WISSENSWERTES | 02.05.2024

Bodenüberwachungsgesetz – EU-Richtlinienvorschlag COM/2023/416

 

Wissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge befinden sich 60 % bis 70 % der Böden in der EU derzeit in einem ungesunden Zustand. Alle Mitgliedstaaten sehen sich mit dem Problem der Bodendegradation konfrontiert. Grund genug für den EU-Gesetzgeber, um sich nach den Bereichen Natur und Wasser nun dem Umweltmedium Boden anzunehmen.

 

Die dazu vorgeschlagene Richtlinie zur Bodenüberwachung und -resilienz (Bodenüberwachungsgesetz) zielt darauf ab, die Bodenqualität innerhalb der Europäischen Union zu schützen, zu überwachen und zu verbessern. Sie wurde entwickelt, um dem Bedarf einer ganzheitlichen Herangehensweise an die Bodengesundheit und -resilienz Rechnung zu tragen und Maßnahmen zu implementieren, um die Gesundheit und Produktivität der Böden langfristig zu erhalten bzw. deren Zustand zu verbessern.

 

Die aktuellen Entwicklungen und die Kombination der verschiedenen Faktoren, die Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit haben, machen nach Auffassung der EU deutlich, dass die Verfügbarkeit, Erschwinglichkeit, Nutzung und Stabilität der Lebensmittelversorgung kurz- oder langfristig nicht als selbstverständlich angesehen werden dürfen. Anders gesagt: Fruchtbare Böden sind von geostrategischer Bedeutung, um den Zugang zu ausreichenden, nahrhaften und erschwinglichen Lebensmitteln langfristig zu sichern

 

Die Verbesserung der Bodengesundheit ist zudem von entscheidender Bedeutung, um die Anpassung an den Klimawandel zu fördern. Maßgeblich dafür sind die Menge an organischer Substanz im Boden, dessen Fruchtbarkeit, die Wasserrückhalte- und Filterkapazität sowie die Erosionsresistenz.

 

Nach Auffassung der EU mangele es an umfassenden und harmonisierten Daten zur Bodengesundheit, die durch die Bodenüberwachung gewonnen wurden. In einigen Mitgliedstaaten gibt es zwar schon Bodenüberwachungssysteme, die jedoch fragmentiert, nicht repräsentativ und nicht harmonisiert sind. Hier soll im Sinne einer Vergleichbarkeit eine Harmonisierung erfolgen.

 

Zielsetzung – Gesunde Böden bis 2050

 

In Art. 1 wird das übergeordnete Ziel der Richtlinie festgelegt, einen kohärenten Boden- überwachungsrahmen zu schaffen, der Daten über die Bodengesundheit in allen Mitgliedstaaten liefert und den gesunden Zustand der Böden in der EU bis spätestens 2050 sicherstellt, damit diese vielfältige Leistungen in einem Umfang erbringen können, der den ökologischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnissen gerecht wird, und die Bodenverschmutzung auf ein Niveau zu reduzieren, das nicht mehr als schädlich für die menschliche Gesundheit gilt.

 

Einführung eines umfassenden Überwachungssystems

 

Die geplante Richtlinie beabsichtigt die Einführung eines umfassenden Überwachungssystems für Böden in der gesamten EU. Dies beinhaltet die regelmäßige Erfassung und Analyse von Daten zur Bodenzusammensetzung, -feuchtigkeit, -erosion und anderen relevanten Parametern. Durch dieses System soll eine kontinuierliche Überwachung der Bodengesundheit gewährleistet werden. Die Mitgliedstaaten richten auf der Grundlage der gemäß Art. 4 Absatz 1 abgegrenzten Bodenbezirke einen Überwachungsrahmen ein, um sicherzustellen, dass die Bodengesundheit im Einklang mit diesem Artikel und den Anhängen I und II regelmäßig und genau überwacht wird. Der Überwachungsrahmen stützt sich insbesondere auf Bodendeskriptoren und Bodengesundheitskriterien sowie die festzulegenden Bodenprobenahmestellen und Bodenmessungen nach Art. 8. Wie Art. 8 zu erkennen gibt, ist die Überwachungspflicht kontinuierlich ausgestaltet. Mithin wird es ähnlich wie im System der Wasserrahmenrichtlinie eine sich zyklisch (alle 5 Jahre) wiederholende Mess- und Aktualisierungspflicht geben.

 

Festlegung von Mindeststandards und Indikatoren

 

Um eine einheitliche Bewertung und Vergleichbarkeit der Bodenzustände in der EU zu gewährleisten, schlägt die Richtlinie die Festlegung von Mindeststandards und Bodendeskriptoren vor, anhand derer die Bodenqualität bewertet und überwacht wird. Diese Standards und Indikatoren dienen als Referenzpunkte für die Überwachung und den Schutz der Bodenressourcen. Die maßgeblichen Deskriptoren sind in Art. 7 i.V.m. Anhang II festgelegt. Dazu gehören z.B. gemäß Teil A Versalzung, Bodenerosion, Verlust von organischem Kohlenstoff im Boden sowie die Unterbodenverdichtung. Teil B des Anhangs enthält Bodendeskriptoren mit auf Ebene der Mitgliedstaaten festgelegten Kriterien für einen gesunden Bodenzustand, wozu etwa die Verringerung der Wasserrückhaltekapazität des Bodens und der überschüssige Nährstoffgehalt im Boden zählen.

