WISSENSWERTES | 05.11.2025
BGH: Beschluss der Hauptversammlung der Volkswagen AG über die Zustimmung zu einem Deckungsvergleich mit D&O-Versicherern im sog. Dieselskandal nichtig
Das Aktiengesetz (AktG) regelt in § 121 Abs. 3 AktG die Anforderungen an die Einberufung zur Hauptversammlung. Hierzu gehört gemäß § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG insbesondere auch die Angabe der Tagesordnung.
Ein aktuelles Urteil des BGH vom 30. September 2025 zeigt einmal mehr, dass bei der Einberufung einer Hauptversammlung – ähnlich wie bei einer Gesellschafterversammlung – im Hinblick auf die Formalien besondere Sorgfalt geboten ist. In dem vom BGH entschiedenen Fall blieb die Angabe der Tagesordnung hinter den gesetzlichen Vorgaben zurück. Aus diesem Grund erklärte der BGH die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung der Volkswagen AG zu Deckungsvergleichen mit D&O-Versicherern im sog. Dieselskandal für nichtig. Diese Deckungsvergleiche waren auf Vergleichsvereinbarungen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern bezogen.
Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung zu Vergleichsvereinbarungen mit ehemaligen Vorstandsmitgliedern und Deckungsvergleiche mit D&O-Versicherern
Im Juli 2021 schloss die Volkswagen AG Haftungsvergleiche mit ihrem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden und einem ehemaligen Vorstandsmitglied sowie darauf bezogene Deckungsvergleiche mit D&O-Versicherern zur Abgeltung und Erledigung möglicher Schadensersatzansprüche und darauf beruhende Deckungsansprüche gegen die D&O-Versicherer.
Die Volkswagen AG war im Rahmen eines Untersuchungsberichts und weiterer Prüfungen zu dem Ergebnis gelangt, dass die ehemaligen Vorstandsmitglieder ihre Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit dem Dieselskandal fahrlässig verletzt hatten, weil sie trotz vorliegender Anhaltspunkte für den Einsatz unzulässiger Softwarefunktionen von Dieselmotoren keine unverzügliche Aufklärung veranlasst haben. In den Vergleichsvereinbarungen mit den ehemaligen Vorstandsmitgliedern waren Zahlungen in Höhe von EUR 11,2 Mio. bzw. EUR 4,1 Mio. vorgesehen. In den Deckungsvergleichen wurden Zahlungen der D&O-Versicherer in Höhe von EUR 270 Mio. vorgesehen.
Die Volkswagen AG verpflichtete sich in dem Deckungsvergleich unter anderem dazu, dort näher bezeichnete Personen, darunter sämtliche weitere ehemalige oder amtierende Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrats, dauerhaft nicht mehr in Anspruch zu nehmen.
Die Hauptversammlung der Volkswagen AG stimmte den Vergleichsvereinbarungen mit den ehemaligen Vorstandsmitgliedern und dem Deckungsvergleich am 22. Juli 2021 mit Mehrheiten von über 99 % zu. Gegen diese Zustimmungsbeschlüsse wurde von Kapitalschutzvereinigungen, die als Aktionäre gegen die Zustimmungsbeschlüsse Widerspruch zur Niederschrift erklärt hatten, Klage erhoben.
BGH: Tagesordnung muss auch Angaben zu einem zustimmungsbedürftigen Anspruchsverzicht gegenüber Organmitgliedern enthalten
Der BGH hat mit seinem Urteil vom 30. September 2025 nun entschieden, dass jedenfalls die Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung zu dem Deckungsvergleich nichtig sind.
Die Tagesordnung, die in der Einberufung zur Hauptversammlung angegeben war, enthielt nach Auffassung des BGH nicht die erforderliche Angabe, dass mit dem Deckungsvergleich ein Verzicht gegenüber sämtlichen amtierenden und ausgeschiedenen Organmitgliedern der Volkswagen AG verbunden war. Dieser Anspruchsverzicht hätte nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG bzw. § 117 Abs. 4, § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG der Zustimmung der Hauptversammlung bedurft, da die eingegangenen Verpflichtungen wirtschaftlich einem Erlassvertrag gleichgekommen sind.
Der Mangel der Einberufung konnte auch nicht durch die Angaben im Bericht des Vorstandes geheilt werden. Ausführungen unter der Überschrift „Weitere Informationen zur Tagesordnung“ sind von der Tagesordnung als solche zu unterscheiden. Der BGH hat hierbei in zutreffender Weise darauf abgestellt, dass diese Angaben nicht mehr Teil der nach § 121 Abs. 3 Satz 2 AktG in der Einberufung angegebenen Tagesordnung waren und dabei betont, dass der durchschnittliche Aktionär nicht damit rechnen muss, dass die Informationen zu einer Beschlussfassung über einen Verzicht gegenüber einer Vielzahl weiterer Organmitglieder in den weiteren Informationen zu den betreffenden Tagesordnungspunkten enthalten waren. Eine Bezugnahme in den weiteren Informationen der Bekanntmachung kann einen Hinweis auf den Gegenstand weiterer nach § 93 Abs. 4 Satz 3 AktG zustimmungsbedürftiger Regelungen im Deckungsvergleich nicht ersetzen, wenn die Tagesordnung selbst keinen hinreichenden Anhaltspunkt über den Gegenstand einer solchen Beschlussfassung enthält.
Die Hauptargumente der Revision, dass die Zustimmungsbeschlüsse wegen eines Verstoßes gegen die Sperrfrist von drei Jahren für den Verzicht auf Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder gemäß § 93 Abs. 4 AktG und eines Verstoßes gegen eine nach § 57 Abs. 1 AktG verbotene Einlagenrückgewähr nichtig seien, erteilte der BGH eine eindeutige Absage.
Im Hinblick auf die gleichfalls angegriffenen Zustimmungsbeschlüsse zu den Haftungsvergleichen mit den ehemaligen Mitgliedern des Vorstandes hat der BGH die Sache an das zuständige Oberlandesgericht Celle zurückverwiesen. In diesem Zusammenhang ging es auch um eine Verletzung des Fragerechts nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 COVMG aF.
Fazit und Praxistipp
Mit seinem Urteil vom 30. September 2025 hat der BGH deutlich gemacht, dass die Folgen einer Nichtbeachtung von bestimmten Formalien bei der Einberufung einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung nicht zu unterschätzen sind.
Die Angabe der Tagesordnung in der Einberufung einer Hauptversammlung soll eine sachgerechte Vorbereitung der Aktionäre ermöglichen. Die Verhandlungs- und Beschlussgegenstände müssen derart konkret benannt werden, dass deren Bedeutung für die Aktionäre erkennbar ist. Hierbei stellt der BGH klar auf die Erkenntnismöglichkeiten des durchschnittlichen Aktionärs ab.
Auch für die GmbH bestehen nach § 51 Abs. 2 GmbHG – wenn auch im Vergleich zur Aktiengesellschaft weniger klar – bestimmte formale Anforderungen an die Einberufung einer Gesellschafterversammlung, die unbedingt beachtet werden sollten.
Wird die Angabe der Tagesordnung in der Einberufung den jeweiligen gesetzlichen Anforderungen nicht gerecht, kann dies – wie in dem entschiedenen Fall für die Aktiengesellschaft – zu einer Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse führen. Bei der Einberufung einer Haupt- oder Gesellschafterversammlung ist deshalb besondere Sorgfalt erforderlich, die durch eine professionelle Unterstützung abgesichert werden sollte, um Risiken im Hinblick auf die Wirksamkeit der gefassten Beschlüsse zu vermeiden.