WISSENSWERTES | 19.10.2018

Bundesarbeitsgericht schafft Klarheit: Keine Verzugspauschale im Arbeitsrecht

In einem aktuellen Urteil hatte sich das BAG mit der Frage zu befassen, ob Arbeitgeber eine Verzugspauschale in Höhe von 40,00 Euro zahlen müssen, wenn sie sich mit Entgeltzahlungen im Verzug befinden. Während eine Vielzahl von Landesarbeitsgerichten bislang von der Anwendbarkeit der Regelung zur Verzugspauschale im Arbeitsrecht ausgingen, sorgte das BAG nun für Klarheit, indem es die Klage eines Arbeitnehmers abwies (BAG, Urteil vom 25. September 2018, 8 AZR 26/18).
 

Gesetzliche Regelung der Verzugspauschale in § 288 Abs. 5 BGB

Mit dem Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr und zur Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vom 22. Juli 2014 (BGBl. I. 2014, S. 1218 vom 28. Juli 2014) wurde ein neuer § 288 Abs. 5 BGB eingefügt.
 
Er lautet:

„Der Gläubiger einer Entgeltforderung hat bei Verzug des Schuldners, wenn dieser kein Verbraucher ist, außerdem einen Anspruch auf Zahlung einer Pauschale in Höhe von 40 Euro. Dies gilt auch, wenn es sich bei der Entgeltforderung um eine Abschlagszahlung oder sonstige Ratenzahlung handelt. Die Pauschale nach Satz 1 ist auf einen geschuldeten Schadensersatz anzurechnen, soweit der Schaden in Kosten der Rechtsverfolgung begründet ist.“

 
Der pauschale Schadensersatz von 40,00 Euro bei verspäteten Zahlungen soll unpünktliche oder unvollständige Zahlungen im Geschäftsverkehr vermeiden. Seit Einführung dieser Verzugspauschale durch den Gesetzgeber war strittig, ob die Regelung des § 288 Abs. 5 BGB auch im Arbeitsrecht gilt, ob also der Arbeitgeber eine Pauschale zahlen muss, wenn er sich mit Entgeltzahlungen im Verzug befindet.
 

Rechtsprechung der Landesarbeitsgerichte

Zahlreiche Landesarbeitsgerichte haben das bislang bejaht (z.B. LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2018, 15 Sa 86/18; LAG München, Urteil vom 18. April 2018, 11 Sa 42/18; LAG Niedersachsen, Urteil vom 27. Februar 2018, 10 Sa 25/17; LAG Hessen, Urteil vom 10. November 2017, 10 Sa 964/17; LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2016, 3 Sa 34/16).

Zudem sollte im Falle fehlerhafter oder unterlassener Abrechnung oder eines längeren Zahlungsverzugs (z. B. Annahmeverzug) die Verzugspauschale in der Regel monatlich erneut anfallen (so etwa LAG Düsseldorf, Urteil vom 27. Oktober2017, 10 Sa 308/17; LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 9. Mai 2018, 15 Sa 86/18). Eine kuriose Situation war im Bezirk des LAG Köln entstanden. Während die 8. Kammer den Anspruch bejahte, verneinte die 5. Kammer einen solchen Anspruch. Ob der Anspruch zuerkannt wurde, hing also davon ab, an welche Richter der Rechtsstreit gelangte.
 

Entscheidung des BAG – Vorrang von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG

Im vom BAG entschiedenen Fall hatte der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auf Zahlung rückständiger tariflicher Besitzstandszulagen für die Monate Mai bis September 2016 in Anspruch genommen. Wegen Verzugs mit der Zahlung verlangte er zusätzlich für die Monate Juli bis September 2016 drei Verzugspauschalen von jeweils 40,00 Euro nach § 288 Abs. 5 BGB.
 
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Die Revision des Arbeitgebers, mit der dieser sich gegen die Verurteilung zur Zahlung der Pauschalen wandte, war nun vor dem Achten Senat des BAG erfolgreich. Das BAG führt aus, dass § 288 Abs. 5 BGB zwar grundsätzlich auch in Fällen Anwendung finde, in denen sich der Arbeitgeber mit der Zahlung von Arbeitsentgelt in Verzug befinde. Allerdings schließe § 12a Abs. 1 S. 1 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) als spezielle arbeitsrechtliche Regelung nicht nur einen prozessualen Kostenerstattungsanspruch wegen erstinstanzlich entstandener Beitreibungskosten, sondern auch einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch und damit auch den Anspruch auf Pauschalen nach § 288 Abs. 5 BGB aus.
 
Dass das BAG seine Entscheidung wesentlich auf § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG stützt, kommt nicht überraschend. Nach dieser Vorschrift steht der obsiegenden Partei jedenfalls im ersten Rechtszug kein Anspruch auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für einen Prozessbevollmächtigten oder Beistand zu. Es ist ständige Rechtsprechung des BAG (BAG, Urteil vom 30. April 1992, 8 AZR 288/91 und BAG, Urteil vom 27. Oktober 2005, 8 AZR 546/03) , dass die Norm über ihren Wortlaut hinaus nicht nur den prozessualen Kostenerstattungsanspruch, sondern auch entsprechende materiell-rechtliche Erstattungsansprüche ausschließt, egal auf welcher Anspruchsgrundlage diese beruhen. Die Entscheidung liegt damit auf einer Linie mit der bisherigen Rechtsprechung des Achten Senats des BAG.
 

Folgen für die Praxis

Für die Praxis bringt das Urteil des BAG endlich Klarheit. Der Arbeitgeber schuldet im Falle eines Zahlungsverzugs keine Verzugspauschale nach § 288 Abs. 5 BGB.
Auch eine weitere Streitfrage hat sich nun erledigt: Da nach § 288 Abs. 6 S. 1 und 2 BGB im Voraus getroffene Vereinbarungen, die den Anspruch auf die Verzugspauschale ausschließen oder beschränken, unwirksam sind, wurde, um nicht das Risiko der Unwirksamkeit einer arbeitsvertraglichen Ausschlussfrist einzugehen, vielfach empfohlen, Ansprüche auf die Verzugspauschale von einer Verfallklausel auszunehmen. Nachdem das BAG jetzt klargestellt hat, dass die Verzugspauschale im Arbeitsrecht keine Anwendung findet, braucht die Ausschlussfrist nicht angepasst werden.


Aktuelle Beiträge von Dr. Sebastian Graj, LL.M.oec.

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