WISSENSWERTES | 05.12.2022

Ausblick 2023: Neues Vergabegesetz für das Land Sachsen-Anhalt

Seit Jahren wurde in Sachsen-Anhalt um ein neues Vergabegesetz gerungen. Novellierungsbedarf bestand nicht zuletzt wegen der grundlegenden Änderungen des Bundesvergaberechts zum 18. April 2016.

 

Am 18. November 2022 beschloss nun der Landtag in Magdeburg das neue Tariftreue- und Vergabegesetz Sachsen-Anhalt (TVergG LSA). Der Entwurf der Landesregierung vom 12. Mai 2022 hat dabei in den Ausschüssen noch einige Änderungen erfahren.

 

Das Gesetz ist noch nicht im Gesetz- und Verordnungsblatt verkündet. Damit ist aber noch im Laufe des Dezembers 2022 zu rechnen. Das Gesetz wird deshalb (voraussichtlich) mit Wirkung zum 1. März 2023 in Kraft treten. Vergabeverfahren, die bis dahin eingeleitet worden sind (Veröffentlichung oder Aufforderung zur Angebotsabgabe), werden aber noch nach altem Recht zu Ende geführt. Gleiches gilt für sonstige, bislang verfahrensfreie Beschaffungen, soweit der Vertragsabschluss bis zum 28. Februar 2023 erfolgt.

 

Die wesentlichen Änderungen betreffen die Schwellenwerte, den vom Gesetz erfassten Kreis der öffentlichen Auftraggeber, das Verfahrensregime für Liefer- und Dienstleistungen, Anforderungen an die elektronische Abwicklung der Beschaffungsverfahren, soziale Kriterien und tarifrechtliche Anforderungen an die Bieter sowie das Nachprüfungsverfahren für Unterschwellenaufträge.


Neue Schwellenwerte

 

Der Gesetzgeber hat die bisherigen Schwellenwerte angehoben:

Liefer- und Dienstleistungen: von 25.000 EUR auf 40.000 EUR netto

Bauleistungen: von 50.000 EUR auf 120.000 EUR netto

Unterhalb dieser Schwellenwerte gelten die allgemeinen Haushaltsgrundsätze für Beschaffungen. Lose von Beschaffungsvorhaben sind dabei zu addieren.

 

Einbeziehung öffentlicher Sektorenauftraggeber in den Kreis öffentlicher Auftraggeber

 

Ob der Landesgesetzgeber das tatsächlich im Auge hatte, ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfes zwar nicht. Aber die Übernahme der neuen Systematik zur Definition des Kreises der öffentlichen Auftraggeber aus dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB 2016) in § 2 Abs. 2 TVergG LSA hat zur Folge, dass privatrechtlich organisierte öffentliche Sektorenauftraggeber (§ 100 Abs. 1 Nr. 1 GWB, also z.B. kommunale Stadtwerke oder Wasserversorger in den Rechtsformen einer GmbH oder AG) nunmehr nach den Bestimmungen für unterschwellige Vergaben im TVergG LSA zu beschaffen haben werden. Bisher waren sie nach der Rechtsprechung des OLG Naumburg durch den Verweis auf § 99 Nr. 2 GWB (in der bis zum 17. April 2016 geltenden Fassung) von der Beachtung des Landesvergaberechts ausgenommen.

 

Anwendung der UVgO für Liefer- und Dienstleistungen

 

Als nunmehr 15. Bundesland sieht auch Sachsen-Anhalt die Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO), für die Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen vor. Auswirkungen wird dies insbesondere auf die Beschaffung von nicht abschließend beschreibbaren (Planungs-)Leistungen der Architekten und Ingenieure haben, als dass diese – anders als im Rahmen der Geltung der VOL/A (Abschnitt 1) – nach § 50 UVgO nunmehr auch unterschwellig grundsätzlich im Wettbewerb vergeben werden müssen.

 

Elektronische Abwicklung von Vergabeverfahren

Im Rahmen der Auftragsbekanntmachung sieht § 2/1 TVergG LSA die verpflichtende Nutzung der Vergabeplattform des Landes Sachsen-Anhalt als zentrales Bekanntmachungsmedium vor. Ferner ist darin eine Ausrichtung auf elektronische Verfahren auch im Unterschwellenbereich angelegt. Hier bleiben die konkreten Regelungen des Verordnungsgebers aber noch abzuwarten.

