WISSENSWERTES | 02.04.2020
Corona-Krise: Wichtige Neuerungen zu Gesellschafterdarlehen
Gesellschafterdarlehen in Krisenzeiten
Wenn ein Unternehmen in eine finanzielle Krise gerät, zeigen sich häufig die Nachteile einer Rechtsform mit beschränkter Haftung. GmbH, AG oder GmbH & Co. KG erhalten mangels Bonität und freier Sicherheiten nur noch eine Finanzierung, wenn die Gesellschafter bürgen oder selbst Sicherheiten leisten. Bankfinanzierungen brauchen zudem Zeit, die in Krisensituationen meist nicht ausreichend vorhanden ist. Häufig bleibt in der Krise deshalb nur der Ausweg, dem Unternehmen Kapital durch ein Gesellschafterdarlehen zuzuführen.
Solche Gesellschafterdarlehen unterliegen allerdings den Anfechtungsrisiken aus §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, § 44a , § 135 InsO und §§ 6, 6a AnfG. Für Gesellschafterdarlehen gibt es nun zwei sehr aktuelle Neuerungen, die Gestaltungsmöglichkeiten zur Vermeidung dieser Anfechtungsrisiken eröffnen.
Erste Neuigkeit – Einschaltung eines Dritten („Spiel über Bande“)
Die erste neue Gestaltungsmöglichkeit ergibt sich aus dem jüngst veröffentlichten Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27.02.2020 – IX ZR 337/18:
In dem zu entschiedenen Sachverhalt hatte eine Dritter (D) dem Gesellschafter (G) ein Darlehen gewährt, welches dieser bestimmungsgemäß dem Unternehmen (U) darlehensweise überließ, dessen Gesellschafter und Geschäftsführer er war. D zahlte das Darlehen direkt an U aus und U trat dem D zur Sicherheit Forderungen ab. Die Darlehensrückzahlungen erfolgten direkt von U an D.
Nachdem über das Vermögen des U ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde, verlangte der Insolvenzverwalter nach Insolvenzanfechtung von D Rückgewähr der Darlehensrückzahlungen und obsiegte damit vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht klar.
Zur Überraschung der Beteiligten teilte der BGH die Auffassung der Vorinstanzen nicht und verneinte das Anfechtungsrecht des Insolvenzverwalters gegenüber D.
„Gewährt ein außenstehender Dritter einem Gesellschafter der späteren Insolvenzschuldnerin … ein Darlehen, welches der Gesellschafter zur Gewährung eines Darlehens an die Gesellschaft verwendet, ist die Rückzahlung des Darlehens an den Dritten durch die Gesellschaft dem Dritten gegenüber nicht als Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens anfechtbar.“
Der BGH argumentierte sehr formal. Der D sei nicht Gesellschafter und auch nicht wirtschaftlich einem Gesellschafter gleich zu stellen. D habe mit G mit Ausnahme des Darlehensvertrages keine Verbindung. Der Fall sei nicht mit dem Fall gleich zu stellen, in dem der D dem U – verbürgt durch G – das Darlehen gewährt hätte.
Zweite Neuigkeit – Covid-19 Gesetz (Privilegierung des guten Gesellschafters)
Um in der aktuellen Krise die Finanzierung von Unternehmen etwas zu erleichtern, enthält das am 25. März 2020 im Bundestag (einstimmig!) beschlossene Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht besondere Regelungen auch in Bezug auf Gesellschafterdarlehen. Der Gesetzgeber will die Vergabe von neuen Krediten schützen. Kreditgeber sollen nicht wie bisher befürchten müssen, zur Rückgewähr zwischenzeitlich erhaltener Darlehensrückzahlungen verpflichtet zu werden, wenn die Bemühungen um eine Rettung des Unternehmens letztendlich scheitern und doch noch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.
In § 2 zu Artikel 1 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie ist folgendes geregelt:
„Soweit nach § 1 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist, …
gilt die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend; dies gilt auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht aber deren Besicherung; § 39 Absatz 1 Nummer 5 und § 44a der Insolvenzordnung finden insoweit in Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners, die bis zum 30. September 2023 beantragt wurden, keine Anwendung;“
Tatbestandlich knüpft die Regelung zunächst an § 1 zu Artikel 1 an, sodass die dortigen, von uns hier erläuterten Voraussetzungen gelten, d.h. insbesondere, dass das Unternehmen nicht bereits am 31. Dezember 2019 insolvenzreif gewesen sein durfte.
Es muss sich zudem um ein neues Gesellschafterdarlehen handeln. Bei einer bloßen Novation oder Prolongation und wirtschaftlich vergleichbaren Sachverhalten kommen das Anfechtungsprivileg und die Suspendierung des insolvenzrechtlichen Nachrangs also nicht zur Anwendung.
Die Regelung erstreckt die Anwendung allein auf die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, nicht aber auf deren Besicherung. Dies wird im Gesetzestext klargestellt.
Zahlungen aus erfassten Gesellschafterdarlehen aus dem Vermögen des Unternehmens gelten als nicht gläubigerbenachteiligend und unterliegen damit in einem etwaigen späteren Insolvenzverfahren nicht der Insolvenzanfechtung. Dies gilt sowohl für Zahlungen zur Rückführung des überlassenen Kapitals als auch für angemessene Zinszahlungen.
Allerdings müssen die Zahlungen bis zum 30. September 2023 erfolgt sein. Damit werden vor allem kurz- und mittelfristige Unterstützungsmaßnahmen geschützt.
Praxistipp
Diese beiden Neuerungen eröffnen für Gesellschafter Gestaltungsmöglichkeiten, die so bis vor wenigen Wochen noch undenkbar waren. Gesellschafter haben nun die Möglichkeit, Unternehmen in einer Krise finanziell zu unterstützen ohne dabei die volle Breite der damit verbundenen Nachteile befürchten zu müssen. Es gilt jedoch auch hier wie sonst auch: Nur der – auch unter Zeitdruck – sorgfältig arbeitende Gesellschafter und Unternehmer vermeidet später böse Überraschungen.