WISSENSWERTES | 04.12.2023
EU Critical Raw Materials Act – Vorfahrt für strategisch wichtige Rohstoffe?
Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von mineralischen Rohstoffen, die in anderen Staaten gewonnen werden, ist nicht erst seit dem Ukraine-Krieg präsent. Schon vorher stellte sich die Frage, wie sehr die EU und ihre Mitgliedstaaten auf Rohstoffe aus autokratischen Regimen wie etwa China setzen wollen. Diese Realitäten greift nun die beabsichtigte Verordnung zur Schaffung eines Rahmens zur Gewährleistung einer sicheren und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen auf und versucht eine stärkere Fokussierung auf eigene Rohstoffquellen der EU vorzunehmen.
Das betrifft nicht zuletzt die für die sog. Energiewende erforderlichen Rohstoffe. Angesichts der weltweiten Umstellung auf erneuerbare Energien sowie der Digitalisierung der Volkswirtschaften und Gesellschaften dürfte die Nachfrage nach kritischen Rohstoffen aus Sicht der EU in den kommenden Jahrzehnten deutlich steigen. Beispielsweise soll die weltweite Nachfrage nach Lithium, das für die Herstellung von Batterien für Mobilität und Energiespeicherung verwendet wird, bis 2050 um das 89-Fache (!) steigen. Die EU-Nachfrage nach seltenen Erden, aus denen Dauermagnete für Windturbinen oder Elektrofahrzeuge hergestellt werden, werde bis 2050 voraussichtlich um das Sechs- bis Siebenfache steigen. Die Nachfrage in der EU nach Gallium, das zur Herstellung von Halbleitern verwendet wird, solle bis 2050 um das 17-Fache steigen. Diese Beispiele zeigen die zunehmende wirtschaftliche Relevanz der Gewinnung heimischer Rohstoffe – eine Erkenntnis, zu der auch die Bundesregierung in diesem Jahr bereits kam. Wie also lässt sich eine stabile Rohstoffversorgung der EU ohne die bisherigen Abhängigkeiten gewährleisten?
Die Antworten des Critical Raw Materials Act sind denkbar einfache Zielvorgaben: Bis 2030 sollen mindestens 10 % des Jahresverbrauchs an strategischen Rohstoffen durch Gewinnungskapazitäten innerhalb der EU abgedeckt werden. Mindestens 40 % des jährlichen Verbrauchs soll die heimische Verarbeitung gewährleisten. Das Recycling soll mindestens 15 % des jährlichen Verbrauchs ausmachen. Zudem sollen nicht mehr als 65 % des Jahresverbrauchs an jedem strategischen Rohstoff auf jeder relevanten Verarbeitungsstufe nur aus einem einzigen Drittland stammen (siehe Art. 1 Abs. 2 des Entwurfs).
Ob diese Zielsetzungen in dem kurzen Zeitkorridor bis 2030 erfüllt werden können, ist fraglich. Voraussetzung, um von den Vorrangregelungen der Verordnung zu profitieren, ist die Einordnung als strategisches Projekt nach den Kriterien des Art. 5 des Entwurfs, was einen entsprechenden Antrag des Vorhabenträgers voraussetzt. Liegt dies vor, sind Besonderheiten für die Genehmigung solcher Projekte vorgesehen.
Nicht klar ist hierbei der Unterschied in der Handhabung kritischer und strategischer Rohstoffe.
Rohstoffgewinnung als überwiegendes öffentliches Interesse
Nach Art. 7 Abs. 1 des Verordnungsentwurfs wird davon ausgegangen, dass strategische Projekte einen Beitrag zur Sicherung der Versorgung mit strategischen Rohstoffen in der Union leisten.