 

Bestbieterprinzip im Unterschwellenbereich

Ob das nunmehr in § 6/1 TVergG LSA neu verankerte „Bestbieterprinzip“ zu einer wesentlichen Entlastung unterschwelliger Beschaffungen von bürokratischem Aufwand führen wird, bleibt jedoch abzuwarten. Wir sind hier skeptisch. Denn es verpflichtet den Auftraggeber künftig, die Angebote zunächst auf der Wirtschaftlichkeitsebene (4. Wertungsstufe) zu werten. Erst danach dürfen die im Rahmen der drei vorangegangen Wertungsstufen (formale/technische Prüfung, Eignungsprüfung, Auskömmlichkeitsprüfung) vom Bieter vorzulegenden Erklärungen und Nachweise gefordert werden – und zwar ausschließlich vom Bestbieter! Erfahrungsgemäß scheitert eine Reihe von Bietern auf einer dieser Ebenen. Auch versetzen diese, von allen Bietern bislang mit den Angeboten eingereichten Unterlagen den Auftraggeber in die Lage, durch vergleichende Betrachtungen „Probleme“ zu erkennen oder auch auszuräumen. Künftig sollen die ersten drei Wertungsstufen nur noch für den Bestbieter durchlaufen werden. Bestenfalls führt das zu einer Verzögerung der Vergabeverfahren, wenn sich erweist, dass der Bestbieter formale Anforderungen nicht erfüllt, seine Eignung nicht nachweist oder unauskömmliche Angebote unterbreitet hat. Denn dann wäre er auszuschließen und der Prüfungsprozess ist für den Nachrücker erneut zu durchlaufen – so lange, bis ein Bieter alle Wertungsstufen übersteht. Von dieser neuen gesetzlichen Prüfungsreihenfolge darf der Auftraggeber künftig nur bei unverschuldeter Dringlichkeit abweichen (§ 6 Abs. 5 TVergG LSA).

 

Neue Tariftreueregelungen (ober- und unterschwellig)

Die bisherige Tariftreueregelung in § 10 Abs. 1 LVG LSA wurde neu gefasst. Ziel ist eine europarechtskonforme Tarifvorgabe. Der Aufwand für öffentliche Auftraggeber wird hier größer werden. Sie müssen jetzt in den Vergabeunterlagen angeben, welches tarifvertraglich vereinbarte Entgelt maßgeblich ist. Soweit eine solche Vorgabe nach § 10 Abs. 1 TVergG LSA nicht erforderlich ist, gilt ein an die Entgeltgruppe 1 Erfahrungsstufe 2 des TVöD gekoppeltes Mindestentgelt für die Vergütung der mit der Erledigung des Auftrags betrauten Mitarbeiter des Bieters. Schließlich sind Bieter mit Sitz im Ausland von diesen Anforderungen gemäß § 10 Abs. 4 TVergG LSA ausgenommen, wenn ein allgemeinverbindlicher Tarifvertrag nicht gilt oder die Leistungen nicht in der Bundesrepublik erbracht werden.

 

Neuerungen im Rechtsbehelfsverfahren bei Unterschwellenvergaben

§ 19 Abs. 1 TVergG LSA sieht eine erweiterte, § 134 GWB nachgebildete Vorinformationspflicht vor.

Liefer- und Dienstleistungen: von 50.000 EUR auf 40.000 EUR netto

Bauleistungen: von 150.000 EUR auf 120.000 EUR netto

 

Den Bietern werden nunmehr Rügeobliegenheiten auferlegt, die denen aus § 160 Abs. 3 GWB nachgebildet sind (§ 19 Abs. 5 TVergG LSA).
Im Übrigen wird das Verfahren auch von Ablauf und Strukturierung her einem Nachprüfungsverfahren nach §§ 160 ff. GWB angenähert (§ 22/1 TVergG LSA). Die Verfahrensentscheidungsfrist wird verlängert (von vier auf fünf Wochen). Die Befugnisse der Vergabekammer zur Verlängerung der Entscheidungsfrist werden ausgeweitet.
Bei allem bleibt, dass den Bietern Rechtsbehelfe vor ordentlichen Gerichten daneben weiterhin zur Verfügung stehen.

 

„Nachtrag:

Das Gesetz ist am 13. Dezember 2022 im Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Sachsen-Anhalt verkündet worde (GVBi. LSA 2022, S. 367). Damit treten die wesentlichen Neuerungen zum 01. März 2023 in Kraft.“


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