WISSENSWERTES | 28.02.2023

BAG zum Gender Pay Gap: Verhandlungsgeschick kein Differenzierungskriterium!

Mit Urteil vom 16. Februar 2023 (Az: 8 AZR 450/21), hat nun erstmals das Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen entschieden. Danach hat eine Frau Anspruch auf das gleiche Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit, wenn der Arbeitgeber männlichen Kollegen ein höheres Entgelt zahlt.

 

Die Klägerin ist seit März 2017 bei der beklagten mitteldeutschen Arbeitgeberin als Außendienstmitarbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Sie erhielt anfangs ein zwischen den Parteien ausgehandeltes Grundentgelt in Höhe von EUR 3.500,00 brutto. Ab August 2018 richtete sich ihre Vergütung dann nach einem Haustarifvertrag, durch den ein Eingruppierungssystem eingeführt wurde. Nach der für sie maßgeblichen Entgeltgruppe erhielt die Klägerin ein Grundentgelt in Höhe von EUR 4.140,00 brutto. Allerdings sah der Haustarifvertrag übergangsweise für die Zeit bis 2020 eine Deckelung auf eine Erhöhung von maximal 120 EUR brutto vor, sollte das neue tarifliche Grundentgelt höher sein als das bisherige tarifliche Entgelt.

 

Die Arbeitgeberin beschäftigte im Außendienst auch zwei männliche Arbeitnehmer, einen davon seit Januar 2017. Diesem zahlte die Arbeitgeberin aufgrund seiner Forderung bis zum Einsetzen einer leistungsabhängigen Vergütung, mithin bis zum 31. Oktober 2017, ein deutlich höheres Grundgehalt in Höhe von EUR 4.500,00 brutto. Von November 2017 bis Juni 2018 zahlte sie ihm ein Gehalt in Höhe von EUR 3.500,00 brutto, und ab Juli 2018 in Höhe von EUR 4.000,00 brutto. Zur Begründung führte die Arbeitgeberin an, dieser Arbeitnehmer sei einer ausgeschiedenen, höher vergüteten Vertriebsmitarbeiterin nachgefolgt. Ab dem 1. August 2018 erhielt der männliche Kollege ein tarifliches Grundentgelt nach der gleichen Entgeltgruppe wie die Klägerin, allerdings gedeckelt auf EUR 4.120,00 brutto.

 

Klage: Anspruch auf rückständige Vergütung + Entschädigung wegen einer Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

 

Mit Ihrer Klage verlangte die Klägerin die Zahlung rückständiger Vergütung für 2017 in Höhe von jeweils 1.000,00 brutto pro Monat sowie für die Monate Juli 2018 bis Juli 2019 in Höhe von jeweils EUR 500,00 brutto. Sie meinte, einen Anspruch auf das gleiche Gehalt zu haben wie der fast zeitgleich eingestellte Kollege. Ferner machte sie einen Anspruch auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Höhe von EUR 6.000,00 brutto geltend.

 

Während die Vorinstanzen die Klage noch abgewiesen hatten, gab das BAG der Klägerin überwiegend Recht.

 

Geringeres Entgelt indiziert die Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

 

Der Umstand, dass die Klägerin bei gleicher Tätigkeit ein niedrigeres Entgelt als ihr männlicher Kollege erhalten habe, indiziere die nachteilige Behandlung wegen des Geschlechts. Das Argument der Arbeitgeberin, der männliche Kollege habe sein Gehalt besser verhandelt, genüge nicht, um die Vermutung der Benachteiligung zu widerlegen.

 

Anspruch auf höheres Entgelt aufgrund Diskriminierungsvermutung

 

Aufgrund dessen habe die Klägerin auch einen Anspruch nach Art. 157 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV)), § 3 Abs. 1 und § 7 des Entgelttransparenzgesetzes (EntgTranspG), auf das gleiche Grundgehalt wie ihr männlicher Kollege.

 

Für den Zeitraum ab August 2018 ergäbe sich der höhere Entgeltanspruch allerdings schon direkt aus dem Tarifvertrag. Die Deckelungsregelung finde keine Anwendung auf die Klägerin, weil diese zuvor kein tarifvertragliches, sondern ein einzelvertraglich vereinbartes Entgelt erhalten hatte.

 

Entschädigung nach dem AGG

 

Das BAG sprach der Klägerin schließlich eine Entschädigung wegen der Geschlechtsdiskriminierung in Höhe von EUR 2.000,00 zu.


Praxistipp:

 

Mit dem Urteil des BAG scheint der Grundsatz der Freiheit, sein Gehalt in nicht tarifgebundenen Unternehmen frei auszuhandeln, nicht mehr umfassend anwendbar zu sein.

 

Das BAG hat sich erstmals, soweit ersichtlich, auf die allgemeinen Vorschriften der §§ 3, 7 EntgTranspG gestützt, um den Anspruch auf das höhere Entgelt zu begründen. Während der Auskunftsanspruch nach §§ 10 ff. EntgTranspG nur für Beschäftigte in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten besteht, gelten die §§ 1-9 EntgTranspG mit den Regelungen zur Entgeltgleichheit für Männer und Frauen unabhängig von der Betriebs- oder Unternehmensgröße.

 

Es liegt allerdings bisher nur die Pressemitteilung des Gerichts vor. Eine gründliche Analyse des Urteils kann daher erst nach Vorliegen der vollständigen Urteilsgründe erfolgen.


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