet als alleinig maßgeblich vorgesehen hatte und die körperliche Auslegung lediglich als zusätz­liches, aber nicht zwingendes Informationsangebot vorsah. Auch insoweit bleibt also eine Doppelbelastung der Verwaltung. Diese hätte sich in Anlehnung an die Regelung des Planungssicherstellungsgesetzes auflösen lassen, wenn man bei Fällen, in denen eine digitale Zugangsmöglichkeit nicht besteht, eine Kompensation durch öffentlich zugängliche Lesegeräte vorgesehen hätte.

 

Zu begrüßen ist § 27c VwVfG, der anordnet, dass ein Erörterungstermin, eine mündliche Verhandlung oder Antragskonferenz durch eine Online-Konsultation oder unter der Voraussetzung der Einwilligung der zur Teilnahme Berechtigten durch eine Video- oder Telefonkonferenz ersetzt werden kann. Damit wird ein im Rahmen des Planungssicherstellungsgesetzes etabliertes und von den meisten Stakeholdern auch akzeptiertes Verfahrensinstrument nun allgemein implemen­tiert. Vor Beginn der Online-Konsultation ist den zur Teilnahme Berechtigten innerhalb einer vorher bekanntzumachenden Frist Gelegenheit zu geben, sich schriftlich oder elektronisch zu äußern. Zu begrüßen ist dabei auch die Klarstellung, dass die Äußerungsfrist mindestens eine Woche betragen soll. Hier war bislang nach den Vorgaben des Planungssicherstellungsgesetzes nicht geklärt, wie lang die „angemessene Frist“ nach § 5 Abs. 4 PlanSiG zu bemessen ist. So hatte man sich in der Praxis häufig an den Auslegungs- und Äußerungsfristen nach § 73 Abs. 3 und 4 VwVfG orientiert, wenngleich in der Rechtsprechung auch kürzere Fristen als zulässig angesehen wurden. Diese Unsicherheit wird durch die jetzige Regelung beseitigt.

 

Zusammengefasst bleibt der Befund, dass das Änderungsgesetz die Digitalisierung von Verwaltungsverfahren einen Schritt nach vorn bringt. Dieser Schritt ist aber leider auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensrechts beschränkt. Die Verfahren im Bereich des Sozialrechts oder der Finanzverwaltung werden nicht erfasst. Hier wäre im Sinne einer Gesamtlösung und Vereinheitlichung eine übergreifende Regelung wünschenswert gewesen. Auch mit Blick auf die Anpassungserfordernisse im Bereich der Länder wäre es vorteilhafter gewesen, zunächst das Planungssicherstellungsgesetz zu verlängern und sodann eine umfassende Integration der Vorschriften in die Vorgaben zur Regelung öffentlich-rechtlicher Verwaltungsverfahren vorzunehmen.


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