WISSENSWERTES | 10.07.2017
Die Streitlösungsordnung für das Bauwesen („SL Bau“) — eine zu selten genutzte Chance
Mit steigender Konjunktur erhöht sich die Anzahl der Baustellen und der daraus folgenden Rechtsstreitigkeiten gleichermaßen. Egal ob wegen Vergütungsfragen und Nachträgen, Ansprüchen wegen geänderter Bauzeit oder wegen Mängeln, nicht selten schließt sich an die Abwicklung des Bauvertrages ein jahrelanger Rechtsstreit an. Überlange Verfahrensdauern und damit auch Kosten könnten durch alternative Streitlösungsmodelle, zum Beispiel durch die SL Bau, vermieden werden.
Entstehung und Ziel der SL Bau
Zur frühzeitigen und einvernehmlichen Beilegung von Konflikten, die günstigstenfalls schon baubegleitend erfolgt und dadurch weitere Zeit und Kosten sparen hilft, wurde im Jahre 2010 von einem Gremium aus Vertretern der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und des Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V. die Streitlösungsordnung für das Bauwesen entwickelt.
Das Ziel der SL Bau ist es, effizient, sachkundig, kostengünstig und zeitnah eine Lösung für Baustreitigkeiten zu finden. Um sicherzustellen, dass die Streitlöser der SL Bau über die notwendigen besonderen technischen, baubetrieblichen und/oder baurechtlichen Kenntnisse sowie über Kenntnisse auf dem Gebiet der Streitlösung verfügen, wurde eine gemeinsame Streitlöserliste erstellt, die regelmäßig aktualisiert wird.
Vereinbarung bei Vertragsschluss
Die SL Bau findet nur bei entsprechender Vereinbarung Anwendung. Sinnvollerweise sollte die SL Bau sowie die Person des Streitlösers bereits bei Vertragsschluss erfolgen, um Verzögerungen der Verfahrenseinleitung im Streitfall zu vermeiden. Die Vergütung des Streitlösers wird streitwertunabhängig nach Stunden oder Tagessätzen bemessen.
Einzelne Streitlösungsverfahren
a. Mediation
Die Grundstufe der Streitlösung nach der SL Bau ist das Mediationsverfahren. Der Mediator unterstützt die Parteien darin, gemeinsam eine beiden Interessen gerecht werdende Lösung zu finden. Das Mediationsverfahren endet im Erfolgsfall durch einen Vergleich der Parteien.
b. Schlichtung
Ergebnis des Schlichtungsverfahrens ist ein vorläufig verbindlicher Schlichterspruch. Der Schlichter hat die für seine Entscheidung erforderlichen Tatsachen und Umstände zu ermitteln und Auskünfte einzuholen. Er darf die Baustelle betreten. Der Sach- und Streitstand ist mit den Parteien zu erörtern und in der Regel innerhalb von 2 Wochen nach diesem Erörterungstermin der Schlichterspruch zu fällen.
Der Schlichterspruch wird verbindlich, wenn ihm nicht innerhalb von 2 Wochen widersprochen wird.
c. Adjudikation
Das Adjudikationsverfahren ist ebenfalls zeitlich gestrafft. Darüber hinaus hat es eine noch höhere Bindungswirkung als das Schlichtungsverfahren. Die Sach- und Rechtslage ist mit den Parteien schon innerhalb einer Woche nach Zugang der Antragserwiderung zu erörtern und innerhalb von weiteren zwei Wochen soll über den Streit entschieden werden.
Diese Entscheidung ist vorübergehend verbindlich und kann nur binnen eines Monats durch Widerspruch angegriffen werden. Um den Streit zu befrieden, sieht die SL Bau vor, dass über den Widerspruch erst nach Abnahme oder endgültiger Abnahmeverweigerung in einem (schieds-)gerichtlichen Verfahren entschieden werden darf. Der Streit behindert dadurch die weitere Auftragsabwicklung nicht mehr. Erhebt die widersprechende Partei nicht binnen sechs Monaten nach Abnahme oder endgültiger Abnahmeverweigerung eine Klage zum zuständigen (Schieds-), wird die Entscheidung trotz Widerspruchs bestandskräftig.
Im Falle der Missachtung der Adjudikationsentscheidung kann der Adjudikator ein Zwangsgeld verhängen. Wird auch dieses nicht gezahlt, kann die obsiegende Partei die Leistungen einstellen oder den Vertrag kündigen.
d. Schiedsgerichtsverfahren
Das Schiedsgericht besteht aus drei, bei einem Streitwert unter EUR 100.000 in der Regel aus einem Schiedsrichter. Das Schiedsverfahren kann unter besonderen Voraussetzungen auf Dritte erstreckt werden (Streitverkündung) und es können Dritte dem Verfahren beitreten.
Der Schiedsspruch ist verbindlich und kann nur durch begründeten Antrag an das örtlich zuständige Oberlandesgericht aufgehoben werden.
e. Schiedsgutachtenverfahren
Ein Schiedsgutachtenverfahren kann insbesondere dafür genutzt werden, streitige Detailfragen technischer, rechtlicher oder betriebswirtschaftlicher Art durch einen sachkundigen Dritten klären zu lassen. Die Parteien leiten das Verfahren ein, indem sie dem Gutachter die zu begutachtenden Fragen schriftlich mitteilen. Die Parteien haben auch hier bei der Sachverhaltsermittlung mitzuwirken. Mit ihnen ist das Gutachten vor Fertigstellung zu erörtern.
Das schriftlich erstellte Gutachten ist verbindlich, sofern es nicht offenbar unbillig ist.
Fazit
Die SL Bau gibt mit ihren unterschiedlichen Streitlösungsverfahren den Konfliktparteien größtmögliche Flexibilität bei der Wahl des geeigneten Verfahrens. Der Verfahrensablauf ist zeitlich gestrafft, um schnellstmöglich eine (vorläufige) Entscheidung der Streitfrage zu erzielen. Der Vorteil ist, kostenintensive Verzögerungen im Bauablauf und sich anschließende langwierige Prozesse mit erheblichen Kosten zu vermeiden.
In Anbetracht der vielen Möglichkeiten alternativer Streitlösungsmodelle verwundert es, dass von deren Vereinbarung allenfalls an Großbauvorhaben Gebrauch gemacht wird, in den übrigen Fällen aber derzeit leider davon abgesehen wird.
Gern beraten wir Sie bei der Gestaltung Ihrer Verträge unter Einbeziehung der Streitlösungsordnung für das Bauwesen.
Der Autor ist Mitglied der gemeinsamen Streitlöserliste der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und des Deutschen Beton- und Bautechnik-Verein e.V.