WISSENSWERTES | 14.03.2016

Erstattung von Kindergarten-Betriebskosten freier Träger durch die Gemeinden

Betreiben nicht die Gemeinden selbst, sondern freie Träger der Jugendhilfe Kindertagesstätten, so erfüllen sie eine klassische Aufgabe der Gemeinden. Daher sind die Betriebskosten auch von den Gemeinden zu tragen. Erstmals hat über den Umfang und die Reichweite eines solchen Anspruchs nun das OVG Weimar entschieden (Urteil vom 10. Juli 2015, Az. 3 KO 565/13). Damit stehen endlich die Leitlinien der Kostenerstattung fest und die jahrelangen Unstimmigkeiten zwischen Gemeinden und Trägern können angemessen gelöst werden.

Im konkreten Fall forderte ein freier Träger von der Stadt Erfurt für den Betrieb zweier Kindertagesstätten die Anerkennung von Mehrausgaben für die Jahre 2007 bis 2014.

Erstattung nicht auf gesetzlicher, sondern vertraglicher Grundlage

Zunächst hält das OVG fest, dass Rechtgrundlage einer Kostenerstattung nicht das Thüringer Kita-Gesetz (ThürKitaG) selbst ist, sondern ein zwischen Träger und Kommune abzuschließender Vertrag: „Erst die nach § 18 Abs. 4 Satz 2 ThürKitaG zwingend zu schließende Vereinbarung schafft die rechtliche Grundlage für wechselseitige Ansprüche der Beteiligten.“

Zweistufiges Verfahren zur Ermittlung der Höhe

Erstattungsfähig sind nach Auffassung des OVG grundsätzlich die konkret dem Träger der Kindertagesstätte entstandenen erforderlichen und angemessenen Betriebskosten. Deren Ermittlung erfolgt in zwei Stufen:

Erstens: Ermittlung der erforderlichen Kosten

Zunächst sind die erforderlichen Betriebskosten zu ermitteln. Das sind nur solche, die tatsächlich dem Betrieb der Kita zuzurechnen sind. Dabei hat die Gemeinde zu prüfen, ob die Aufwendungen zur Erreichung des vom Gesetz geforderten Zwecks, nämlich dem Betrieb eines Kindergartens, auch notwendig sind. Bloße Pauschalen sind danach nicht zulässig.

Zweitens: Ermittlung der Kappungsgrenze und Ermessensentscheidung

Danach ist anhand von § 18 Abs. 4 Satz 3 ThürKitaG zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Kosten erstattungsfähig sind. Nach dieser Regelung soll der Gemeindeanteil in der Regel den Anteil, den die Wohnsitzgemeinde für eine eigene Einrichtung abzüglich des Eigenanteils des Trägers bereitstellt, nicht übersteigen. Diese Regelung stellt eine Kappungsgrenze dar, die bewirken soll, dass der freie Träger auch unter Berücksichtigung seines Eigenanteils grundsätzlich nicht mehr an Betriebskostenerstattung erhalten soll, als die Wohnsitzgemeinde für eine eigene Einrichtung bereitstellt. Die Gemeinde muss also die entsprechenden kommunalen Kosten ermitteln und vergleichen. Zu berücksichtigen hat sie dabei, ob auch eine Vergleichbarkeit vorliegt. In atypischen Fällen ist auch eine Überschreitung der „Kappungsgrenze“ möglich, etwa wenn ein freier Träger ein besonderes Betreuungsangebot vorhält, an dessen Aufrechterhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Sodann hat die Gemeinde unter Ausübung pflichtgemäßen Ermessens zu entscheiden, ob die zu erstattenden Betriebskosten die „Kappungsgrenze“ übersteigen können.

Im konkreten Fall hatte die Stadt Erfurt all dies nicht getan, sondern allein Pauschalsätze gewährt. Aufgrund der erforderlichen Ermessensentscheidung sah sich das Gericht allerdings gehindert, dem Träger die Kostenerstattung unmittelbar zuzuerkennen. Es verurteilte daher die Stadt, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einer Änderung der Vereinbarungen mit dem freien Träger zuzustimmen, soweit es zu den beantragten Mehrausgaben gekommen sei.

Tipp:

Hinsichtlich der Kosten von Kindertageseinrichtungen in freier Trägerschaft ist sowohl beim Abschluss vertraglicher Vereinbarungen als auch bei der Abrechnung und ggf. Nachforderung von Betriebskosten höchste Sorgfalt geboten. Einzelne Aufwendungen können bei Vorliegen sachlicher Gründe auch über die Kappungsgrenze hinaus erstattungsfähig sein. Hier muss gegenüber der Gemeinde im Streitfall argumentiert werden.

In Sachsen entsprechen die Regelungen in § 17 Abs. 2 KitaG im Wesentlichen den oben dargestellten Regelungen in § 18 Abs. 4 ThürKitaG. Es ist deshalb davon auszugehen, dass hier entsprechendes gilt.

Auf Sachsen-Anhalt lässt sich die Entscheidung nicht übertragen; die Finanzierungsregelungen in § 11 KiFöG sind strukturell anders gestaltet; nachdem das LVerfG dort punktuell eine Verfassungswidrigkeit festgestellt hat, ist der Gesetzgeber gefragt.


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