WISSENSWERTES | 18.07.2016

Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts

Der Bundesfinanzhof befasste sich in seinem Urteil vom 10. Februar 2016, Az. XI R 26/13, einmal mehr mit der Umsatzbesteuerung juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Besondere Beachtung verdienen die Ausführungen des BFH zur Auslegung des Wettbewerbsbegriffs.

Unternehmerische Tätigkeit

Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG in der bis zum 31. Dezember 2015 geltenden Fassung waren juristische Personen des öffentlichen Rechts aufgrund der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung grundsätzlich nur im Rahmen ihrer Betriebe gewerblicher Art unternehmerisch tätig. Handelte eine juristische Person des öffentlichen Rechts auf privatrechtlicher Grundlage durch Vertrag, war stets eine Besteuerung vorzunehmen. Erfolgte die Tätigkeit hingegen auf öffentlich-rechtlicher Grundlage, war zu fragen, ob eine Behandlung als Nichtunternehmer zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen würde. In neueren Entscheidungen hatte der BFH bereits ausdrücklich die Steuerbarkeit von privatrechtlichen Beistands- und Vermögensverwaltungsleistungen juristischer Personen des öffentlichen Rechts festgestellt (BFH, Urteil vom 15. April 2010 – V R 10/09, dort Rn. 16ff.; BFH, Urteil vom 10. November 2011 – V R 41/10, Rn. 13ff.).

Sachverhalt und Vorgeschichte

In seinem Urteil vom 10. Februar 2016 hatte der BFH über die entgeltliche Tätigkeit einer als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisierten Landesärztekammer in Nordrhein-Westfallen im Rahmen der sog. „externen Qualitätssicherung“ zu entscheiden.

Die Aufgaben dieser Ärztekammer ergaben sich aus dem Heilberufsgesetz Nordrhein-Westfalen (HeilBerG NRW). Gemäß § 6 Abs. 1 HeilBerG NRW gehörte dazu die Förderung der „Qualitätssicherung im Gesundheits- und Veterinärwesen“, welche im Rahmen der „externen Qualitätssicherung Krankenhaus“ (§ 137 Abs. 1SGB V) umgesetzt wurde. Zur Erfüllung dieser Aufgabe schlossen die Spitzenverbände der Krankenkassen, der Verband der privaten Krankenversicherung und die Deutsche Krankenhausgesellschaft im Einvernehmen mit der Bundesärztekammer und dem Deutschen Pflegerat eine Vereinbarung zur Qualitätssicherung („Vereinbarung über Maßnahmen der Qualitätssicherung für nach § 108 SGB V zugelassene Krankenhäuser gemäß § 137 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 SGB V i.V. m. § 135a SGBV“). Um die konkrete Durchführung auszugestalten, vereinbarten die Krankenhausgesellschaft in Nordrhein-Westfalen und die Verbände der Kostenträger im Einvernehmen mit der klagenden Landesärztekammer und einer weiteren Ärztekammer die Gründung jeweils einer Projektgeschäftsstelle der Ärztekammern auf der Grundlage des Umsetzungsvertrages NRW („Vertrag über die Umsetzung von Qualitätssicherungsmaßnahmen in Nordrhein-Westfalen“). Diese Maßnahmen wurden durch einen von den Krankenhäusern erhobenen Zuschlag auf die von ihnen abgerechneten Pauschalen je „Diagnosis Related Group“ finanziert. Der Zuschlag bestand aus drei Komponenten: Dem Zuschlagsanteil des Krankenhauses, dem des Bundes und dem des Landes. Die Krankenhäuser überwiesen den abgerechneten Anteil (Zuschlagsanteil „Land“) an die klagende Landesärztekammer. Das Finanzamt erließ dieser gegenüber einen Umsatzsteuerbescheid, gegen den vor dem FG Münster Klage erhoben wurde. Das Gericht gab der Klage statt, da die Ärztekammer im Rahmen der sog. „externen Qualitätssicherung“ nicht als Unternehmerin tätig gewesen sei und die Zuschlagsanteile „Land“ demnach keine steuerbaren Umsätze darstellten (Urteil v. 16. April 2016, Az. 15 K 227/10 U.

Vor dem BFH hatte die Revision des Finanzamts zwar Erfolg, allerdings nur wegen Verfahrensfehlern. In der Sache teilte der BFH die erstinstanzliche Entscheidung.

