WISSENSWERTES | 25.02.2025
Ausnahmen nach Paragraph 16 AwSV für Ausbauasphalt – Anmerkung zu VG Potsdam, Urteil vom 13.06.2024 – VG 16 K 542/20
Sachverhalt und Entscheidung
Die Klägerin betreibt eine Asphaltmischanlage mit zugehörigen Lagerflächen. Sie beantragte eine wesentliche Änderung der Anlage zur Erhöhung der Lagerkapazität von nicht gefährlichen Abfällen von 20.000 Tonnen auf 50.000 Tonnen, einschließlich der Lagerung von Bitumengemischen mit einem Gehalt an Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) von 10 mg/kg bis 25 mg/kg. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Bei dem Ausbauasphalt handele es sich um feste mineralische Abfallgemische aus Straßenbitumen oder bitumenhaltigen Bindemitteln und Gesteinskörnungen sowie ggf. weiteren Zuschlägen und/oder Zusätzen. Ausbauasphalt gelte nach § 62 Abs. 3 WHG als auch nach § 3 Abs. 2 Nr. 8 AwSV als wassergefährdender Stoff und werde grundsätzlich nicht in Gefährdungsstufen eingestuft, solange nicht eine abweichende Einstufung nach § 10 Abs. 1 AwSV erfolge. Soweit es in einer im September 2018 abgegebenen Stellungnahme des Umweltbundesamtes heiße, dass Ausbauasphalt mit einem PAK-Gehalt im Feststoff von > 10 mg/kg bis ≤ 25 mg/kg als allgemein wassergefährdend anzusehen sei, jedoch im Einzelfall gemäß § 16 Abs. 3 AwSV von der Herstellung einer befestigten Lagerfläche abgesehen werden könne, gelte dies nur für Ausbauasphalt, der ausschließlich aus Bitumen bestehe und keine Bestandteile von Teer/Pech enthalte. Eine Ausnahme nach § 16 Abs. 3 AwSV könne nicht erteilt werden, da besondere Umstände des Einzelfalls nicht gegeben seien.
Dies bestätigte das VG Potsdam. Das Vorhaben genüge nicht § 62 Abs. 1 WHG. Aufgrund der beabsichtigen Lagerung von Ausbauasphalt mit einem PAK-Gehalt im Feststoff von > 10 mg/kg bis < 25 mg/kg auf einer unbefestigten, wasserdurchlässigen und vor Niederschlagswasser und sonstigen Witterungseinflüssen ungeschützten Lagerfläche ist eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern zu besorgen. Eine abweichende Einstufung nach den Regeln der AwSV liege nicht vor. Die Anlage sei daher mit einer flüssigkeitsundurchlässigen, austretende wassergefährdende Stoffe zurückhaltenden und gegen äußere Einflüsse widerstandsfähigen Rückhalteeinrichtung auszurüsten. Einen Anspruch nach § 16 Abs. 3 AwSV auf eine Ausnahme von diesen Erfordernissen habe die Klägerin nicht. Letzteres sei deshalb nicht der Fall, weil die geltend gemachten stofflichen Besonderheiten von Asphalt (geringes Elutionsverhalten) keinen abweichenden Einzelfall darstellten. Hierzu berief sich das VG neben dem Wortlaut der Regelung auf die Verordnungsbegründung. Bewertung und Kritik
Die Entscheidung ist in Ergebnis und Begründung grundlegend falsch.
Aus dem Wortlaut der Regelung des § 16 Abs. 3 AwSV und der Verwendung des Begriffs „dennoch“ kann zunächst nur geschlossen werden, dass der Verordnungsgeber bei wassergefährdenden Stoffen grundsätzlich davon ausgeht, dass die Anforderungen nach § 62 Abs. 1 WHG im Einzelfall auch dann einhaltbar sind, wenn die technischen und organisatorischen Anforderungen nach Kapitel 3 der AwSV nicht in vollem Umfang Geltung beanspruchen. Welche Umstände für die Inanspruchnahme einer Ausnahme vorliegen müssen – ob etwa technische, organisatorische, standortbezogene und/oder sonstige Randbedingungen einschlägig sein müssen – lässt sich der Vorschrift nicht entnehmen. Damit ist aber auch eine gewisse Offenheit der Regelung für unterschiedliche Umstände des Einzelfalls im Ausgangspunkt anzunehmen. In der Begründung des Verordnungsgebers werden die Ausnahmegründe nur exemplarisch – keineswegs aber abschließend – mit Blick auf die Standortverhältnisse angesprochen (BR-Drs. 144/16 (Beschluss), S. 234).
Dies ergibt auch der systematische Bezug zu § 62 Abs. 1 WHG. Dieser enthält in seinem Satz 1 die maßgebliche Zielsetzung und gleichzeitig materielle Vorgabe, dass eine nachteilige Veränderung der Eigenschaften von Gewässern nicht zu besorgen ist. Maßgeblich sind also auch insoweit die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften des Wassers, die Wassermenge, Gewässerökologie sowie auch Hydromorphologie. Aus dieser sozusagen zielförmig festgelegten Vorgabe resultiert im Umkehrschluss, dass im Rahmen der Einzelfallprüfung nach § 16 Abs. 3 AwSV alle denkbaren Umstände des Einzelfalls heranzuziehen sind, die den Schluss zulassen, dass nachteilige Veränderungen im Sinne von § 62 Abs. 1 WHG nicht zu besorgen sind. Für die danach zu beantwortende Frage, wann eine nachteilige Veränderung nicht zu besorgen ist, kommt es auch auf die Menge der zu handhabenden Stoffe sowie den Gefährdungsgrad an. Daraus wird deutlich, dass jedenfalls auch das Gefährdungspotenzial – hier des Ausbauasphalts – maßgeblich für die Beurteilung ist, ob und ggf. welche Rahmenbedingungen für die Erteilung einer Ausnahme gegeben sein müssen.
Das VG ignoriert dabei, dass die allenfalls geringe Eluierbarkeit von Stoffen aus Asphalt nicht nur durch das von ihm zitierte Umweltbundesamt festgestellt wurde. Ebenso gehen beispielsweise das Bayerische Landesamt für Umwelt in seinem Merkblatt Nr. 3.4/1 (Stand 03/2019, S. 13) und das Niedersächsische Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz in seinem Schreiben vom 30.09.2020 davon aus, dass aufgrund der geringen Schadstoffverfügbarkeit eine Ausnahme nach § 16 Abs. 3 AwSV möglich ist. Aufgrund des breiten fachbehördlichen Konsenses und der den behördlichen Schlussfolgerungen zugrunde liegenden Prüfergebnisse von Ausbauasphalt wird man bereits aufgrund der äußerst geringen Eluierbarkeit und der festgestellt minimalen stofflichen Austräge die Tatbestandsvoraussetzungen nach § 16 Abs. 3 AwSV für gering verunreinigten Ausbauasphalt mit PAK-Gehalten von ≤ 25 mg/kg regelmäßig als gegeben anzusehen haben.
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