WISSENSWERTES | 15.11.2024

Bauplanungsrechtliche Privilegierung von Baustoffrecyclinganlagen an Rohstoffgewinnungsstandorten

 

Ausgangssituation und Problemstellung

 

Im Juni 2024 hat die Bundesregierung ihre nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie veröffentlicht. Bereits seit 1. August 2023 gilt die Ersatzbaustoffverordnung . Ziel beider Regelungen ist eine Stärkung der Kreislaufwirtschaft – namentlich des Recyclings und der Wiederverwendung von Abfällen.

 

An Rohstoffgewinnungsstandorten werden regelmäßig mineralische Abfälle im Rahmen der Verfüllung von Tagebauen verwertet. Was liegt also näher, als solche Materialien direkt am Standort aufzubereiten und einer im Sinne von § 6 KrWG höherwertigen Verwertung – Recycling oder Wiederverwendung – zuzuführen. Um dies umzusetzen braucht es regelmäßig die notwendige Technik, insbesondere zum Brechen und Klassieren der Materialien. Problematisch ist, dass diese Anlagen in der planungsrechtlichen Praxis regelmäßig als nicht-privilegiert nach § 35 Abs. 2 BauGB eingeordnet werden und die baurechtliche Zulassungspraxis daher diese grundsätzlich nicht als zulassungsfähig einstuft.

 

Planungsrechtliche Privilegierung

 

Diese Einordnung muss kritisch hinterfragt werden. Denn möglich ist für solche Anlagen durchaus eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 BauGB. Die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 BauGB kommt für Anlagen in Betracht, die einem ortsgebundenen gewerblichen Betrieb dienen. Als ortsgebundene gewerbliche Betriebe in diesem Sinne werden insbesondere Tagebaue zur Rohstoffgewinnung sowie Bergwerksanlagen angesehen. Voraussetzung für die Einbeziehung einer Baustoffrecyclinganlage nebst etwaigen Nebenanlagen (z.B. Lager) in den Privilegierungstatbestand ist, dass diese dem privilegierten Vorhaben dienen. Notwendig ist hierfür, dass das Vorhaben dem Betrieb zu- und untergeordnet ist und angenommen werden kann, dass ein vernünftiger Unternehmer das Vorhaben mit etwa gleichem Verwendungszweck und mit etwa gleicher Gestaltung und Ausstattung für einen entsprechenden Betrieb errichten würde.

 

Nach diesen Maßstäben gehören insbesondere Anlagen zur Zerkleinerung von Bodenschätzen zum ortsgebundenen Betrieb eines Tagebaus. Bei Anlagen, die Rohstoffe aus einem aktiven Tagebau verarbeiten, wird es maßgeblich auf den Umfang der Verarbeitung von Rohstoffen aus dem Tagebau ankommen. Eine starre Grenze wird hierbei in der Rechtsprechung nicht gezogen. Allerdings dürfte sich die Erforderlichkeit im vorstehenden Sinne umso einfacher begründen lassen, je höher der Anteil an verarbeiteten Rohstoffen aus dem Tagebau ist. Sofern deren Anteil über 50 % liegt, kann man auch eine dienende Funktion im Sinne der Regelung annehmen.

 

Einschlägig kann auch die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB sein. Die Vorschrift privilegiert in ihrer 2. Variante Vorhaben, die wegen ihrer nachteiligen Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen. Hierunter fällt z.B. eine mobile Brechanlage zur Zerkleinerung von mineralischen Abfällen. Wenn in der Standortgemeinde keine Gewerbegebiete, Industriegebiete oder Sondergebiete existieren, die die Umsetzung des geplanten Vorhabens dort ermöglichen, wird § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB aktiviert.

 

Bestätigt wird dies für den Freistaat Bayern nunmehr durch ein Schreiben von StMWBV/StMUV vom 20.09.24 an die Unteren Bauaufsichtsbehörden mit dem Titel „Bauplanungs-, immissionsschutz-, abfall-, und wasserrechtliche Beurteilung von Baustoffrecyclinganlagen an bestehenden und im Einzelfall geeigneten Baustoffgewinnungsbetrieben“. Darin wird ausgeführt, dass mit der Einführung der Ersatzbaustoffverordnung ein Paradigmenwechsel erfolgt sei und dass unabdingbare Bausteine in der Kreislaufwirtschaft Baustoffrecyclinganlagen sind, die auf entsprechende Standorte angewiesen sind. Dieser umweltrechtliche und -politische Paradigmenwechsel im Sinn der Optimierung der Kreislaufwirtschaft sei geeignet, auch das – für die Annahme einer Außenbereichs-Adäquanz i. S. v. § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB geforderte – öffentliche Interesse und den besonderen „Gemeinwohlbezug“ der Recyclinganlagen neu zu definieren. Das Recycling könne nicht mehr wie nach der alten Rechtslage nur als „umweltpolitisch billigenswert bzw. erwünscht“ bewertet werden, sondern stelle sich als prioritäres öffentliches Interesse dar (ähnlich dem „überragenden öffentlichen Interesse“ i. S. v. § 2 EEG. Dem ist – und zwar für alle Bundesländer – uneingeschränkt zuzustimmen.

 

Wir beraten Unternehmen der Rohstoffgewinnung auch bei der Genehmigung von Baustoffrecyclinganlagen und haben zu dem Themenkreis bereits eine umfängliche rechtsgutachterliche Stellungnahme erarbeitet.


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