WISSENSWERTES | 15.02.2016

Berichtspflicht vs. Verschwiegenheits­pflicht – Klarheit für Gemeindevertreter

Berichtspflicht vs. Verschwiegenheitspflicht – Klarheit für Gemeindevertreter im Aufsichtsrat

Die Aktienrechtsnovelle 2016 („Gesetz zur Änderung des Aktiengesetzes“, Bundesgesetzblatt Jahrgang 2015 Teil I Br. 55) ist am 31. Dezember 2015 in Kraft getreten und schafft die Voraussetzung für die Lösung eines bisher schwierigen Konflikts für Gemeindevertreter im Aufsichtsrat eines kommunalen Unternehmens.

Berichtspflicht vs. Verschwiegenheitspflicht

Gemeindevertreter sind häufig zugleich Mitglieder in Aufsichtsräten. Die Rechte und Pflichten dieser Tätigkeiten stehen in einem gegenseitigen Spannungsverhältnis. Zum einen unterliegen Aufsichtsratsmitglieder der gesellschaftsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht, zum anderen sind oder fühlen sie sich gegenüber der Gemeinde und ihren Organen sowie den Fraktionen zu Auskünften verpflichtet.

Im Gesellschaftsrecht ist die Verschwiegenheit für alle Aufsichtsratsmitglieder ausdrücklich angeordnet. Sie ergibt sich aus den Vorschriften des Aktien- und GmbH-Gesetzes, §§ 93, 116, 404 AktG; §§ 52 Abs. 1, 85 GmbHG. Die Mitglieder des Aufsichtsrates einer AG oder GmbH haben über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, namentlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die ihnen durch ihre Tätigkeit bekannt geworden sind, Stillschweigen zu bewahren.

Harte Rechtsfolgen und Strafen bei Verstoß

Der Verstoß gegen die Verschwiegenheitspflicht löst Unterlassungs- und Regressansprüche aus. Gem. § 93 Abs. 2 i. V. m. § 116 AktG ist das Aufsichtsratsmitglied zum Ersatz des aus der Pflichtverletzung resultierenden Schadens verpflichtet. Zudem wird nach § 404 Abs. 1 AktG mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft, wer ein Geheimnis der Gesellschaft, das ihm in seiner Eigenschaft als Mitglied des Aufsichtsrats bekannt geworden ist, unbefugt offenbart.

Die gesellschaftsrechtliche Schweigepflicht wird nicht automatisch durch Vorschriften des Gemeinderechts begrenzt. In diesem Zusammenhang wird gern die Lehre vom „Vorrang des Gesellschaftsrechts“ des Bundesgerichtshofs (BGH) zitiert, in der der BGH ausführt, dass die von den Körperschaften entsandten Aufsichtsratsmitglieder dieselben Pflichten hätten wie die von der Gesellschaft gewählten. Dabei haben sie den Belangen der Gesellschaft den Vorzug vor denen der Körperschaften einzuräumen.

Neue Sonderregelung als Lösungsansatz

Die Vorschriften der §§ 394, 395 AktG stellen eine gesetzliche Sonderregelung für Aktiengesellschaften im (Mehrheits-)Besitz der öffentlichen Hand dar und sind bei der GmbH aufgrund der ähnlichen Interessenlage entsprechend anwendbar.

Von dem Grundsatz der Verschwiegenheitspflicht normiert der § 394 Abs. 1 Satz 1 AktG eine Aus-nahme. Danach sind von einer Gebietskörperschaft entsandte Aufsichtsratsmitglieder für die Berichte, die sie dieser Körperschaft zu erstatten haben (also müssen!), von der Verschwiegenheitspflicht ausgenommen. Die Berichtsempfänger sind ihrerseits wiederum gemäß § 395 Abs. 1 Satz 1 AktG zur Verschwiegenheit verpflichtet.

Nach verbreiteter Ansicht in der gesellschaftsrechtlichen Literatur gibt § 394 AktG jedoch keinen Anspruch auf eine allgemeine Berichtspflicht. Zum einen fehlen meist Normen, die – wie § 394 AktG es voraussetzt – die entsandten Aufsichtsratsmitglieder verpflichten würden, der Gebietskörperschaft Bericht zu erstatten. Zum anderen schränke § 395 AktG den Kreis der Personen, denen gegenüber Berichtspflichten allenfalls bestehen könnten, auf solche Personen ein, die damit betraut sind, die Beteiligungen der Gebietskörperschaft zu verwalten und/oder zu prüfen, womit zum Beispiel nicht der Gemeinderat oder die Fraktionen gemeint sein können. Die §§ 394, 395 AktG fungieren nur als eine Art Türöffner, setzten jedoch noch weitere, die gesellschaftsrechtlichen Pflichten verdrängende Normen voraus.

Unklar und damit für Aufsichtsratsmitglieder mit hohem auch persönlichem Risiko verbunden war bislang die Frage, welche Normen in der Lage sind, die Pflichtenkollision zu lösen. Der Gesetzgeber schafft nun Klarheit und hat § 394 AktG um einen Satz 3 ergänzt: „Die Berichtspflicht nach Satz 1 kann auf Gesetz, auf Satzung oder auf dem Aufsichtsrat in Textform mitgeteiltem Rechtsgeschäft beruhen.“ Damit besteht nun ein weiter Gestaltungsspielraum, den die Gemeinden im Interesse der von ihnen entsandten Aufsichtsräte nutzen können und sollten.

Empfehlung

Die Gemeinden sollten zeitnah damit beginnen, diese gesetzliche Neuregelung zu nutzen, um für alle Beteiligten Klarheit zu schaffen, was für die Zusammenarbeit zwischen den Organen der kommunalen Unternehmen und den Organen der Gemeinde nur förderlich sein kann.


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