WISSENSWERTES | 20.03.2020

Corona-Pandemie: Verbote nach dem Infektionsschutzgesetz (IFSG) und Entschädigungsansprüche

 

Der Freistaat Sachsen hat mit Allgemeinverfügung  – wie alle Bundesländer – umfangreiche Verbote ausgesprochen. Die Regelung vom 18. März 2020, Az.: 15-5422/5, gilt vorerst bis zum 20. April 2020.

 

Ladenschluss, Beschränkungen für Gastronomie, Veranstaltungen usw.

 

Die Verbote betreffen fast die gesamte Bandbreite wirtschaftlicher Tätigkeit, die mit Publikumsverkehr verbunden ist, unter anderem Einzelhandelsgeschäfte, Hotels, Gaststätten, Vergnügungsstätten und Sportbetriebe. Aber auch öffentliche und kulturelle Einrichtungen sind erfasst. Zum Teil sind die Betriebe, Einrichtungen und Angebote vollständig untersagt. Für manche Branchen, insbesondere Handel, Gastronomie und Beherbergungsgewerbe, wurden hingegen differenzierte Verbote aufgestellt.

 

Sofortige Vollziehbarkeit, Ausnahmen

 

Die Verbote gelten für jedermann und sind sofort durchsetzbar. Die  Allgemeinverfügung enthält ausdrückliche Ausnahmen, wie z.B. für Wochenmärkte. Zudem besteht in besonders begründeten Ausnahmefällen die Möglichkeit, eine Ausnahme durch Einzelgenehmigung zu beantragen. Die Begründung der Allgemeinverfügung sieht dies vor allem für Sportanlagen vor. Eine solche Einzelgenehmigung muss entsprechend dieser Hinweise beim Sächsischen Staatsministerium des Innern beantragt werden.

 

Entschädigung grundsätzlich nur bei Anordnung von Quarantäne und ähnlichen Einzelmaßnahmen

 

Das Infektionsschutzgesetz IFSG sieht in § 56 eine Entschädigung vor für Verbote, die das zuständige Gesundheitsamt angeordnet hat, insbesondere für die Anordnung von Quarantäne. Diese Entschädigungen sind im Freistaat Sachsen binnen drei Monaten bei der Landesdirektion Sachsen zu beantragen. Für die der Allgemeinverfügungen der Bundesländer enthält das IFSG selbst keine einschlägige Entschädigungsvorschrift, insbesondere findet § 65 IFSG keine Anwendung.

 

Klagemöglichkeit

 

Betroffene Unternehmen und Privatpersonen können gegen die Allgemeinverfügung zwar binnen einer Frist von einem Monat bei dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage erheben. Innerhalb der kurzen Frist, in der das Verbot wieder außer Kraft tritt, werden Gerichte aber keine Entscheidung hierüber treffen. Daher machen Klagen nur Sinn, wenn der Betroffene gleichzeitig auch ein Eilverfahren anstrengt oder mit der Klage einen (späteren) Entschädigungsprozess vorbereiten möchte.

 

Entschädigung ohne gesetzliche Regelung im IFSG?

 

Ob den Betroffenen auch ohne Regelung im IFSG eine Entschädigung zusteht, hängt maßgeblich davon ab, ob das jeweilige Verbot rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig ist. Wenn Gerichte zu der Einschätzung kommen sollten, dass das nicht der Fall ist, kann das Verbot in einem Eilverfahren vorläufig außer Vollzug gesetzt werden. In diesen Fällen kommt auch eine Entschädigung nach allgemeinem Staatshaftungsrecht in Betracht.

 

Aufgrund der hohen Bedeutung des Lebens und der Gesundheit von Menschen ist der Staat grundsätzlich zu sehr weit reichenden Maßnahmen wie den nun erlassenen Verboten berechtigt. Es gibt aber auch Gegenstimmen, die davon ausgehen, dass einzelne Verbote die Belange der Wirtschaft nicht angemessen berücksichtigten.

 

Nur ein Beispiel: Die Allgemeinverfügung enthält keine Begründung zu der Regelung, nach der Gaststätten für den Publikumsverkehr nur zwischen 6.00 Uhr und 18.00 Uhr geöffnet werden dürfen. Das Verbot folgt einerseits der Empfehlung der Bundesregierung. Und natürlich erhöhen lange Öffnungszeiten das Infektionsrisiko. Andererseits ergibt sich aus der Verfügung nicht, warum explizit das genannte 12-stündige Zeitfenster gewählt wurde und keine Rücksicht auf das Betriebskonzept des jeweiligen Inhabers genommen werden darf. Denkbar wären auch kürzere Zeitfenster, die etwa 8 oder 10 Stunden umfassen, vom Betriebsinhaber aber innerhalb eines Gesamtrahmens frei verschoben werden dürfen. Hierdurch könnten ggf. individuelle, insbesondere auf die Abendstunden ausgerichtete Betriebskonzepte noch aufrechterhalten und dadurch die ohnehin drastischen Umsatzeinbußen verringert werden.

 

Wir stehen allen Betroffenen für Fragen und Beratung zu den Verboten und Entschädigungsverfahren in der Corona-Pandemie zur Verfügung.


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