 

Förderung nachhaltiger Bewirtschaftungspraktiken

 

Die Richtlinie zielt mit Art. 10 darauf ab, nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken zu fördern, die zur Erhaltung der Bodengesundheit beitragen. Dazu gehören Maßnahmen wie die Förderung von Fruchtfolgen, die Nutzung von organischen Düngemitteln, die Reduzierung des Einsatzes von chemischen Pestiziden und der Schutz vor Bodenerosion. Durch die Förderung solcher Praktiken soll die langfristige Produktivität und Gesundheit der Böden sichergestellt werden. Konkret geht es dabei um die Festlegung nachhaltiger Bodenbewirtschaftungspraktiken unter Einhaltung der in Anhang III aufgeführten Grundsätze für eine nachhaltige Bodenbewirtschaftung und das Vermeiden von Praktiken, die sich negativ auf die Bodengesundheit auswirken. Bei alldem berücksichtigen die Mitgliedstaaten die in Anhang IV aufgeführten Programme, Pläne, Zielvorgaben und Maßnahmen u.a.. Damit wird im Sinne einer Multifunktionalität beispielsweise die Einbeziehung von Erhaltungsmaßnahmen für Natura 2000 Gebiete oder von Maßnahmen zur Erreichung der Bewirtschaftungsziele nach der Wasserrahmenrichtlinie möglich.

 

Maßgaben zum Flächenverbrauch

 

Für den letztlich unvermeidlichen Flächenverbrauch sieht Art. 11 einen Mix aus Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen vor. Dies beinhaltet die allgemeine Forderung der Verringerung der vom Flächenverbrauch betroffenen Fläche auf ein Mindestmaß sowie die Durchführung des Flächenverbrauchs auf eine Art und Weise, durch die die negativen Auswirkungen auf den Boden minimiert werden. Für Vorhaben der Rohstoffgewinnung wird dem durch viele bereits etablierte Maßnahmen Rechnung getragen. Dazu zählen etwa der bodenschonende Oberbodenabtrag und separierte Lagerung sowie Verwendung zur Wiederherstellung einer durchwurzelbaren Bodenschicht ebenso wie die zeitlich parallel zur Gewinnung stattfindende Wiedernutzbarmachung.

 

Umgang mit belasteten Standorten

 

Bis 4 Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie führen die Mitgliedstaaten einen risikobasierten Ansatz für die Ermittlung potenziell kontaminierter Standorte gemäß Art. 13, die Untersuchung potenziell kontaminierter Standorte gemäß Art. 14 und den Umgang mit potenziell kontaminierten Standorten gemäß Art. 15 ein.

 

Sie ermitteln nach Art. 13 systematisch und aktiv sämtliche Standorte, bei denen aufgrund von Nachweisen, die mit allen verfügbaren Mitteln gesammelt wurden, der Verdacht einer Bodenkontamination besteht („potenziell kontaminierte Standorte“). Für die ermittelten Standorte ist dann eine Bodenuntersuchung durchzuführen. Einen solchen Mechanismus kennt das deutsche Bodenschutzrecht bereits. Die Erfassung potentiell kontaminierter Standorte erfolgt hier im Altlastenkataster. Die durch Art. 14 vorgesehene Untersuchungspflicht obliegt nach nationalem Recht der gemäß § 9 Abs. 1 BBodSchG zuständigen Behörde.

 

Art. 15 enthält Verpflichtungen in Bezug auf die Bewirtschaftung kontaminierter Standorte. Darin wird festgelegt, dass die Mitgliedstaaten eine standortspezifische Risikobewertung durchführen müssen, um festzustellen, ob von dem kontaminierten Standort unannehmbare Risiken für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt ausgehen, und um die geeigneten Maßnahmen zur Risikominderung zu ergreifen. Diese Maßnahmen sind in Anhang V angesprochen, der ganz konkrete Sanierungsmaßnahmen vorsieht, die freilich nur als fachliche Vorschläge zu verstehen sind. Art. 16 schließlich schreibt die Errichtung eines Registers für kontaminierte Standorte vor und schlägt abermals die Brücke zum Altlastenkataster.

 

Was bringt die Richtlinie Neues?

 

Das Neue an der „Bodenrichtlinie“ ist der integrale Ansatz, der zugleich mit einer flächendeckenden und einheitlichen Datenerhebung und Überwachung kombiniert wird.

 

Der Richtlinienvorschlag und die deutschen Regelungen zum Altlastenkataster, das Bundes-Bodenschutzgesetz (BBodSchG) und die Bundes-Bodenschutzverordnung (BBodSchV) haben einige Überschneidungen und ergänzen in anderen Aspekten.

 

Das deutsche Altlastenkataster ist ein Instrument zur Erfassung und Verwaltung von Altlasten, das heißt von Flächen, auf denen aufgrund früherer Nutzungen oder Aktivitäten eine erhebliche Gefahr für Mensch oder Umwelt besteht sowie von Altlastenverdachtsflächen. Es dient der Identifizierung, Bewertung und Sanierung solcher Flächen. Der Vorschlag für eine EU-Richtlinie zur Bodenüberwachung und -resilienz würde dieses ergänzen, indem zusätzliche Anforderungen und Standards für die Überwachung und den Schutz von Böden vorgesehen werden. Das Altlastenkataster könnte weiterhin für die Identifizierung und Sanierung von kontaminierten Standorten genutzt werden, während die Bodenüberwachungsrichtlinie einen breiteren Ansatz zur Erhaltung der Bodengesundheit und -resilienz verfolgt. Denkbar wäre insoweit eine Aufweitung des Altlastenkatasters zu einem umfassenden Bodenkataster.

 

Die Bundes-Bodenschutzverordnung und das Bundes-Bodenschutzgesetz müssten um die zusätzlichen Anforderungen an die Überwachung und Bewertung der Bodenqualität nach der Richtlinie ergänzt werden. Die zentralen Instrumente der Überwachung und Sanierung des deutschen Bodenschutzrechts werden damit zwar modifiziert (was einen rechtlichen Anpassungsbedarf mit sich bringt), aber nicht obsolet.


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