Wichtig für die Zulassungsfähigkeit ist dies im Zusammenhang mit den Wertungen im Bereich von „Ausnahmetatbeständen“ etwa nach der Wasserrahmenrichtlinie oder FFH-Richtlinie. In diesem Kontext gelten strategische Projekte als Projekte von öffentlichem Interesse oder dienen der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit und können als Projekte mit überwiegendem öffentlichen Interesse angesehen werden, sofern alle in diesen Richtlinien festgelegten Bedingungen erfüllt sind. Mit anderen Worten wird hier eine gesetzliche Gemeinwohlbestimmung vorgenommen, die gleichzeitig mit einem überwiegenden Gewicht in den betreffenden Abwägungsfragen verbunden ist.
Verfahrensrechtliche Anforderungen
Der Mitgliedstaat, dessen Hoheitsgebiet von einem strategischen Projekt betroffen ist, ergreift Maßnahmen, um zu dessen fristgerechter und wirksamer Durchführung beizutragen. Was diese Klausel beinhalten soll, bleibt auch noch unklar. Konkretisierung dazu bieten möglicherweise Artikel 8 und 9 des Entwurfs: Artikel 8 verlangt von den Mitgliedsstaaten, dass diese eine einheitliche Stelle benennen, die für die Vereinfachung und Koordinierung des Genehmigungsverfahrens für Projekte im Zusammenhang mit kritischen Rohstoffen zuständig ist. Diese Zuständigkeiten können freilich delegiert werden. Angesprochen sind damit im nationalen Kontext die Bergbehörden der Bundesländer, die für die Führung der entsprechenden Genehmigungsverfahren zuständig sind.
Spannend wird die Umsetzung der Forderung nach einem gebündelten Genehmigungsverfahren. So erfolgt eine Verfahrenskonzentration nach geltender Gesetzeslage nur bei der bergrechtlichen Planfeststellung. Denkbar sind aber gerade beim untertägigen Bergbau Fälle, in denen eine solche mangels UVP-Pflicht nicht stattfindet. Dann wäre das Verfahren über einen fakultativen Rahmenbetriebsplan zu führen, welches aber de lege lata keine Konzentrationswirkung entfaltet. Hier müsste der Gesetzgeber des BBergG folglich Anpassungen vornehmen.
Die zuständige nationale Behörde berücksichtigt nach Art. 7 Abs. 3 des Entwurfs alle für ein bestimmtes Projekt im Zusammenhang mit kritischen Rohstoffen durchgeführten gültigen Studien und erteilten Genehmigungen oder Zulassungen, bevor das Projekt in das Genehmigungsverfahren eintritt und verlangt keine doppelten Studien und Genehmigungen oder Zulassungen, es sei denn, das Unionsrecht schreibt etwas anderes vor. Dieser hehre Grundsatz dürfte in seiner praktischen Wirkung verpuffen. Die anvisierte Abschichtungswirkung, etwa aufgrund von Umweltprüfungen auf Planungsebene, wird regelmäßig aufgrund der Grobmaßstäblichkeit der Prüfung auf vorgelagerten Ebenen (etwa Raumordnung) kaum verwertbare Ergebnisse für das zentrale Genehmigungsverfahren beinhalten.
Ausreichende behördliche Ressourcen und enge Fristen
Die Mitgliedstaaten stellen nach Art. 7 Abs. 4 sicher, dass die zuständige nationale Behörde über ausreichend qualifiziertes Personal und ausreichende finanzielle, technische und technologische Ressourcen verfügt, auch für die berufliche Weiterbildung und Neuqualifizierung, damit sie ihre Aufgaben im Rahmen der Verordnung wirksam wahrnehmen kann. Auch das ist eine nette Programmaussage, deren Umsetzung im Mitgliedsstaat allerdings heftige Diskussionen auslösen wird. Denn die Bergbehörden der Länder verfügen zwar über qualifiziertes Personal, allerdings häufig nicht in ausreichender Zahl und mit dem erforderlichen technischen Background zur effektiven Verfahrensführung. Sicher kann das Modell des Verwaltungshelfers nach § 54 Abs. 3 BBergG hier punktuelle Entlastung schaffen. Indes muss dieses Modell aufgrund der Komplexität und Schwierigkeit der Verfahren schon derzeit bei den „alltäglichen“ Verfahren etwa im Bereich der Gesteinsgewinnung angewendet werden.