Öffentlich-rechtlicher Gegenstand und Vertragszweck

Für die Einordnung der Tätigkeit als öffentlich-rechtlich ist nach dem BFH darauf abzustellen, dass juristische Personen des öffentlichen Rechts im Rahmen einer öffentlich-rechtlichen Sonderregelung und damit nicht wie ein privater Wirtschaftsteilnehmer tätig werden. Bei einer Tätigkeit aufgrund Vertrages sei die Abgrenzung anhand des Gegenstandes und des Zweckes des Vertrages vorzunehmen. Wenn der Vertragsgegenstand dem öffentlichen Recht zuzurechnen sei, dann sei von einer öffentlich-rechtlichen Grundlage auszugehen. Im Falle der Landesärztekammer stützte der BFH die Einordnung als öffentlich-rechtlich auf den aus der Präambel des Umsetzungsvertrages NRW hervorgehenden Vertragszweck der „externe Qualitätssicherungsmaßnahmen“ auf der Grundlage von § 137 SGB V – also einer öffentlich-rechtlichen Norm. Nicht zwingend notwendig sei hingegen, dass die Klägerin – die Landesärztekammer die Befugnis zum Erlass eines Verwaltungsaktes erhalte.

Keine größeren Wettbewerbsverzerrungen  

Auch der Begriff „größere Wettbewerbsverzerrungen“ sei unter Beachtung der EUGH-Rechtsprechung auszulegen und dahingehend zu verstehen, dass sie „mehr als nur unbedeutend“ sein müssten. Es sei weder auf den konkreten lokalen Markt abzustellen, noch allein ein gegenwärtiger Wettbewerb zu berücksichtigen, sondern ein potenzieller Wettbewerb, solange diese Möglichkeit real und nicht nur rein hypothetisch sei. Der BFH folgte der erstinstanzlichen Einschätzung des FG, dass private Wirtschaftsteilnehmer keine reale Möglichkeit hätten, in den relevanten Markt für Leistungen der „externen Qualitätssicherung Krankenhaus“ einzutreten, da aufgrund landesgesetzlicher Regelung eine Mitwirkung der Krankenhäuser und Ärzte ausschließlich gegenüber den durch Bundes- und Landesrecht an der Qualitätssicherung Beteiligten erfolgen müsse.

Fazit und Ausblick

Die Aussagen zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Verträgen sind über den konkreten Einzelfall hinaus von Bedeutung. Es ist entscheidend auf den Gegenstand und Zweck des Vertrages abzustellen. Das Urteil des FG Münster vom 16. April 2013, Az. 15 K 227/10 U, bietet hierfür ebenso wertvolle Auslegungshilfen. Es spricht für eine Einordnung als öffentlich-rechtlich, wenn eine öffentlich-rechtliche Norm zum Abschluss des Vertrages berechtigt hat oder eine solche die Leistungspflichten der Vertragspartner regelt. Ebenso ist darauf zu achten, ob der Vertrag Befugnisse für hoheitliches Handeln, wie den Erlass von Verwaltungsakten enthält oder einen Verwaltungsakt ersetzt.

Nach mehr als zweijähriger Beratung trat zum 1. Januar 2016 § 2b UStG in Kraft, der § 2 Abs. 3 UStG aF ersetzt. § 2b UStG bildet nunmehr die Grundlage für die Besteuerung der Umsätze juristischer Personen des öffentlichen Rechts und hebt gleichzeitig die bisher bestehende Verknüpfung zwischen Umsatzsteuer und Körperschaftsteuer auf. Gemäß § 2b Abs. 1 Satz 1 UStG nF fallen jedoch nur Tätigkeiten unter diese Norm, die im Bereich der öffentlichen Gewalt angesiedelt sind. Juristische Personen des öffentlichen Rechts können allerdings auch bei der Ausführung von öffentlichen Aufgaben als Unternehmer anzusehen sein, sofern es hierbei zu größeren Wettbewerbsverzerrungen kommt, § 2b Abs. 1 Satz 2 UStG nF. Unverändert sind die nunmehr in § 2b Abs. 4 UStG nF genannten Tätigkeiten stets unternehmerisch zu qualifizieren.

Nach der Übergangsregelung gemäß § 27 Abs. 22 UStG gilt die Altregelung des § 2 Abs. 3 UStG aF noch für alle bis zum 31. Dezember 2016 ausgeführten Leistungen. § 2b UStG gilt grundsätzlich erst für Umsätze ab dem 1. Januar 2017. Ein durch Erklärung bis zum 31. Dezember 2016 auszuübendes Optionsrecht eröffnet die Möglichkeit, die Altregelung bis einschließlich 2020 beizubehalten. Dabei ist eine Beschränkung auf einzelne Tätigkeitsbereiche oder Leistungen allerdings nicht zulässig.


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