Flankiert werden diese inhaltlichen Anforderungen mit strikten Verfahrensfristen von 24 Monaten für strategische Projekte im Bereich der Rohstoffgewinnung (Art. 10 des Entwurfs). Hält man sich die derzeitigen Verfahrenslaufzeiten bei vergleichbaren Vorhaben vor Augen (häufig um die 5 Jahre) verdeutlicht dies die enorme Kraftanstrengung, die notwendig sein wird, will man diese Zielsetzung ernst nehmen. Ist ein strategisches Projekt UVP-pflichtig, so ordnet Art. 11 Abs. 1 des Entwurfs insbesondere Fristen für behördliche Stellungnahmen zum Untersuchungsrahmen an und sieht Abs. 2 eine Koordination mit einschlägigen Fachprüfungen (etwa WRRL oder FFH-RL) an. Letzteres ist durch das UVPG des Bundes bereits weitgehend gewährleistet.
Die Mitgliedstaaten stellen schließlich nach Art. 12 sicher, dass die nationalen, regionalen und lokalen Behörden, die für die Ausarbeitung der Pläne, einschließlich der Flächenwidmungs-, Raumordnungs- und Landnutzungspläne, zuständig sind, ggf. Bestimmungen für die Entwicklung von Projekten im Zusammenhang mit kritischen Rohstoffen in diese Pläne aufnehmen. Das wird insbesondere auf Ebene der Raumordnung nicht gerade Begeisterungsstürme hervorrufen, da man hier scheinbar eher der Auffassung ist, dass zumindest die untertägige Rohstoffgewinnung nicht zwingend regelungsbedürftig ist und generell die Bereitschaft zu einer entsprechenden Standortpolitik aufgrund der kommunalen Verfasstheit der Planungsverbände in vielen Bundesländern nach dem Motto „not in my backyard“ als eher gering einzuschätzen ist.
Fazit und Kritik
Alles in allem bleibt ein Entwurf mit hohen Zielsetzungen, die in wesentlichen Teilen aber ohne konkretes Umsetzungsinstrumentarium bleiben. Das Gelingen wird in die Hände der Mitgliedstaaten gelegt. Unklar ist auch das Verhältnis zwischen der Handhabung strategischer Projekte/Rohstoffe und kritischer Rohstoffe. Zu hinterfragen sind außerdem die strikten Recyclingquoten und das relativ statische System der Klassifizierung kritischer und strategischer Rohstoffe. Mit Blick auf die sich verändernden Rahmenbedingungen des Marktes dürfte hier größere Flexibilität notwendig sein oder bedürfte es einer Erweiterung des Kreises der geschützten Rohstoffe. Um eine echte Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren zu bewirken, wäre eine Modifizierung des bergrechtlichen Zulassungssystems mit dem Grundsatz einer bergrechtlichen Planfeststellung, nur mit allen Vorteilen einer Planfeststellung in sonstigen Bereichen (insb. enteignungsrechtliche Vorwirkung) sinnvoll. Im Sinne einer echten Vereinheitlichung der Rohstoffgewinnung sollte auch über Erweiterungen des Kreises bergfreier Bodenschätze und über eine Zuordnung aller sonstigen Bodenschätze zu den grundeigenen Bodenschätzen nachgedacht werden. Damit wäre eine einheitliche Zuständigkeit der Bergbehörden möglich. Diese müssen dann freilich auch entsprechend personell ausgestattet werden.
EU-Kommission, Rat und EU-Parlament haben sich Mitte November im sog. Trilogverfahren bereits auf die Eckpunkte des Critical Raw Materials Act geeinigt, so dass die EU-Verordnung im Dezember verabschiedet werden soll. Wir werden berichten.